SKB Kiel 01.02.2025

Vorwort
FC Bayern München – Hoppenheim
FC Bayern München – VfL Wolfsburg
Feyenoord Rotterdam – FC Bayern München
SC Freiburg – FC Bayern München
Was hier und da passiert
Ultras Empoli
DFL BVerfG

Vorwort

Servus Bayernfans,

erstes Heimspiel in der Bundesliga und erstmals haben wir Holstein Kiel zu Gast. Mit Sicherheit kein besonders aufregender Gegner. Über die meines Erachtens mangelnde Attraktivität der Bundesliga habe ich ja beim letzten Vorwort schon paar Worte gefunden, daher will ich das an dieser Stelle nicht wiederholen.

Sportlich sind wir im nationalen Alltag gut unterwegs, vier Spiele, vier Siege – passt soweit alles. International sieht es dagegen etwas anders aus. Die unerwartete Niederlage in Rotterdam beschert uns aller Voraussicht nach zwei weitere Spiele im Februar (es sei denn, am Mittwoch ist noch ein kleines Wunder geschehen, aber das war dann nach Redaktionsschluss) und irgendwie fuckt mich das Spiel immer noch ab. Spätestens als die Reform durch war und wir wussten, es gibt mindestens zwei Spiele in der Gruppenphase mehr, war uns allen klar, dass zur Schonung des Spar- und Urlaubskonto die Zwischenrunde auf alle Fälle vermieden werden sollte. Ich denke, meine Frustrationen können viele nachvollziehen und dass am Montag der nächste Urlaubsantrag beim Arbeitgeber eingereicht werden muss und wir in circa 10 Tagen wieder auf Reisen sind, macht nicht wirklich froh. Dabei hätte der Februar ja ganz entspannt ohne englische Woche ablaufen können…

So, genug gejammert, wir können es ohnehin nicht ändern und daher nehmen wir es wie ist und machen das Beste daraus. Das Motto traf auch auf unsere ersten beiden Heimspiele dieses Jahr zu. Hoffenheim bzw. Wolfsburg, bei wirklich ungemütlichen Temperaturen – Freude kommt da nicht auf. Dennoch war der Spaßfaktor recht hoch. Klar, Dezibel-Rekorde haben wir bei den Spielen nicht aufgestellt, die Mitmachquote war an anderen Tagen auch schon mal höher, dennoch waren beide Spiele ganz cool und locker.

In Rotterdam war es weniger locker, also auch von Seiten des Vereins oder der örtlichen Behörden. Denn Megafon und Trommel waren verboten, was für den Auftritt der Südkurve und die Stimmung nicht förderlich war. Gleiches lässt sich über den Spielverlauf sagen und daher war es wenig verwunderlich, dass nach dem Spiel auch im Block ein bisschen Frust da war. Siehe oben, die Zwischenrunde, die will niemand…

In Freiburg sorgte ein Temperaturanstieg von 15 Grad im Vergleich zur Vorwoche für gute Laune und einen starken Auftritt der Kurve. Das hat gerade in Halbzeit 1 richtig, richtig viel Spaß gemacht. Das können wir einfach mal so stehen lassen, ohne noch ein Haar in der Suppe zu suchen. Daran lässt sich die kommenden Spiele anknüpfen!

Heute also gegen Kiel. Wie geschrieben, kein attraktiver Gegner, aber für uns als Kurve gilt es auch heute von Beginn an voranzugehen. Die rot-weißen Farben werden nicht nur in den großen Spielen würdig vertreten, sondern auch in einem 0815-Bundesliga-Kick. Also nochmal tief Luft holen und dann Gas geben!

Immer vorwärts FC Bayern!

FC Bayern München – Hoppenheim 5:0

Obwohl ich mir mit der buckligen Verwandtschaft noch ordnungsgemäß Bier, Wein und Schnaps reingestellt hatte, um den Geburtstag seines eingeborenen Sohns zu feiern, meinte der Fußballgott es Anfang diesen Jahres gar nicht gut mit uns. Hoppenheim unter der Woche, Temperaturen um den Gefrierpunkt und Schneeniesel – che cazzo, würde der Italiener sagen.

