Der Spielbericht, der anders ist als alle anderen. Normalerweise schreiben wir unsere Spielberichte über das Geschehen auf den Rängen und rund um die Stadien. Was schreibt man aber über ein Spiel, auf dem die Tribünen tot bleiben, bei dem keine Kurve die Stimmen erhebt, bei dem man beinahe jedes Wort der Spieler auf dem Rasen hören kann? Als Sportjournalist kein Problem, als Fanzineschreiber schon. Aber auch die meisten Vertreter der Sportpresse werden ein solches Spiel nicht mehr erleben wollen, denn es hat klar gemacht, dass die Königsklasse ohne Zuschauer wie Kreisklasse wirkt.
Ironischerweise exakt 59+1 Bayernfans hatten sich im Vorfeld von den UEFA-Sanktionen nicht abschrecken lassen. Dank eines besonders Unerschrockenen gab es zum Zeitpunkt der Landung sogar schon weitgehende Gewissheit, dass man am Abend einen Blick auf das Spielfeld werfen können würde. Alle Sprachgrenzen überwindend hat er es allen Angereisten ermöglicht, vom mittlerweile durch die Medien bekannten Hochhaus das Spiel zu verfolgen. Wir ziehen den Hut vor Deinem Einsatz und sagen Dankeschön.
Nach einem gewöhnlichen Moskautag traf sich der Großteil der Bayernfans am Mannschaftshotel, von wo aus wir uns in den Konvoi um den Teambus einreihten, in der Hoffnung dadurch eventuell durch das Netz der Stadionwächter zu schlüpfen. Obwohl unser Busfahrer sich sein Trinkgeld redlich verdiente, indem er Harakiri durch den Moskowiter Feierabendverkehr fuhr, um dem Gefährt der Spieler auf den Fersen zu bleiben, zahlte sich sein Einsatz leider nicht aus. Der gute Valery durfte sein Gefährt also nicht in den Katakomben abstellen, sondern parkte neben dem Stadion und entließ uns ins trübe Grau des Stadionumfelds.
Nun stand man also vor dem Khimki, das heute für viele von uns verschlossen bleiben sollte. Es herrschte erstaunlich viel Betrieb für so ein Geisterspiel, bei dem ja nur ein Teil der sonst üblichen Infrastruktur benötigt wird. Wie nicht anders zu erwarten gab es natürlich doch einige Eintrittskarten für Sponsoren und Freunde der UEFA – alles andere wäre in Zeiten des modernen Fußballs eine Überraschung gewesen und wir hatten auch schon im Vorfeld von den 300 „Champions Club“-Tickets erfahren. Verblüfft waren wir dann allerdings doch etwas, zu sehen, dass ein Großteil der Karten wohl an Leute ging, die mit ZSKA-Fanutensilien bekleidet ins Stadion gingen und dort später ihre Mannschaft auch immer wieder regelmäßig mit Gesängen und Anfeuerungsrufen unterstützen. Bravo, kaum etwas zeigt die Unbrauchbarkeit und Verquertheit des UEFA-Sportgerichts besser auf. Interessant wäre es darüber hinaus noch zu wissen, ob es denn letztlich nicht sogar ein gutes Stück mehr als die 300 Karten waren, die dort unters Volk gebracht wurden? Der Eindruck drängte sich nachher zumindest auf. Noch mehr treibt uns Bayrnfans allerdings die Frage um, ob der FC Bayern mit ein wenig mehr Courage nicht doch einige Karten für uns Fans hätte abzwacken können? Auch hierfür häuften sich über den Tag leider die Indizien.
Herummäkeln hilft nun nicht mehr viel, es gab keine Karten und es gab eine annehmbare Alternative. Ansonsten braucht man nicht lange um den heißen Brei rumreden. Es gibt bei solchen Spielen immer welche, die Glück haben und welche, die nicht gerade zur rechten Zeit am rechten Ort stehen oder halt nicht die richtigen Bekannten hatten, die man am diesen Tag brauchte. Am Ende waren neben den Pressevertretern, Vereinsfunktionären und 300+x ZSKA-Anhängern auch 8 Schickeristen und zehn weitere Bayernfans im Stadion vertreten.
Das waren einerseits natürlich kleine persönliche Siege über die UEFA, die zusammen mit der Hochhausaktion eindrucksvoll demonstrierten, dass die Vereinsliebe jede Menge Wege findet, um das Sanktionsregime der Fußballverbände zu umgehen.
Gleichzeitig muss man sich natürlich offen eingestehen, dass wir der UEFA damit nicht großartig eines ausgewischt haben, denn im Endeffekt verhielten wir uns ja alle so, dass wir eben nicht auffielen. Nicht einmal beim Tor wurde zum Jubel aufgestanden. Niemand wollte von der Miliz, dem Ordnungsdienst oder übereifrigen Bayern-Mitarbeitern aus dem Stadion geworfen werden. Mit organisiertem Fansein hatte das also wenig zu tun. Es ließe sich ja sogar vortrefflich darüber streiten, ob es für eine Fanszene überhaupt das Ziel sein sollte, bei einem solchen Spiel möglichst viele Leute ins Stadion zu bringen oder ob man nicht besser sofort geschlossen zum Hochhaus gegangen wäre, um so einen Tag eben einfach gemeinsam über die Bühne zu bringen.
Egal, wie man das für sich selbst beantwortet, bleibt von diesem Tag der gute Umgang aller Ecken der Fanszene miteinander in Erinnerung. Eine positive Sache, an die wir weiter anknüpfen sollten.
Bevor es nach dem Spiel zurück in die Stadt gehen sollte, erlebten wir nach mehreren absolut stressfreien Russlandtouren auch unseren ersten Spannungsmoment dort. Hinter der Heimkurve hatten sich das ganze Spiel über 100 ZSKA-Fans versammelt gehabt, die von dort ihre Lieder sangen und auch Wechselgesänge mit den Anhängern im Stadion anstimmten. Für den Haufen aus dem Hochhaus führte der Rückweg direkt an der Heimkurve vorbei und die jungen ZSKA’ler machten durchaus einige motivierte Schritte in unsere Richtung. Wäre wohl allein ob der Zahlenverhältnisse eine haarige Situation geworden, wenn die Russen etwas weniger Respekt vor der Handvoll anwesender Milizionäre gehabt hätten. So blieb aber auch bei dieser Moskaureise am Ende alles ruhig.
Zum Abschluss geht noch eine Dankeschön an alle Leute, die versucht haben, uns dabei zu unterstützen das Zuschauerverbot zu umgehen. Ein besonders verschmitztes Lächeln schicken wir dabei nach Italien zu Mr. Altravita und Stefano Olivari. Mille Grazie!
Ein paar Bilder vom Spiel findet Ihr hier.