FC Bayern – Borussia Dortmund 1:1

Bayern gegen Dortmund, da waren ja noch ein paar Rechnungen offen. Auch wenn die sportliche Rivalität vor dem Spiel durch unseren elf Punkte Vorsprung auf die Borussia etwas entschärft wurde, war doch heute jeder Bayernfan nochmal zehn Prozent heißer auf einen Sieg als bei den meisten anderen Spielen.

Dementsprechend groß war auch der Andrang am Streetworkbus, wo man lustige Geschichten von der Säbener Straße zu hören bekam. Anscheinend war der Run auf das Spiel so groß, dass bereits ab fünf Uhr früh erste Bayernfans nach den 100 Jugendkarten angestanden hatten. Am Ende war der Andrang so groß, dass nach dem Öffnen der Eingangstür selbige durch das Drängen der Massen etwas ramponiert wurde und sich vorerst nicht mehr schließen ließ. Auch das im Eingangsbereich zur Präsentation ausgestellte Auto bekam wohl eine Kleinigkeit ab, da es sich ganz dreist in den direktesten Weg zwischen Fans und Kartenschalter gestellt hatte. Hier braucht jetzt übrigens keiner die Moralkeule schwingen. Das sind eben die ganz normalen Begleiterscheinungen von Vermarktung und Medienhype.

Das heutige Topspiel bedeutete zeitgleich den zweiten Aktionsspieltag der Kampagne 12:12, bei der die Fankurven die ersten 12 Minuten und 12 Sekunden schweigen, um zu zeigen, wie Fußball ohne aktive Fans aussehen würde. Um möglichst viele Fans im Stadion über die Hintergründe dieser Aktion aufzuklären, hatten die Initiatoren einen Info-Flyer vorbereitet, der in allen Stadien verteilt werden sollte. Unseres Wissens nach war der FC Bayern der einzige Verein in der 1. Bundesliga, der das Austeilen der Info-Flyer nicht genehmigte. Da passte es natürlich gut ins Bild, dass Terrorexperte und Hilfspolizist in Personalunion Wolfgang Salewski durch das Stadion patroullierte und gar einen jungen Bayernfan dabei ertappte, wie er ein paar Südkurvenbladdl in der Hand hatte. Auf Nachfrage drückte er Salewski eines davon in die Hand und der alte Mann rief schnell den Ordnungsdienst herbei. Verboten, Verboten, Verboten! Der junge Bayernfan wurde aus dem Stadion geworfen. Schon groß, wenn ein Herr jenseits des Rentenalters einem Jugendlichen seinen Fußballtag kaputt macht, weil der ein paar Zettel in der Hand hält, auf denen noch nicht mal etwas verwerfliches steht. Sie haben’s schon verdammt weit gebracht, Herr Professor.

Fürs Einlaufen der Mannschaften hatten die Verantwortlichen beim FC Bayern heute eine große Fähnchenchoreo im gesamten Stadion auslegen lassen. Da das Ganze wohl schon seit geraumer Zeit im Gespräch war, gehen wir nicht davon aus, dass man die Fahnen verteilte, um die 12:12 Aktion zu sabotieren. Dass wir grundsätzlich nicht viel von vereinsfinanzierten und -organisierten Choreos halten, wollen wir trotzdem noch mal kurz erwähnen. Wir sehen die Atmosphäre in einem Stadion in erster Linie als Refugium der Fans. Sie sollten darüber entscheiden, ob sie dem Verein und der Mannschaft ein Geschenk in Form einer Choreographie machen möchten oder nicht, genauso wie sie entscheiden sollten, ob sie singen wollen oder nicht, anstatt von Blaskapellen oder Einspielern dazu animiert zu werden.

Die 12 Minuten und 12 Sekunden Schweigen, an denen sich natürlich auch die Fangruppen aus Dortmund beteiligten, klappten dann recht gut und außer ein paar selbstverständlichen Ahs, Ohs und Pfiffen gegen die Borussia-Spieler blieb es leise im weiten Rund. Im Kontrast dazu legte die Südkurve ab der 13. Minute verdammt gut los. Hohe und lautstarke Beteiligung an den Gesängen, einem Spitzenspiel angemessen. Leider passte sich die Anfeuerung sehr schnell immer mehr dem Geschehen auf dem Rasen an. Auch da konnte man nicht meckern, taktisch anspruchsvoll und intensiv war es ja, es fehlten allerdings etwas die Highlights. Dementsprechend war der stimmungstechnische Ausreißer halt nach wenigen Minuten vorbei und wir servierten Standardkost. Über die gesamte Spielzeit gesehen war es okay, was die Südkurve ablieferte. Leider haben wir unsere glänzendsten Auftritte eben selten bei den wichtigsten Spielen. Auch dem Anhang der Borussia würden wir einen ordentlichen, aber keinen überragenden Beitrag zur Stimmung im weiten Rund bescheinigen. Von ihren letzten Gastspielen am Kurt-Landauer-Weg hatten wir sie lauter in Erinnerung.

Das Spiel selbst wurde vor dem Erscheinen dieses Artikels ja bereits in allen Medien x-fach rauf und runter analysiert. Wir können nicht mehr viel hinzufügen, was woanders nicht schon geschrieben wurde. Wir wollen trotzdem noch Holger Badstuber eine gute Besserung wünschen. So bitter, dass es unseren sympathischen Verteidiger direkt wieder erwischt hat, nachdem er erst eine Verletzung auskuriert hatte.

Erwähnen möchten wir noch zwei Spruchbänder von unserer Seite. Zum einen „Speziale innocente“, was soviel wie „Speziale unschuldig“ bedeutet. Es bezieht sich auf das Urteil gegen den Catania-Fan Antonio Speziale, der verurteilt wurde, da er angeblich einen Polizisten getötet haben soll. Die Beweislage ist nach unserem Lesen der verfügbaren Medienberichte allerdings mehr als dünn und der Verdacht von Gesinnungsjustiz liegt nahe. Ein Spieler des italienischen Serie D Vereins Nuova Cosenza hatte übrigens nach einem Tor die gleiche Botschaft in eine Fernsehkamera gehalten. Ergebnis: Er wurde vom Verband bis Ende der Saison für den Spielbetrieb gesperrt und erhielt zusätzlich durch den Polizeichef von Catanzaro ein dreijähriges Stadionverbot. Immerhin haben wir damit die Gewissheit, dass sich die Spirale des repressiven Wahnsinns in Italien schon ein Stück weiter gedreht hat als bei uns.

Das zweite Spruchband richtete sich an Paula von unseren Freunden aus St. Pauli, die an Leukämie erkrankt ist. Liebe Paula, wir wünschen Dir auch auf diesem Weg noch einmal viel Kraft für Deinen Kampf gegen die Krankheit.

Ein drittes Spruchband in der Südkurve zeigte der Queerpass Bayern mit einem „Bayernfans gegen Homophobie“

Ein Dankeschön geht an einen Freund vom FCC, der uns an diesem Spieltag besuchte.

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