Das Gleiche dachten sich auch 17.000 Karteninhaberinnen und -inhaber und blieben direkt zu Hause. Und wer doch die zweifellos lobenswerte Position vertrat, dass der FC Bayern jedes Spiel zu einem Highlight macht, der kam eher kurz vor knapp. Eine halbe Stunde vor dem Spiel war noch gähnende Leere in der Arena. Im Oly wäre das so ein Kick gewesen, bei dem sich nur zwischen 10 und 15 000 Leute verlaufen hätten.

Die Südkurve startete mit einem “Kissing him goodbye” in das Spiel. Bisschen Hüpfen ist nie verkehrt bei dem Wetter und auch die Mannschaft sorgte direkt für ausgelassene Freudensprünge. Innerhalb kurzer Zeit war klar, dass der Sieger hier heute FC Bayern heißen würde. Hoffenheim betrieb über 90 Minuten maximal Schadensbegrenzung, wobei man davon eigentlich auch nur sprechen kann, weil man die Chancen es endlich einmal zweistellig zu machen nicht nutzen konnte. Hoffentlich fällt uns das diese Saison nicht nochmal auf die Füße. Die Herbstmeisterschaft im Januar fuhren wir zwar ziemlich relaxt ein, die Deutsche Meisterschaft wird es aber sehr sicher nicht schon im März geben. Leverkusen scheint schon wirklich nochmal Bock auf den Titel zu haben und hat seine Schwächephase lange hinter sich gelassen. Viel Spielraum für Ausrutscher gibt es nicht, und wenn die Chancenverwertung mal besser wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass mal wieder ein Spiel unerwartet verloren geht, deutlich geringer. Wahnsinn, merke ich, wie ich das schreibe: Wer mehr Tore schießt als der andere, gewinnt. Wahnsinn, merk ich, wie ich das schreibe: Wer mehr Tore schießt als der andere, gewinnt.  Ich habe das Grundprinzip des Fußballs anscheinend wirklich verstanden. 

Aber bevor mir jetzt jemand das Phrasenschwein hinhält und 5 Euro von mir will, schauen wir lieber noch einmal auf die Ränge. Da ging alles seinen unspektakulären Gang. Die Kurve mal mehr, mal weniger stark am Singen. In der zweiten Halbzeit gabs mit “Die Kurve, die treibt dich voran, mach deinen Gegner platt” dann sogar mal einen Überraschungsmoment, denn da kam die Kurve nochmal ein wenig in Wallung. Schön, wenn das Lied langsam ein wenig verfängt. Während dann die reale Zuschauerzahl sich so langsam den 40.000 annäherte, weil die Leute wohl unbedingt als allererstes aus dem Parkhaus raus sein wollten, drehte die Kurve bei Zombie Nation nochmal für ein paar Minuten frei. War ein ganz nettes Finale für ein eigentlich gutes Spiel unserer Mannschaft, das aber wohl trotzdem nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.

Unsere letzte Herausforderung bestand schließlich darin, die Schlitterbahn Esplanade ohne Knochenbrüche zu überstehen. Jeder Eisplatte wurde erfolgreich getrotzt, der Wasmeier Markus wäre stolz gewesen. Nur gejubelt hat beim Zieleinlauf in der heimischen Wohnung mal wieder keine Sau.  

Bilder vom Spiel

FC Bayern München – VfL Wolfsburg 3:2

Zweites Heimspiel innerhalb von vier Tagen und somit der Start in die Rückrunde. Klingt doch eigentlich nach ordentlichen Voraussetzungen für einen Spieltag in Fröttmaning. Wäre der Gegner heute ein anderer als die Autostadt, wäre wohl etwas mehr Vorfreude auf den Bundesliga-Nachmittag aufgekommen. Aber gut, mal wieder an einem Samstag um 15:30 Uhr zuhause zu spielen, ist ja auch ein willkommener Umstand. 

