Artikel, Texte, Hintergründe

– Bauchschmerzen zu Saisonbeginn: Der Fankodex

Nicht nur für Michael Gabriel, der Leiter der Koordinationsstelle der Fanprojekte (KOS), beginnt die Saison mit Bauchschmerzen. Die Süddeutsche Zeitung bringt gut auf den Punkt, was derzeit im deutschen Fußball schief läuft (www.sueddeutsche.de/sport/sicherheit-in-bundesliga-stadien-warum-die-saison-mit-bauchschmerzen-beginnt-1.1448771). Wir Fans sind Teil der Lösung und nicht das Problem. Dafür braucht es aber einen ehrlichen Dialog auf Augenhöhe und nicht diesen unsäglichen Verhaltens-Kodex und scheinheilige Pseudo-Gespräche. Einige Kurven haben bisher schon via Spruchband die Sache auf den Punkt gebracht:

KORRUPTION, GIER, DOPING, WETTBETRUG – DAS MACHT DEN SPORT KAPUTT (Commando Cannstatt 97)

DIE FINGER, MIT DENEN IHR AUF UNS ZEIGT, SIND SCHMUTZIG (Commando Cannstatt 97)

www.cannstatter-kurve.de/index.php?galerie=1213/04 (VfB Stuttgart – Wolfsburg)

WIR SCHEISSEN AUF EUREN KODEX (Dresden)

FUSSBALL BRAUCHT STEHPLÄTZE (Dresden)

IHR WERDET ES NIE VERSTEHEN, DASS ES LEUTE GIBT DIE ANDERS SIND UND MIT STOLZ ZU IHRER SACHE STEHEN (Dresden)

http://ultras-dynamo.de/ud2010/gallery/category/245

ES KONNTE NICHT STÄRKER VON HERZEN KOMMEN. WIR VERTRAUEN FÜR IMMER DARAUF WER WIR SIND. DENN NICHTS ANDERES IST VON BEDEUTUNG. WIR KÜMMERTEN UNS NIE WAS DIE ANDEREN SAGTEN. INTERESSIERTEN UNS NIE DAFÜR, WAS SIE FÜR SPIELCHEN TRIEBEN. MACHTEN UNS NIE WAS DARAUS WAS DIE ANDEREN TATEN. SORGTEN UNS NIE DARUM WAS DIE ANDEREN DACHTEN. DENN WIR WISSEN: „ES IST UNSER LEBEN, WIR LEBEN ES AUF UNSERE WEISE!“ (Ultras Frankfurt)

http://ultras-frankfurt.de/ (Eintracht Frankfurt – Leverkusen)

– Verbot der Gruppe Karlsbande Aachen

Der Verein Alemannia Aachen hat in einer Erklärung einen Maßnahmen-Katalog veröffentlicht, mit dem sie u.a. der Gruppe Karlsbande Aachen vorerst das Auftreten im Stadion verbieten will (Vergleiche www.stadionwelt-fans.de/index.php?head=Karlsbande-am-Tivoli-verboten&folder=sites&site=news_detail&news_id=5394). Damit greift die Vereinsführung in einen faninternen Konflikt ein, der seit einiger Zeit schwelt und mit einem Angriff der Karlsbande auf Aachen Ultras beim Auswärtsspiel in Saarbrücken (Vergleiche www.stadionwelt-fans.de/index.php?head=Antirassistische-Ultras-erneut-angegriffen&folder=sites&site=news_detail&news_id=5360) eskaliert ist. Zumindest wurde der Konflikt mit diesem Vorfall medial breit wahrgenommen (auch wenn der ein oder andere Vorfall hier und da schon vorher thematisiert wurde). Wie steht man dazu, dass sich die Vereinsführung in einen internen Konflikt der Kurve einmischt? Wie steht man dazu, dass die Gruppe Aachen Ultras mit ihren Problemen die Öffentlichkeit sucht? Wie soll man als Außenstehender einen Konflikt beurteilen, der von den beiden Seiten so unterschiedlich dargestellt wird.

Ohne den richtigen Durchblick sind diese Fragen vielleicht nicht ganz so leicht zu beurteilen. Allerdings braucht es für diesen Durchblick nicht viel, denn die Nähe zwischen organisierten Rechten in der Nazi-Hochburg Aachen zur Fanszene der Alemannia ist kein neues Phänomen und bestimmt kein Geheimnis. Genauso wenig wie die Nähe der Karlsbande zu diesen Kreisen. Oder dass die antirassistische Positionierung der Aachen Ultras Ursache des Konflikts ist.

Warum soll man den Aachen Ultras an dieser Stelle den Vorwurf machen, sie würden interne Konflikte nach außen tragen und hier Unterstützung einfordern, wenn der Konflikt von Seiten der Karlsbande von Anfang an mit Unterstützung durch Nazis geführt wird. Bei Übergriffen im und um das Stadion sowie unter der Woche in der Stadt oder Überfällen bei Mitgliedern der Aachen Ultras zuhause. Warum fragt man sich nicht viel eher, warum Karlsbande-Mitglieder in diesem Konflikt nach Auseinandersetzungen Anzeigen bei der Polizei stellen. Dabei liegt die Antwort darauf auf der Hand. Weil es eine gängige Nazi-Taktik in politischen Konflikten ist und es sich hier eben nicht nur um einen Konflikt innerhalb einer Kurve handelt. Eröffnet die Erklärung der Karlsbande eine andere Sicht auf den Konflikt? Sie entlarvt diese vielmehr als das was sie ist: „unpolitisch“ rechts, feige, verlogen und heuchlerisch. Ist das Verbot der Karlsbande die Lösung des Problems? Sicherlich nicht, die Vereinsführung hat den Aachen Ultras damit eher einen Bärendienst erwiesen. Etwas zur Lösung des Problems beizutragen, war aber nie die Absicht dahinter. Schließlich fürchtet man sich bei der Alemannia nur um den guten Ruf der nichts anderes ist als bröckelnde Fassade. Die ganze Zeit über hatten sich die Offiziellen darauf zurückgezogen, es würde sich um einen „unpolitischen“ Konflikt innerhalb der Fanszene handeln. Als diese Position nicht mehr zu halten war, musste eine populistische Maßnahme her. Entlarvt wird dies allein dadurch, dass im Maßnahmen-Katalog ganz hinten auch die Aachen Ultras von Sanktionen betroffen sind.

Was hätte denn sonst passieren sollen? Wir können darauf keine Antwort geben. Wir können keine Konflikte lösen, die in Aachen stattfinden. Für die Aachener Kurve muss das die Aachener Fanszene machen. Wie sie in der Öffentlichkeit dastehen will, muss sie entscheiden. Verbote lösen unserer Meinung nach keine Probleme. Den Konflikt als fanszene-intern zu sehen auch nicht, denn er basiert auf einer rechten Dominanz in Aachen und Umgebung. Hier liegt das wirkliche Problem.

Wir können auch den Aachen Ultras nicht sagen, was der richtige Weg ist, denn wir sind nicht in ihrer Situation. Wir können ihnen unsere Solidarität und Respekt dafür aussprechen, sich der braunen Übermacht als Einzige in den Weg zu stellen. Wir können auf den Tisch bringen, was Karlsbande und Alemannia Aachen am liebsten unter den Teppich kehren wollen. Dass es in Aachen und Umgebung und auch in der Kurve der Alemannia ein Problem mit Nazis gibt.

NAZIS RAUS!