Mittwochabend, DFB-Pokal, attraktiver Gegner und sowohl für Südkurve als auch Mannschaft die Chance, die mangelhaften Leistungen aus dem Ligaspiel wieder auszubügeln. Den elf Roten auf dem Rasen gelang diese mühelos und sie verdeutlichten damit nochmal, in welch überragender Form sie gerade sind. Auf Robert Lewandowski trifft das sowieso zu und so war je nach Betrachter das Spiel nach drei Minuten gegessen oder nach einer halben Stunde abgefrühstückt. Den Rest des Kicks hat man als neutraler Zuschauer vor dem Fernseher wohl einfach verpennt und angesichts dessen, dass wir uns größtenteils auf Ergebniskosmetik beschränkten, damit auch alles richtig gemacht.
Auf den Tribünen waren die Verhältnisse leider nicht so klar beziehungsweise standen die Schalker ihrem Auftritt von vor vier Wochen in nichts nach, obwohl ihre Mannschaft diesmal nicht den Hauch einer Chance hatte. Gemeinsam mit der anderen Ruhrpottszene aus Dortmund sind deren Auswärtsauftritte momentan vermutlich das Beste, was man sich in der Bundesliga anschauen kann. Das fängt damit an, wie geschlossen der Block betreten wird und sich der Stimmungskern sofort vernünftig Platz verschafft und geht weiter mit einer breiten Palette an guten Liedern, die bei Sieg und Niederlage gesungen werden können. Dass daran dann auch noch ein Großteil der Auswärtsfahrer selbst bei einer klaren Niederlage Gefallen findet, kommt dann noch obendrauf. Auf blöd gesagt, alles besser als bei uns. Ihr glaubt gar nicht, wie ich mich selbst dafür hasse, das so fanboymäßig bei fast jedem Spiel gegen die Schalker zu schreiben. Ich wäre der Südkurve daher recht dankbar, wenn sie mir die Schmach das nächste Mal ersparen würde und selbst eine „Erfolgsstory“ liefern würde, über die man berichten kann. Kann man Euch mit sowas an der Ehre packen? Ich hoffe doch.
Dabei war es auf unserer Seite ja diesmal gar nicht schlecht. DFB-Pokal ist die Stimmung ja meistens etwas besser als bei normalen Ligaheimspielen am Wochenende. „Nanana He he he goodbye“ kam stark raus und bei ein paar anderen Sachen war heute richtig Zug dahinter. Über 90 Minuten gesehen paarten sich diese Highlights aber halt auch wieder mit Phasen der Eintönigkeit und Espritlosigkeit, die kein Mensch braucht. Das gilt insbesondere für den Ultrashaufen unten. Klar sollte die ganze Kurve möglichst immer laut mitsingen, aber wieso soll ich das von den anderen Fans erwarten, wenn auch die Leute, die sich das groß auf die Fahnen schreiben, auch immer wieder nur so ein bisschen vor sich hin murmeln. Das Schalke-Spiel ist dafür vielleicht noch nicht mal das beste Beispiel, denn wie gesagt, so ganz übel war das gar nicht. Aber im Laufe einer Saison fallen einem solche Sachen halt ins Auge.
In der Südkurve gab es außerdem heute noch ein paar Spruchbänder, wobei eines davon vielleicht etwas mehr Erläuterung benötigt, da die erste Zeile nicht auf Deutsch gehalten war und auch wenn MRP bereits letzte Saison ein Spruchband zum Verein Amedspor hatte, ist auch dieser vielleicht nicht jedem geläufig, außer er verfolgt aufmerksam die Karriere von Ex-Sankt Paulianer Deniz Naki. Amedspor-Fans wurden und werden von der gegenwärtigen türkischen Regierung und dem Fußballverband in besonderer Art und Weise gegängelt. So wurden Fans des Vereins bei einem Auswärtsspiel in Istanbul verhaftet, weil sie gegen Militäraktionen in Diyarbakir, der Heimatstadt des Vereins, protestierten, bei denen auch Kinder ums Leben kamen. Dabei skandierten sie auch den Slogan, der den ersten Teil des Spruchbands darstellt. Übersetzt bedeutet dieser „Die Kinder dürfen nicht sterben, lasst sie Fußball schauen“. Einen Satz, den auch Ex-St. Paulianer und Starspieler Deniz Naki von Amedspor aufgriff und dafür nun 12 Spiele gesperrt wurde. Naki wird wegen solcher und ähnlicher Äußerungen gerade auch wegen „Verbreitung von Terrorpropaganda“ angeklagt. Einem Freispruch in erster Instanz folgte die Revision durch die Staatsanwaltschaft. Aber auch die Kontroversen um den Verein gehen weiter. Die Erdogan-Regierung hat einen ihrer Getreuen als neuen Bürgermeister von Diyarbakir eingesetzt und der verlangt nun vom Verein eine Namensänderung, da Amedspor eben ein eindeutiger kurdischer Name ist. Ansonsten wird jede öffentliche Unterstützung für den Klub eingestellt. Dieser Angriff auf den Verein und seine Identität zeigt wieder einmal, wie politisch aufgeladen Sport ist und wie Machthaber versuchen, Einfluss zu ihren Gunsten zu nehmen und im speziellen Fall ist es ein kleiner Baustein der Repression gegen die kurdische Minderheit in der Türkei.
Beim Colegio gab es ein Spruchband für die Diffidati und RFM hatte eines für einen Bochumer Freund in petto, dessen Zeit in Haft glücklicherweise bald zu Ende sein wird. Wir hatten außerdem das bekannte „Südkurve bleibt“ (auch hier kann Erfolg vermeldet werden) eingepackt. Darüber hinaus gab es zu Spielbeginn leider auch wieder ein sehr trauriges Spruchband für einen verstorbenen Freund aus San Benedetto: Ruhe in Frieden, Giovanni und feuere deine magica Samba weiter von den Himmelstribünen aus an.
Immer Scheiße, nach solchen Zeilen noch einen Abschluss für den Spielbericht finden zu müssen, aber ein Dankeschön an Freunde aus Jena und Hamburg für ihre Präsenz am heutigen Abend ist trotzdem noch mehr als angebracht. Vielleicht kommt Ihr beim Halbfinale ja auch wieder vorbei. Vermutlich geht’s da gegen den BVB. Losglück sei Dank wird es ja wahrscheinlich wieder ein Heimspiel.