OSC Lille – FC Bayern 0:1

Nach der spannenden Reise nach Minsk erwartete uns beim zweiten Auswärtsspiel der diesjährigen Europapokalsaison eine weniger abenteuerliche Destination. Zwar war der FC Bayern auch gegen Lille noch nicht zum Kräftemessen angetreten, aber das Schengener Abkommen ermöglicht uns hier immerhin eine Anreise ohne Grenzkontrollen und dank gemeinsamer Währung muss man nicht mal eine Wechselstube aufsuchen. Keine Angst, hier folgt jetzt keine Lobeshymne auf die Europäische Union – die soll sich mit ihrem Friedensnobelpreis zufrieden geben. Wir wollten nur mal kurz in Erinnerung rufen, wie unkompliziert heute die meisten unserer Europapokalauswärtsspiele sind.

 

Nach der lässigen Hinfahrt erreichten wir das Grand Stade von Lille kurz vor der Mittagszeit, wo wir die Busse verlassen mussten, damit diese in der Tiefgarage unter dem Gästeblock parken konnten.

Die Innenstadt von Lille wusste durchaus zu gefallen. Schöne Gässchen, größere offene Flächen mit Sitzgelegenheiten und rund um den Platz Generale de Gaulle verschiedene imposante Bauwerke. Das Preisniveau war zwar nicht am typischen Budget-Europapokaltouristen orientiert, aber wir Deutschen sind in der Hinsicht auch eben einfach verwöhnt. Außerdem konnte man mit etwas suchen auch zu sehr vernünftigen Preisen speisen.

Am zentralen Platz lungerten neben vielen Bayernfans auch der ein oder andere sportliche Franzose herum, der die Szenerie interessiert beäugte. Es sollte bei neugierigen Blicken bleiben. Gegen 17:30 brach dann der Südkurvenhaufen, der heute ca. 400 Köpfe gezählt haben dürfte, gemeinsam vom zentralen Treffpunkt auf und erreichte ungefähr eine Stunde später ohne irgendwelche Zwischenfälle das Stadion.

Dort wurden wir nach kurzer Wartezeit in die Tiefgarage geleitet, wo die Busse schon den ganzen Tag über gestanden hatten. Hier wurde uns jetzt auch bewusst, welches Lehrstück in Sachen modernem Stadionbau die Architekten hier abgeliefert hatten. In Lille ist es möglich, die Gästefans in den Block zu bringen, ohne dass diese auch nur einen Schritt außerhalb des Stadions machen können. Der Eingang zum Gästesektor liegt mehr oder weniger direkt in der Tiefgarage. Dort musste man in einem Gang schön in Reihe stellen, schließlich gab es nur ein Drehkreuz. Aber da der Gästefan bei einem Europapokalspiel nur stört, darf der sich ja gerne mal die Beine in den Bauch stehen. In der Garage gab die Polizei ihre bis dato recht entspannte Haltung auf und fing an die Bayernfans, die bei einer Halben noch ein wenig ratschen wollten, ins Stadion zu treiben. Die Toilette durfte man nicht mehr aufsuchen, obwohl es klar war, dass man eh mindestens 15 Minuten anstehen würde und einen die Polizisten somit ja immer noch nicht los hätten. Sinnlos, aber Hauptsache gegenüber den Medien immer schön ein deeskalierendes Sicherheitskonzept vertreten.

Das Stadioninnere machte auch eher einen modernen Eindruck – sprich: die dominante Farbe war grau. Immerhin ermöglichte ein Plätzchen im Oberrang eine gute Sicht aufs Spielfeld. Die ersten Gesänge machten schon richtig Lust auf die 90 Minuten Fußball. Zum Einlaufen hatte so mancher eine kleine pyrotechnische Überraschung eingepackt. Leider war auch ein etwas übereifriger Feuerwerker zugegen, der seinen Rauch viel zu früh ansteckte. Damit setzte er eine Kettenreaktion in Gang und prompt brannte der Block, ohne dass auch nur ein Spieler einen Fuß auf den Rasen gesetzt hatte. Da sind wir wohl vor lauter Vorfreude aufs Spiel etwas zu früh gekommen. So kamen unsere elf Akteure auf dem Rasen nicht mehr in den Genuss, eine euphorisierte Kurve in rotem Schein erblicken zu können. Dafür blieb die Motivation der Kurve aber auf konstant hohem Niveau und wir legten in der ersten Halbzeit einen fetzigen Auftritt aufs Parkett. Auch die Bayernfans im Unterrang zogen mit. Gerade das neue Lied „Rot-Weiß FCB“ hatte diesmal eine gute Durchschlagskraft und krachte richtig rein. Schade, dass wir die Spieler hierdurch nicht etwas mehr beflügeln konnten.