Die Südkurve startete heute mit passabler Lautstärke zur “Konstante” und auch die Mannschaft zeigte durch einen Lattentreffer von Sané nach zwei Minuten früh, dass sie hier nichts anbrennen lassen wollte. Während es bei unserer Hüpfeinlage zu Beginn noch etwas Luft nach oben gab, war beim „An jedem Ort“ und zu Rivers of Babylon schon spürbar mehr Aktivität in der Kurve. Letzteres wurde durch den Führungstreffer von Goretzka noch einmal angetrieben. Der Wolfsburger Ausgleich, durch die erste Offensivaktion überhaupt, beeinflusste die Gemütslage recht wenig. Zu sicher wirkt die Mannschaft aktuell. Letzte Saison hätte man sich da wohl mehr Gedanken machen müssen. So traf Olisé noch vor der Pause mit Unterstützung des Wolfsburger Torwarts zum 2:1. An der Textsicherheit und Lautstärke bei der Melodie von Alpenflug müssen wir noch arbeiten, auch wenn das im Vergleich zu Mittwoch besser war. Ein Kimmich-Treffer in der Nachspielzeit wurde nach VAR-Einsatz zurückgenommen, was wir durch einen „Scheiß DFB“-Wechselgesang mit dem Gästeblock quittierten. Zur zweiten Halbzeit zeigten wir ein Spruchband, das die neue Rechtsprechung im Umgang mit der Finanzierung von Polizeieinsätzen bei Risikospielen kritisierte: „Risikospiel: Kategorie ohne Statistik und Definition? Eure Willkür hat Tradition! Bullen bestellen, Vereine bezahlen?!“ Die Südkurve präsentierte sich im zweiten Durchgang recht wechselhaft. Positiv bleibt mir das „Wenn ich nachts nicht schlafen kann“ in Erinnerung, da waren der Spaßfaktor und die Lautstärke ordentlich. Der wieder eingeführte Klassiker auf die Melodie von Elona Gay braucht noch seine Zeit, das Potential dieses Lieds ist aber erkennbar. Auf dem Rasen ließ die Mannschaft einige Chancen liegen – ein kleines Manko der letzten Woche. Wie auch in Gladbach sollte sich das aber nicht rächen, denn ein Kopfballtreffer von Goretzka brachte die Vorentscheidung. Zwar erzielten die Niedersachsen kurz vor Ende noch das 2:3, jedoch brachte die Mannschaft die Führung völlig verdient über die Zeit. An der Stelle sei Leon Goretzka auch mal hervorgehoben: Ein Spieler, der im Sommer von den Bossen quasi zum Wechsel gezwungen werden sollte, sich aber hochprofessionell verhält und seine Chancen nutzt, verdient seine Anerkennung! Der Gästeblock hingegen konnte heute nicht überzeugen. Ein äußerst spärliches Zaunfahnenbild passte zur Akustik, in der Südkurve kam nämlich fast gar nichts davon an. Lobend erwähnen wollen wir aber, dass der Gästeblock während eines Sanitäter-Einsatzes in der Südkurve kurz vor der Halbzeit ebenfalls den Support unterbrach.

Somit blicken wir auf einen recht unspektakulären Spieltag zurück, bei dem bestimmt keine Bäume ausgerissen wurden. Da nun aber zwei Auswärtsspiele in Rotterdam und beim SC Freiburg anstehen, ist das wohl auch einmal zu verkraften.

Feyenoord Rotterdam – FC Bayern München 3:0

Nach über 23 Jahren verschlug es unseren FC Bayern mal wieder ins De Kuip. Hatte der FC Bayern 2001 noch große Sorgen vor Ausschreitungen und konnte erst durch Fanproteste dazu bewegt werden, überhaupt Tickets zu verkaufen, stand es diesmal außer Frage, dass wir den Gästesektor voll machen würden. Auch wenn die Jungs und Mädels vom Rotterdamer Hafen Gästefans sicher auch weiterhin mal ein paar ungemütliche Stunden bescheren könnten, war für uns im Vorfeld eher das Auftreten der niederländischen Polizei ein Unsicherheitsfaktor. Die Bilder rund um das Spiel von Union Berlin bei Feyenoord waren vor ein paar Jahren über alle Kanäle gelaufen und das sah nach allem, nur nicht nach einer deeskalierenden Strategie aus. An diesem Tag managten die Cops den Spieltag allerdings souverän und verzichteten darauf sich in irgendeiner Form unnötig aufzuspielen. 

