Es gab mit Sicherheit kein anderes Los im Viertelfinaltopf, das derart große Begeisterung hervorgerufen hätte. An den Tejo sollte es gehen, zwar nicht mit dem Nachtzug wie im Roman Pascal Merciers, aber dafür mit einem Vorsprung aus dem Hinspiel im Gepäck.
Speis und Trank, wunderschöne Altstadt, europäisches Streetart-Mekka, die Nähe zum Meer. Lissabon hat viel zu bieten und ist für Bayernfans eine altvertraute Stadt. Die älteren Semester waren hier schon 1996 im Uefa-Cup zu Gast und auch die nicht ganz so alten können sich an Spiele bei Belenenses und Sporting erinnern.
Ganz egal, ob man den Aufenthalt extra-lang oder extra-kurz gestaltete, irgendwann streifte man einmal den Rossio, der am Spieltag als Anlaufpunkt diente. Von hier ging es per Sonder-U-Bahn zum Estadio da Luz, wo mit den Einlasskontrollen mal wieder das typische Europapokalroulette bevorstand. Wie so oft merkt man erst wie verrottet die Zustände woanders sind, wenn man selbst hinfährt. Während bei uns mittlerweile eigentlich viele Fanmaterialien wie Megaphone, Trommeln, große Fahnen erlaubt sind, gilt bei den meisten Auswärtsspielen in Europa erstmal das Gegenteil und man muss auf den Goodwill der örtlichen Entscheidungsträger hoffen. Aber auch wenn die Bullen für südeuropäische Verhältnisse halbwegs entspannt waren (okay, wenn man angesichts von Typen mit Gummischrotgewehren in der Hand das Wort „entspannt“ überhaupt benutzen kann), gingen beim Thema Trommel und Megaphon sofort wieder die Scheuklappen runter. Anders als in Turin funktionierten diesmal aber die bekannten Mechanismen und so schafften es zumindest eine kleine Trommel und ein Megaphon in den eher ungünstig aufgeteilten Gästeblock.
Für die eher schlechten Rahmenbedingungen erledigten wir unsere Aufgabe aber trotzdem ganz ordentlich. Wieviel am Ende vom dritten Rang auf den Rasen hinunter drang ist natürlich fraglich. Zwar wurden einige Schlachtrufe schön brachial hinausgeschmettert und auch das Hinsetzen und Aufspringen bei „Ich geb‘ mein Herz für Dich“ brachte zwei allerfeinste Momente der Stadionkultur, aber neben der Entfernung zum Spielfeld dürfte auch der generelle Geräuschschleier im Stadion unsere Gesänge von den Gehörgängen der Spieler ferngehalten haben.
Entgegen den Medienberichten braucht man sich da keinen Illussionen hingeben, das Estadio da Luz ist keinesfalls das ganze Jahr über ein flammendes Inferno, in dem jede Gästemannschaft niedergeschrien und -gepfiffen wird und die roten Adler auf melodischen Schwingen zum Torerfolg getragen werden. Das war Viertelfinale gegen den großen FC Bayern und somit Ausnahmezustand. Genauso muss man aber auch zugeben, dass der Heimanhang eben heute wirklich eine geile Fußballatmosphäre schuf. Sehr schöne Gesänge und heftige Pfeifkonzerte wechselten sich ab und schienen zeitweise sogar eine abgebrühte Truppe wie die unsere zu verunsichern.
Für den Halbfinaleinzug reichte es trotzdem recht souverän. Zwar ließ sich die Hintermannschaft samt Torwart zweimal von einem langen Ball irritieren und sah dann relativ bescheiden aus, da Vidal und Müller die Fehler egalisierten, spielte das am Ende aber keine große Rolle.
Nun wartet kein leichtes Los auf unsere Roten. Atlético ist vielleicht sogar der unangenehmste der noch verbliebenen Gegner. Vor diesem Hintergrund war es ein feiner Zug des Schiri, weder Arturo Vidal noch Javier Martinez mit einer individuellen Strafe zu belegen, die sie für den Tanz in Madrid vom Parkett genommen hätten.
Ein Dankeschön geht noch an die Freakmenschen aus Bochum, Hamburg und Jena, die sich die Tage mit uns in der portugiesischen Hauptstadt vertrieben.