Gestern noch in Athen, morgen schon in Darmstadt… oder so ähnlich. Jedenfalls hätte das noch letztes Jahr kein Mensch für möglich gehalten, dass manch einer mehr oder weniger direkt aus dem Griechenland-Flieger in den Zug nach Darmstadt stolpert.
Schweren Herzens sagten wir der Landeshauptstadt zum Anstich der Wiesn gleich wieder leise servus und rollten gechillt durch den Freistaat nach Hessen, wo uns der letzte Old-School Ground der Bundesliga erwartete. Keine Kartenscanner, keine Drehkreuze, nicht alles zubetoniert — zwar sieht man beim Hoppen ja allerhand Stadien, aber mit dem FC Bayern war das Böllenfalltor echt mal wieder ein Schmankerl. Gerade der Moment, wenn man oben im Gästebereich den Ground betritt und sich das Stadion so wunderschön vor einem ausbreitet. Herrlich.
Der Gästeblock bot dabei auch in den unteren Reihen eine Topsicht aufs Spielfeld und – für uns Bayernfans noch ungewohnter – jede Menge Platz. Zwar bitter für die Leute, die keine Karte für das Spiel bekamen, aber auch sehr angenehm, auswärts mal nicht eingequetscht wie die Sardinen zu stehen.
Zu Nutzen machen konnten wir uns das heute aber nur bedingt. Wenn man gerade noch den Auftritt unterm Dach des Karaiskakis-Stadions in den Ohren hat, dann tut man sich schwer, den Gesängen im weitläufigen, offenen Gästeblock viel abzugewinnen. Zu einem wirklich guten Auftritt fehlten einfach noch ein paar Quäntchen. Trotzdem: Die Lieder gingen leicht von den Lippen, es machte Spaß und wenn die Sonne draußen war, kam so ein kleines bisschen Trentino-Feeling auf.
Einen gewissen Teil trugen dazu sicher auch die Verhältnisse auf dem Platz bei, die schon im Vorfeld reichlich Stoff für die Medien lieferten. Der große FC Bayern und der kleine SVD – Material für eine tolle Geschichte – doch auch etwas rustikalere Duschen konnten den Meisterexpress nicht stoppen. Nach zwanzig Minuten ging Peps Rotationself durch Vidal in Führung und auch wenn die Darmstädter ein paar Chancen verbuchen konnten, stand der Bayernsieg zu keiner Zeit in Frage.
Die Lilien konnten ihren Fans also nicht wie vor dem Spiel gefordert, die Sterblichkeit unserer Mannschaft beweisen.
Nichtsdestotrotz feierte Block 1898 ihre Mannschaft euphorisch auch noch lange nach Schlusspfiff. Das scheint so ein bisschen ein Trend bei den Underdog-Vereinen zu werden. Paderborn hatte letzte Saison auch noch ewig nach Spielende Jubel und Trubel in ihrem Block. Wobei wir einen Traditionsverein wie die Lilien jetzt nicht mit Paderborn vergleichen wollen. Das Böllenfalltor war vor Jahren ein heißes Pflaster für Bayernfans, weshalb die etwas ältere Fangeneration nicht viele Sympathien für die Darmstädter hat. Ein lautes „Scheiß FC Bayern“ zeugte davon, dass wir auch für die jüngere Generation nicht gerade der Lieblingsverein sind. Bei der momentan grassierenden Bayern-Sympathie auch mal wieder schön. Heute lehnten sich die Heimfans aber lediglich mit dem „unser Weed ist besser als euer Pep“-Spruchband aus dem Fenster. Dabei hat die Ganjajugend schon an Orten gechillt, die der SVD niemals erreichen wird. In Athen zum Beispiel, wo die Bullen mal kurz zünftig den Schlagstock kreisen ließen. Die Ultrà de Lis zeigten per griechischem „Fick die Polizei“ ihre Meinung dazu. Ein Dankeschön hierfür.
Dass die Heimkurve nicht nur in fanpolitischen, sondern auch in gesamtgesellschaftlichen Fragen cool tickt, zeigten sie dann mit ihren klaren Positionen gegen die für diesen Spieltag angesetzte Publicity-Aktion der Bild-Zeitung, die jahrelang den ausländerfeindlichen Scharfmacher gab und jetzt die Situation der Refugees für sich zu instrumentalisieren versucht. Da können wir uns nur anschließen – #Bildnotwelcome!
Mit einem Entlastungszug ging es schließlich auf den Rückweg, wo in Nürnberg ein längerer Aufenthalt dazu einlud, sich nochmal die Beine zu vertreten, bevor es das letzte Teilstück nach Hause ins bierselige München geht. Am Bahnhof dann aber allerhand USK und BFE der Bundespolizei, die alle Abgänge verrammelten und mit Provokationen nicht geizten. Da hatte wohl noch jemand Bock… Damit waren sie an diesem Abend nicht alleine. Die Nordkurve Nürnberg war auch wieder auf den Beinen und wäre parat gestanden, wenn wir noch einen kleinen Spaziergang um den Bahnhof gemacht hätten.
Es kam nicht dazu und ohne weitere Aufenthalte ging‘s zurück, so dass jeder am nächsten Tag seine Wiesnverabredungen wahrnehmen konnte.