Wie die wenigsten nordwesteuropäischen Städte präsentierte sich Rotterdam per se zu dieser Jahreszeit nicht besonders einladend, sodass nach der obligatorischen Frikandel Speciaal die Kneipen Obdach bieten mussten und bei annähernd Wiesnpreisen auf ihr Umsatzziel gekommen sein dürften.

Generell ist die Vorfreude auf solche Spiele in einem legendären Stadion des europäischen Fußballs natürlich immens. Die wenigsten von uns waren ja schon mit Bayern hier. Wahrscheinlich war das Wetter hierfür dann wiederum gar nicht so verkehrt. Auf dem Weg zum Stadion kam so nochmal eine andere Atmosphäre auf, als es bei strahlendem Sonnenschein gewesen wäre – Vorfreude!

Gespannt waren wir allerdings schon auf die Einlasssituation. Die Niederlande sind für ihre hohen Sicherheitsvorkehrungen an Gästeblöcken bekannt und wir rechneten schon mit längeren Wartezeiten. Am Ende war’s dann aber nochmal um einiges anstrengender als erwartet und ähnlich wie schon in Rom dürfte es für eine signifikante Anzahl von Bayernfans mit dem Anpfiff knapp geworden sein, obwohl ein Großteil bereits knappe 2 Stunden vor Spielbeginn am Gästeblock war. Immerhin berichteten Einzelne, dass zum Anstoß hin bei ihnen dann wenigstens auf Körperkontrollen verzichtet wurde, um das Prozedere zu beschleunigen. Es ist natürlich sehr nervig, da ewig in der Warteschlange zu stehen, aber wir sind nicht zum Urlaub machen dort, sondern fahren da einzig und allein hin, um den FC Bayern zu unterstützen und zu repräsentieren. Wenn das mal bedeutet, sich einer gewissen Schikane auszusetzen, dann ist das vielleicht einfach das Los, das wir als Auswärtsfans in europäischen Wettbewerben selbst gewählt haben. Wir sind eben nur in den wenigsten europäischen Stadien willkommen und die meisten Vereine würden wohl am liebsten komplett auf Auswärtsfans verzichten.

Das bedeutet gleichzeitig natürlich, dass wir uns vorher und nachher trotzdem dafür einsetzen sollten, die Bedingungen für uns zu verbessern. Eine kleine Möglichkeit dazu ist es beispielsweise den Away Fan Survey auf der Website der Interessenvertretung Football Supporters Europe auszufüllen. 

Der Gästeblock im Oberrang war für die Sicht aufs Spielfeld sicherlich nicht verkehrt, lang gezogen und segmentiert bereitete er uns aber gewisse Schwierigkeiten, die Stimmung zu koordinieren. Wie schon in Barcelona wären hier zumindest eine Trommel und ein Megaphon hilfreich gewesen. Die standen aber wie mittlerweile fast überall auf der langen Verbotsliste.

Ein großes Einsingen war vor dem Spiel so nicht möglich. Rotterdam war Anfang der 90er die Geburtsstätte des Gabber, einem schnellen und intensiven Techno mit harten, sich wiederholenden Bässen. Fußball- und Musiksubkultur vermischten sich schnell. Bomberjacken und rasierte Schädel sah man auf den Stehtraversen genauso wie bei riesigen Raves in leerstehenden Lagerhallen. Und bis heute ist die Stadionmusik von eben jenen Einflüssen der elektronischen Musik geprägt. Muss man nicht geil finden, aber es war zumindest bemerkenswert, was da während dem Warmmachen aus den Boxen drang. Ich würde auch fast behaupten, noch nirgends anders so einen nahtlosen Übergang vom Unterhaltungsprogramm zur Champions League Hymne gehört zu haben, die auch deutlich später als in anderen Stadien einsetzte und dann direkt ausgebuht wurde. 