Diesmal überflügelte die Leistung der Kurve, die der Akteure auf dem Rasen bei Weitem. Rein subjektiv hat man da sonntags auf Provinzsportplätzen wesentlich bessere Spiele gesehen. Stimmt natürlich nicht, aber schon eines der schlechteren Spiele unserer Elf in dieser Saison. Da kam der Elfmeterpfiff zur 20. Minute schon sehr gelegen. Thomas Müller haut die Pille rein – so muss das laufen. Viel mehr Chancen sollten wir in den folgenden 70 Minuten aber auch nicht mehr kreieren. Damit passten sich unsere Spieler beinahe perfekt der Heimmannschaft an, bei der sich schon sehr das Gefühl aufdrängte, Rudi Garcia hätte den Jungs nicht erzählt, was sie bei Rückstand tun sollten. Sie wirkten als wüssten sie mit Ballbesitz nicht so viel anzufangen. Sprechen wir also mal von einer guten Defensivleistung unserer Mannschaft, die uns den Sieg sicherte.

In Halbzeit zwei ließ die Stimmung gegenüber den ersten 45 Minuten etwas nach, blieb aber auf einem guten Niveau. Ein Dankeschön für die Unterstützung geht am heutigen Tag nach Bochum, Jena, Hamburg und Lüttich.

Nach dem Spiel betrat dann die Sondereinheit der französischen Polizei die Bühne. Die muskulösen Herren in Trainingsanzügen kann man wohl kurz und knapp als Kampfmaschinen bezeichnen. Sie tragen keine Schutzkleidung, damit sie sich besser bewegen können und da sie wohl vor allem darin ausgebildet sind Leute im Nahkampf auszuschalten, bringt ihnen das wohl einen größeren Vorteil als irgendwelche Körperpanzer. Die Gesetzgebung in Frankreich sieht für das Zünden von Pyrotechnik Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren und Geldstrafen bis 15.000 Euro vor. Natürlich ist das ein absolut utopisches und übertriebenes Strafmaß. Die französischen Gerichte schöpfen dies bisher auch nicht annähernd aus, obwohl vereinzelt schon Haftstrafen von kurzer Dauer verhängt wurden. Trotzdem muss uns natürlich im Vorfeld klar sein, dass die Polizei versuchen wird, bestehende Gesetze, so abstrus sie sein mögen, durchzusetzen. Wir können uns also im Nachhinein kaum über die Versuche der Polizei beklagen, Leute von uns rauszuziehen, auch wenn sich wie immer die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt. Wir sind denke ich alle ziemlich froh, dass wir die Gummigewehre, die einem Fan aus Montpellier letzte Saison auf einem Auge das Sehvermögen genommen haben, nicht in Aktion gesehen haben. Dass die Polizei auf dem engen Raum hinter dem Gästeblock überhaupt damit rumhantiert, mutet vor dem Hintergrund einer Debatte über die Gefahr von Pyrotechnik dann nur noch pervers an. Die Bullen schafften es jedenfalls, zwei Bayernfans in ihre Gewalt zu bringen. Beide mussten die Nacht in Lille verbringen, wurden am nächsten Tag aber von einem Richter freigesprochen. Alles andere wäre auch eine wahre Farce gewesen, da beide in jeglicher Hinsicht unschuldig waren und kein Pyro gezündet hatten.

Es raucht, es brennt, es fackelt – das ist nicht mehr normal – FC Bayern international

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