Nach mehreren Wochen sportlicher Belanglosigkeiten – alles andere wäre gelogen – versprach die Auswärtsfahrt nach Dortmund endlich mal wieder Spannung und einen coolen Fußballtag. Auf dem Weg wurden noch die Bochumer Freunde eingepackt und so liefen die Busse übervoll am Westfalenstadion ein. Dort herrschte leider noch etwas Kartennot, so dass sich noch etwas umgesehen werden musste. Letztendlich verlief die Suche wenig erfolgreich und viele Leute mussten vor den Toren verweilen. Immerhin ging der Grenzverkehr durchs Stadiontor bei einigen anderen Dingen besser voran und so gab es zum Einlaufen eine Choreo im Gästeblock zu bewundern. Da abgesehen von Trommel und Megaphon alle Fanmaterialien verboten waren, mussten die Folienschals und die Blockfahne komplett geschmuggelt werden. Ein Dankeschön an alle Helfer quer durch die Fanszene. Ein dickes „Fickt’s Eich!“ an alle, die glauben durch Materialverbote Fanverhalten regulieren zu können.
Das Motto der Choreo dürfte ja relativ selbsterklärend sein. Eine Anspielung auf die große Nacht von Wembley und die Choreo der Dortmunder bei Ihrem Heimspiel gegen Malaga, als sie per Fernglas nach dem verlorenen Henkelpokal suchten.
Nach der Choreo war’s aber auch vorbei mit jeglicher Herrlichkeit im Gästeblock. Der mit Abstand schlechteste Auftritt, den wir Bayernfans diese Saison auswärts abgeliefert haben. Da kam einem schon gewaltig das Kotzen. Gerade auch weil die Dortmunder auf der Gegenseite einen gesanglichen Sahneauftritt hinlegten. Teils schöne Leider, teils sang nicht nur die Südtribüne sondern weite Teile des Stadions, während bei uns akustisch gar nichts zusammen lief.
Auch auf dem Rasen hatten die Dortmunder den besseren Start. Lewandowski hatte aber netterweise nicht seinen besten Tag erwischt und ließ nicht nur die erste Einschussgelegenheit des Tages ungenutzt. Das Spiel blieb von da an spannend und wenn man ehrlich ist, war aus unserer Sicht ein Remis zur Halbzeitpause kein Grund zur Beschwerde.
Was das Geschehen auf den Tribünen betrifft gab es bei uns nach dem Führungstreffer kurz etwas Aufwind. Das machte den katastrophalen Auftritt aber auch nicht besser. Eher als der Tifo, bleiben dann wahrscheinlich die Spruchbänder im Gästeblock in Erinnerung. Die Thematik Rechtsextremisten und Dortmunder Süd dürfte den meisten geläufig sein und wohl auch, dass hier vor allem wieder die Ultrasgruppe Desperados angesprochen wird. Wir geben ungern die Alarmisten und glauben mit Sicherheit auch nicht jeden Artikel auf Nachrichtenportalen im Internet. Da es ja aber in London ein kurzes Aufeinandertreffen gab, wurde es uns auch so offenbar, wessen Geistes Kinder sich da zum Teil auf der Dortmunder Süd tummeln. Wer ständig den Führer grüßt, kann sich immerhin die unpolitische Mär sparen. Da ist der Nazischmarrn wohl einigen in Fleisch und Blut übergegangen. Einen Hauch Geschichtskenntnis bewiesen die Dortmunder lediglich darin, dass sie uns ständig als Juden bezeichneten. Trifft heute wohl zwar nur noch auf die allerwenigsten Leute beim FC Bayern und seiner Fanszene zu, aber immerhin hatte der FCB früher eine signifikante Anzahl jüdischer Mitglieder, darunter einige, die durchaus großen Anteil an der Erfolgsgeschichte unseres Vereins haben.
Vor dem Wembley-Stadion machten die Kämpfer für eine national befreite Zone zwar noch eine recht gute Figur, am Ende ging der BVB wohl aber doch in einem Meer von Münchner Freudentränen unter und der FC Bayern nahm den Pokal mit nach Hause. Also gabs ein Spruchband an die Desperados mit der Aufschrift: „Wen DES Euer Führer wüsste, untergegangen gegen die Bayern-Juden“. Auch das Inferno meldete sich hierzu per Tapete zu Wort: „Desperados – Nazishit flavored Ultras“.
Darüber hinaus zeigten wir gegen Ende des Spiels noch „Noi non siamo Neapolitani“. Auf gut deutsch: „Wir sind keine Neapolitaner“. Wo in Deutschland jeder wohl ohne Umschweife und mit leichter Verwunderung ob des offensichtlichen zustimmen würde, reicht dieser bekannte und weit verbreitete Gesang in Italien mittlerweile aus, um ganze Kurven für ein Spiel zu sperren. „Regionale Diskriminierung“ nennt man das Ganze dann im Neusprech. Im Kampf um einen angepassten, sauberen Fußball wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen und somit versucht, das letzte bisschen Folklore und Ultraskultur aus den Stadien zu vertreiben. In Italien verschließen viele Offizielle immer noch die Augen davor, dass die Zuschauerkrise eng mit den fanfeindlichen Maßnahmen der letzten Jahre und der grassierenden Korruption zusammenhängt. Bevor wir hier aber zu weit vom eigentlichen Thema abschweifen, sei auch noch das letzte Spruchband auf Bayernseite genannt. Von RFM kam „Boah ey, Boah ey Borussia am Cup vorbei! ….
Trotz des besseren Beginns und einiger Chancen gab es für die Dortmunder auch heute nichts zu holen. Ausgerechnet Mario Götze, der von einem imposanten und geschlossenen Pfeifkonzert empfangen wurde, fand die letzte Lücke in der neuen Dortmunder Abwehrreihe. Die endgültige Vorentscheidung besorgte dann der gestürzte und wiederauferstandene Europapokalkönig Arjen Robben, der eine starke Leistung mit einem ebenso feinen Treffer krönte. Das 3:0 durch Thomas Müller ging im Torjubel noch etwas unter. Die Mannschaft ging ausnahmsweise mal ein wenig aus sich raus und feierte noch recht ausgelassen vor dem Gästeblock.
Außerhalb des Stadions erfuhren wir dann von einem Angriff auf unsere Stadionverbotler. Der kam zwar nicht gänzlich unerwartet, die Richtung, von der er ausging verblüffte aber doch zur Gänze. So kamen den SV’lern auf ihrem Weg zum Stadion ca. 30 behelmte Polizisten wild rufend entgegen und schrien: „Zurück“. Auf die Nachfrage, weshalb man denn nicht weiter zum Stadion dürfe, hieß es für die Kameraden in Uniform: „Knüppel und Pfeffer frei!“ und es wurde ohne erkenntlichen Grund kräftig ausgeteilt. Als nächstes ließ man dann die Hunde frei, die sich in einzelne Fans verbissen. Darunter auch Leute, von denen hinterher niemand wusste, wer sie eigentlich waren. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Bullen bei ihrem Angriff nicht nur die Ultras erwischten, auf die sie es abgesehen hatten, sondern auch Personen zu Schaden kamen, die einfach zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Die Polizei NRW gibt sich die letzten Monate alle Mühe, ihren Kollegen im Freistaat den Ruf als härteste und kompromisslose Prügeltruppe abzulaufen, die auch gerne mal da eingreift, wo es eigentlich gar nichts zum Eingreifen gibt. Um das Thema mit einem ostdeutschen Klassiker zu beenden: “Einmal geht es andersrum,….“
Bilder vom Auswärtssieg in Dortmund findet Ihr hier.