Unter dem Motto “Nobody said it was easy” fackelte die Heimseite derweil zum Intro ordentlich Bengalen ab und schoss auch außerhalb ein schönes Feuerwerk ab. 

Dann ging es rein ins Spiel. Die Atmosphäre war eher englisch, hatte aber von Heimseite schon eine gute Giftigkeit. Man merkte, auch die Fans wollten hier heute was holen. Ich vermute, gegen Almere oder Waalwijk werden die Leute nicht ganz so mitgehen, aber das ist wohl überall auf der Welt so. Aber definitiv geil hier zu sein und den FC Bayern gegen das in den ikonischen rot-weiß geteilten Trikots auflaufende Feyenoord zu sehen. Vielleicht ist ja auch dem ein oder der anderen Verantwortlichen aufgefallen, welche Vorzüge so ein unverkennbares Trikotdesign bietet. Falls nicht, ist das hier der unverhohlene Wink mit dem Zaunpfahl.

Das Spiel startete verhalten, aber mit klarer Überlegenheit für uns. Deshalb schockte das Gegentor nach effektiven 15 Minuten Spielzeit erstmal, da unsere Elf danach aber auch direkt Zug zum Tor entwickelte, wurde die Stirn nicht in allzu große Sorgenfalten geworfen.

Auch der Gästesektor versuchte, sich direkt zu berappeln. “Auf geht’s Bayern kämpfen und siegen“, schallte es von oben herab. Generell konnten wir uns vermutlich regelmäßig auf dem Feld bemerkbar machen, auch nachdem Feyenoord durch einen ziemlich unnötigen Elfmeter in der Nachspielzeit der ersten Hälfte die Führung ausbaute, steckte der Gästeblock nicht auf. Lieder wie “Wie eine Droge” und “Oh FCB” gingen trotz erschwerten Bedingungen gut rein und man hatte durchaus das Gefühl, die Botschaft “Auf geht’s Ihr Roten, kämpfen und siegen” würde bei der Mannschaft auf dem Rasen ankommen.

Das war heute nicht Uwe Seeler Traditionsmannschaft, sondern die Partie erinnerte eher an das Pokalspiel gegen Saarbrücken letzte Saison, wo trotz eindeutiger Überlegenheit eben nicht die notwendigen Tore gelangen. Chancen waren heute mehr als genug da, alleine in den 15 Minuten nach der Halbzeit müssen wir das Spiel eigentlich auch ergebnistechnisch komplett drehen. Es wurde schon zu Genüge angesprochen, wie katastrophal unsere Chancenauswertung ist und heute rächte sich das Ganze. Klar, Justin Bijlow hatte einen ausgezeichneten Tag erwischt und auch für einen Profifußballer ist nicht immer jeder Ball einfach zu nehmen, aber dass wir in der 70. Minute immer noch zwei Tore zurück lagen, durfte eigentlich nicht sein. Dass wir hier heute nochmal 90 Minuten spielen hätten können, ohne zu treffen, war ab Leroy Sanes Kopfball gegen den Pfosten besiegelt. Es war ein Moment, in dem man richtig spürte, wie der Mannschaft, aber auch uns Fans der Kampfgeist entfleuchte. Wir haben zwar noch versucht, die Fahne hochzuhalten, aber das ist auch schwer, wenn die Heimfans immer mehr in Feierlaune geraten.

Die Mannschaft erinnerte in den Minuten nach dem Spiel ein wenig an die Niederlage in Barcelona. Man hatte das Gefühl, sie würden sich von der Kurve ein “Kopf hoch” wünschen. In Barcelona haben sie das uneingeschränkt bekommen, aber auch wenn man heute, abgesehen von individuellen Fehlern, die beim Fußball halt mal passieren können, keine großen Vorwürfe bezüglich Einstellung und Engagement äußern konnte, blieb die Reaktion der Kurve etwas zögerlicher. Mit unseren Voraussetzungen dürfen wir eigentlich nicht 3:0 in Rotterdam verlieren und in die Zwischenrunde müssen. Wohl vor allem deshalb fiel der Applaus diesmal etwas verhaltener aus, auch wenn sich die Mannschaft unserer Unterstützung natürlich sicher sein kann.

