FC Bayern – PSV Eindhoven 4:1

Bayern gegen Eindhoven, als dieses Duell letztes Mal aus dem Lostopf gezogen wurde, machten sich viele Leute noch ernsthaft Sorgen darüber, dass mit dem Jahreswechsel von 1999 auf 2000 alle Computer ihren Geist aufgeben oder wahlweise gespenstische Sachen machen würden. Heute ist zwar das Internet laut Frau Merkel noch weitgehend Neuland für die Bundesbürger, aber immerhin fürchten wir uns nicht mehr, dass uns an Silvester neben Böllern und Raketen auch noch unsere geliebten Rechenmaschinen um die Ohren fliegen. Ebenso wenig versetzt die Präsenz einer holländischen Fußballszene die Medien in Angst und Schrecken. So war man schon fast ein wenig überrascht, dass es im Vorfeld kaum Panikmache in Richtung „deutsch-holländischer Fußballkrieg“ gab. Kann sich keiner mehr an den letzten Auftritt von Ajax bei uns erinnern, als die mal kurzerhand in Richtung Südkurve unterwegs waren. Die Zeit wird einfach immer schnelllebiger, kaum wird mal zehn Jahre keiner aufrandaliert, gerät vieles in Vergessenheit.

Egal, zumindest die Schmier war trotzdem auf Trab und dürfte heute ordentlich Stunden geschrieben haben, denn gefühlt berichtete jeder, der in Fröttmaning auflief, wie mit ihm in der U-Bahn irgendwelche PSV-Fans von Bullen eskortiert wurden.

Wie sie im Gästeblock dann wieder in ihr natürliches Habitat entlassen waren, stimmten die Jungens von der Philips‘ Sport Vereinigung auch gleich die ersten Lieder an und konnten so schon weit vor Anpfiff mit ihrem youtube-Mix für etwas akustische Unterhaltung sorgen. Während des Spiels wurde das Ganze dann zwar etwas flacher, aber zumindest mit ihrem Arjen Robben Song bei der Auswechslung des groß aufspielenden, ehemaligen Eindhoveners konnten sie dann aber nochmal die Ohren ihres Zuhörers gewinnen.

Auf dem Rasen hatten sie zwischenzeitlich auch nochmal gut Aufwind. Für die nicht mehr ganz so jungen unter uns ist der PSV ja durchaus mit sehr klangvollen Namen verbunden. Ruud Gullit, Romario und Ronaldo sollten später bei anderen Vereinen zu Weltstars werden und auch andere klanghafte Namen gingen ihre ersten Schritte auf internationaler Fußballbühne in den rot-weißen Streifen des PSV. Momentan läuft es allerdings nicht so rund in Eindhoven und so kamen die Holländer mit einer Negativserie im Gepäck nach München. Ein guter Aufbaugegner für unsere Rothosen also, die auch direkt Druck machten und so das Spiel innerhalb der ersten 20 Minuten direkt in die richtige Bahn lenkten. Leider wurde die Fahrt trotzdem nochmal holprig, da unsere Elf durch einige Nachlässigkeiten die Holländer zurück ins Spiel brachte, die dann auch die entsprechenden Chancen zum Ausgleich hatten. Erst Robert Lewandowski, der den dritten Treffer des Abends markierte, brachte uns zurück in ruhigere Fahrwasser.

Die Südkurve kam heute noch wesentlich smoother durch die Begegnung. Richtig schöne Europapokalstimmung ohne größere Schwächephasen und einem fantastischen Klimax in den letzten 20 Minuten, als die Vorsänger gar nicht mehr anders konnten, als die Meute zu immer wilderen Runden „Südkurve München sind wir“ anzufeuern. Und wenn es dann doch mal kurz abebbte, gab es immer ein Grüppchen oder eine Ecke in der Kurve, die diese Wahnsinnfahrt nicht enden lassen wollte. Ein übler Spaß für Jung und Alt, der einem mal wieder gezeigt hat, wieviel Spaß diese Europapokalheimspiele doch haben können, auch wenn sie in unserer Szene schon lange keinen besonderen Stellenwert mehr haben.

Spruchbänder waren heute auch einige im Gepäck der Südkurvengruppen und wurden am nächsten Tag auch von den lokalen Medien aufgegriffen. Das erste (und letzte) Spruchband des Tages trug dabei aber keine Protestmessage wie von den Journalisten spekuliert, sondern war einem Freund aus Jena gewidmet, der grade einen harten Fight mit dem Krebs führt und dem wir nur das Beste wünschen. Kämpfen, Enge!

Es gab aber auch Spruchbänder, die wirklich auf Missstände im Fußball hinwiesen. MRP zeigte zuerst, “In Warzaw, Rostov and elsewhere: Smug UEFA battles Football instead of Racism.“ und später noch ein “St. Etienne/Paris: Terrorism misused to lock out Fans of FC Basel. Fuck Authorities!”
Zwei Tapeten, die auf europäischer Ebene die Thematik wieder aufgriffen, die uns am Samstag zuvor in Frankfurt schon so sehr beschäftigt hatte. Verschiedene Auslöser, verschiedene Begründungen, die herhalten müssen, aber am Ende steht wieder ein Ausschluss von Fans, denen die Möglichkeit genommen wurde, ihre Mannschaft zu unterstützen. Die zunehmende Regelmäßigkeit, mit der dies mittlerweile passiert, lässt einem Angst und Bange vor der Zukunft werden.

Zusätzlich gab es noch zwei Geburtstagsgrüße: Einmal nach Lüttich zu unseren Bekannten vom Ultras Inferno und einmal an das heimische Inferno, das sein 15-jähriges Jubiläum zwar nicht mehr als Gruppe beging, aber dessen Protagonisten natürlich weiter unter uns in der Südkurve weilen und die wir auch in Zukunft an unserer Seite nicht missen möchten.

Mit diesen Worten geht’s hinaus ins Dunkel der Esplanade und mit dem Gefühl, eine unterhaltsame Europapokalnacht gehabt zu haben, weiter nach Hause.

Bilder vom Spiel gibt es hier