Wem gehört der Fußball?
Seit Jahren kennt der deutsche Fußball auf den Fanatismus und die Wünsche vieler vor allem junger Fans nur eine Art von Antwort: Polizei, Repression, Strafen, Stadionverbote. Gut verkaufen lässt sich das, indem die Fans in den Kurven in den Medien als Chaoten und Unverbesserliche stilisiert werden.
Viel wurde in den letzten Monaten über die Fußballfans in Deutschland gesprochen und geschrieben. Die Angriffe auf die deutsche Fanszene wurden ebenfalls von vielen Medien befeuert und erst zu dem gemacht, was sie mittlerweile sind. Es wurde mit der “Gewalt in den Stadien” ein Aufhänger gefunden, der weite Teile der Bevölkerung, wenn auch gänzlich unbeteiligt, aktiviert, der einfach funktioniert. Skandalisieren von Kleinigkeiten, Schocken, Aufbauschen, sich ständig mit härteren Forderungen und krasseren Schlagzeilen überbieten. Dass das eine lange Zeit völlig unabhängig von Fakten und unter Verlust jeder Verhältnismäßigkeit passierte, ist beschämend für die “Vierte Gewalt”. Es hatte sich eine Spirale der Absurditäten in Gang gesetzt.
Dabei gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was aktuell wirklich passiert, und dem, was von weiten Teilen empfunden wird und was unter anderem von Polizeigewerkschaften und einigen politischen Kreisen brutal ausgenutzt wird, um ihren Krieg gegen die Fans in den Kurven, gegen das Subkulturelle und das Nonkonforme, gegen das Unkontrollierbare zu führen. Es wurde viel über “Gewalt” geschrieben. “Gewalt” sind aber nicht die Leidenschaft der Fans und die Feuerwerkskörper in den Kurven. “Gewalt“ in den Stadien ist die Zerstörung der klassischen Fankultur, das “Saubermachen” und die versuchte Zähmung der Tribünen, die Überwachungskameras in jeder Ecke, die Arroganz der Ordner, die Blicke der Bullen, die einengenden Zäune, die von Vermarktung getriebenen Anstoßzeiten, die in vielen Städten frechen Eintrittspreise und der ewige Schrei nach mehr Repression. Ein “Frieden” ohne Kompromisse und ohne Berücksichtigung der Interessen einer Seite kann nur von oben verordnet werden, wenn die klassischen Fanszenen, bei weitem nicht nur die Ultras, nach langem Kampf tot sein werden. Der Fußball wird dann die Seele verloren haben, die ihn so interessant gemacht hat. Vielleicht wird es irgendwann so weit sein – aber dieser Tag ist nicht heute.
Die Ultras und auch alle andern Fans haben die Verantwortung, Fehlentwicklungen wie beispielsweise Diskriminierungen und sinnloser Gewalt zu begegnen und gerade bei St. Pauli tun wir das mit hoher Intensität und großem Erfolg. Es wird jedoch darauf ankommen, Probleme in Relation zu stellen und vor allem die Frage zu beantworten, wie sauber der Fußball werden darf – und welchen Preis wir dafür am Ende alle bezahlen werden. Ist der “Moderne Fußball” auf dem Weg, den Krieg gegen seine eigene Seele zu gewinnen? Oder nur ein paar Schlachten? Ein paar große, ein paar sehr große sogar, aber… die letzte Schlacht? Wir sagen nein! Er hat noch lange nicht gewonnen und wenn er es jemals tut, dann wird er uns vorher völlig vernichtet haben müssen, denn solange es die leidenschaftlichen Fans in den Stadien gibt, die ihre Liebe zu ihrem Verein und ihrer Fankultur nicht dem gierigen und absoluten Vermarktungs- und Kontrollwahnsinn opfern wollen, solange geht unser Strich mitten durch seine Rechnung. Wir sind unerschütterlich in dem Glauben, dass wir es trotz möglicher Differenzen mit Euch allen zusammen schaffen werden! Und am Himmel ist mittlerweile wieder ein Licht zu sehen. Es schien, als habe er kein Ende, der Hass der Fußballbonzen und Politiker auf die organisierten Fans in den Kurven. Doch sie alle hatten eins nicht verstanden: Dieser Hass wird niemals dazu beitragen, Probleme zu lösen. Bei DFB und DFL sind neue Verantwortliche in die entsprechenden Positionen gekommen. Nach viel verbrannter Erde ist jüngst ein zaghafter Dialog mit bundesweiten Fanorganisationen und Forschern entstanden. Wir sind skeptisch, aber gespannt, wohin der Weg führt.
Quelle: basch #25 vom 03.02.13 von Ultrà Sankt Pauli
Außerdem noch ein paar interessante Artikel zur aktuellen Situation in der Südkurve:
Süddeutsche: Stille auf den Stufen