Es gibt bessere Voraussetzungen für 12 Stunden Rückfahrt als eine solche Schlappe, aber zumindest hatten wir ausführlich Zeit für ein genauestes Tabellenstudium, um die möglichen Gegner für die extra-Auswärtsfahrt zu eruieren.

SC Freiburg – FC Bayern München 1:2

Frühling in Freiburg. Hatte sich die Südkurve noch wenige Tage vorher beim Heimspiel mit arktischen Temperaturen und Glätte herumschlagen müssen, nur um dann vom Rotterdamer Nieselregen durchnässt zu werden, ließ Petrus in Freiburg endlich die Sonne scheinen. An sich natürlich mehr als angenehm, realistisch betrachtet ökologisch aber natürlich eher weniger optimal. Gefreut hat es neben zahlreichen Fußballfans aber auch zahlreiche Flugenthusiasten des nahegelegenen Airports. Besticht das Umfeld des neuen Freiburger Stadions in bester Mainz/Augsburg/Hoffenheim/Wolfsburg-Manier mit absoluter Trostlosigkeit, dürften zumindest die Planespotter dieses Mal voll auf ihre Kosten gekommen sein. So richtig viel war sonst nicht geboten, deshalb galt es mal wieder das Beste aus der Situation zu machen, wofür der neue Gästeblock immerhin ein paar Möglichkeiten bietet. Offensichtlich bieten sich in und um Freiburg auch für die Polizei an einem Samstagnachmittag recht wenige Betätigungsfelder, sodass rund um den Eingang mal wieder besonders unnötig stark Präsenz gezeigt wurde. Über Sinn und Unsinn bei so einem Kick lässt sich dabei wahrlich streiten, genervt hat es aber allemal.

Bereits zum wiederholten Mal gingen mehrere Gruppen der Südkurve in den Oberrang und verbreiterten so den Stimmungskern. Tasteten wir uns vor wenigen Jahren immer noch recht vorsichtig an solche Vorhaben heran, gelingt es uns – mit dem dennoch nötigen Fingerspitzengefühl – mittlerweile deutlich besser, auch so die Sitzplätze mit einzubinden. Obs jetzt am eher kampf- und krampfbetonten Spiel oder an den ungewohnten, eher entspannungsfördernden, Temperaturen lag – die allerletzten Prozent an Lautstärke konnten wir in der Spitze nicht ganz erreichen. Die Konstanz der Kurve war dieses Mal dafür da und fast über die ganze Spielzeit hinweg konnten die Lieder recht lang und in einer akzeptablen Lautstärke aufs Feld gebracht werden. Kein Auftritt, der auf Jahre hinweg im Gedächtnis bleiben wird, aber sicher auch kein schlechter. Analog zum Spielgeschehen einfach ein solider Arbeitssieg. Dass dabei manche Lieder wirklich lange, ausgiebig und vor allem auch mit Spaß gesungen wurden, kann ruhig öfter so sein.

Bereits vor Spielbeginn ging das erste Mal der Blick in Richtung Kurve der Freiburger. Passend zum internationalen Holocaustgedenktag und dem 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar 1945 zerschmetterte dort eine große Faust ein Hakenkreuz, garniert mit der passenden Forderung „Kein Vergeben, Kein Vergessen“. Manchmal tut es eben eine simple, aber dafür wirkmächtige Choreo auch, Anerkennung dafür auch von dieser Seite. Die neue Heimkurve bietet sicher deutlich bessere Möglichkeiten für Choreos dieser Art, aber die katastrophale Bauweise mit überdimensionalen Mundlöchern ist wohl eine Herausforderung, mit der sich die Freiburger noch über längere Zeit hin abmühen werden. Optisch scheinen sie diese aber zumindest peu à peu besser anzugehen und wirkten deutlich breiter aufgestellt. Ein lauer Frühlingskick der Kategorie unaufgeregt ging so in die Annalen unserer bald 125-jährigen Vereinsgeschichte ein. Eine kurze Verschnaufpause, bevor es nun wieder richtig in die Vollen geht. 

Was hier und da passiert

Ostdeutschland

Am gestrigen Freitag veröffentlichte ein breites Bündnis aus ostdeutschen Vereinen und Fankurven eine Stellungnahme, in der sie die Strafen der Verbände für den nicht missbräuchlichen („im Sinne vom gezielten Einsatz gegen Personen oder Wurf auf das Spielfeld“) Einsatz von Pyrotechnik kritisieren. „Als Einheit aus/der Fankurven und Vereinsverantwortlichen sind wir entschlossen, für die Rechte und faire Behandlung von Fankultur und Souveränität der Vereine einzustehen und auf Basis unserer Mitgliederbeschlüsse einen neuen Weg konsequent zu verfolgen.“, so die Unterzeichner, darunter auch Hansa Rostock, Dynamo Dresden, der Hertha BSC e. V. und unsere Freund*innen aus Jena. Hoffen wir, dass die Initiative einen Stein ins Rollen bringt – es wäre an der Zeit. Die ganze Stellungnahme findet ihr hier: https://www.horda-azzuro.de/cms/?p=44864

Magdeburg

Am Abend des 20. Dezember ereignete sich bekanntermaßen ein schrecklicher Anschlag auf einen Christkindlmarkt in Magdeburg, bei dem sechs Menschen ihr Leben verloren und knapp 300 weitere verletzt wurden. Logischerweise traf das auch die Magdeburger Fanszene, die daraufhin in den folgenden Tagen Spruchbänder in der Stadt aufhing, um den Helfer*innen zu danken und die eigene Trauer auszudrücken. Laut der Fanhilfe Magdeburg wurden die Spruchbänder bei den Adressaten sehr positiv aufgenommen, sogar Polizeibeamt*innen hätten diese beklatscht. Eben jene bekleckerten sich allerdings kurz darauf nicht gerade mit Ruhm, als sie andernorts mit 15 Einsatzwägen mit Unterstützung aus Bamberg und Brandenburg anrollten, um das Spruchband zu entfernen, die Personalien der anwesenden Fans aufzunehmen und einen Platzverweis auszusprechen. Die Fanhilfe bezeichnet dieses Verhalten der Beamt*innen als „unangemessen“ und „respektlos“. Zudem habe der Einsatz einmal mehr gezeigt, „dass die hiesige Polizei offensichtlich immer wieder große Schwierigkeiten mit einer realistischen Einschätzung von Situationen“ habe. Die Stellungnahme ist erst Anfang dieses Jahres erschienen, um die Trauer der Betroffenen nicht zu stören, dennoch habe es die Fanhilfe als wichtig empfunden, auf diesen Vorfall aufmerksam zu machen. Die ganze Stellungnahme findet ihr hier: https://fanhilfe-magdeburg.de/startseite

Saudi-Arabien

In Spanien hat die Kommerzialisierung des Fußballs mittlerweile noch absurdere Züge als hierzulande angenommen, so dass seit einiger Zeit der spanische Supercup in Saudi-Arabien ausgetragen wird. Barcelona fertigte Real Madrid im Finale mit 5:2 ab, der eigentliche Aufreger des Turniers ereignete sich aber schon im Halbfinale beim Spiel von Real gegen RCD Mallorca. Grund für jenen war aber nicht der erwartet souveräne Sieg der Königlichen, sondern Ereignisse neben dem Spielfeld. So seien Fans des mallorquinischen Erstligisten Opfer von systematischem Einkesseln, Einschlagen, Betatschen und Beklauen geworden. Diese Darstellung wurde auch von mehreren Spielerfrauen bestätigt, die ebenfalls Opfer sexueller Belästigungen geworden seien. Eine von ihnen sprach dabei sogar von „absoluter Panik“.

Auch der Bürgermeister Mallorcas äußerte sich zu den Geschehnissen. Der Präsident des spanischen Fußballverbandes hingegen klang nicht allzu schockiert: „Diese Ausgabe der Supercopa war sehr erfolgreich. Ich hoffe, dass wir dorthin zurückkehren – und es solche Szenen nicht mehr geben wird“. Solange der Rubel rollt…

Ultras Empoli

Die Zeit zwischen den Jahren wurde ähnlich wie im letzten Jahr genutzt, nur dass es diesmal zum Heimspiel gegen Genoa und nicht nach Sardinien ging. Das ganze Wochenende verlief wie im Rausch und es ist nicht möglich, einzelne Momente herauszugreifen. Sportlich gab es für die anwesende Hopperschar eine 1-2 Niederlage der Empolesi zu sehen. Nach dem Spiel ging es in das besetzte Haus, wo die beeindruckende Lebensgeschichte des im Konzentrationslager verstorbenen Fußballers Carlo Castellanis, nach dem das Stadion in Empoli benannt ist, von dessen Sohn Franco erzählt wurde. Danach wurde noch das von Pasta belastete Tanzbein geschwungen, bevor der Jahreswechsel anstand.

Eine Woche später war erneut ein großer Besuch unsererseits zum Auswärtsspiel der Empolesi in Venedig geplant. Sah man sich schon auf der Fähre zum Gästeblock anreisen, fiel der Besuch jedoch sprichwörtlich ins Wasser. Sehr kurzfristig wurde vom Osservatorio verfügt, dass der Kauf der personalisierten Tickets nur mit der Fidelity Card möglich ist. Um es kurz zu machen, die Fidelity Card ist ein ähnliches Konstrukt wie die Tessera del Tifoso, jedenfalls war der Besuch des Spiels, das 1:1 endete, nicht möglich.

Das darauffolgende Heimspiel verlor Empoli gegen Lecce mit 1:3. Vor dem Auswärtsspiel gegen Inter, das ebenfalls mit 1:3 verloren ging, besuchte uns eine Abordnung der Ultras Empoli zum Hit gegen den VfL Wolfsburg. Den für italienische Verhältnisse arktischen Temperaturen wurde getrotzt und zur Stärkung vor der Auswärtsfahrt gemeinsam ein bayerisches Lokal aufgesucht.

Auch beim Europapokal-Auswärtsspiel in Rotterdam (oder Raverdam?) unterstützten uns die Empolesi. Hier jedenfalls authentisch, Stadion-Playlist auch auf Spotify). Auch wenn es sportlich nicht so gut lief, erzählen uns unsere Freunde jedes Mal, wie viel ihnen die Freundschaft und auch die gemeinsamen Erlebnisse gerade im Europapokal bedeuten.

Nachdem Empoli am vergangenen Samstag im Heimspiel gegen Bologna eine 1:0-Führung verspielte und nur 1:1 spielte, befindet sich der Klub nach sieben sieglosen Spielen in Folge wieder im Abstiegskampf. Hier geht es sehr eng zu. Empoli, derzeit auf Platz 14, hat nur zwei Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz Tabellenplatz 18.

Ultras Empoli und Schickeria München!

DFL BVerfG

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 14.01 seine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde der DFL gegen die Beteiligung an Polizeikosten bei Hochrisikospielen verkündete, erntete es dafür in der Öffentlichkeit weitestgehend Lob und Zustimmung. Auf den ersten Blick ist das gut nachvollziehbar. Der Fußball in Deutschland boomt und viele Menschen verdienen extrem viel Geld in dem Business. Warum sollte dann der Steuerzahler genau dieses extrem lukrative Geschäft auch noch alimentieren, indem er die Mehrkosten für Polizeieinsätze bei besonders brisanten Spielen übernimmt, die sich schnell mal im mittleren sechsstelligen Bereich bewegen können?

Dasselbe dachte sich auch die Freie Hansestadt Bremen, die gemäß § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG der DFL als Veranstalterin im Nachgang des Nordderbys 2015 eine Rechnung in Höhe von über 400.000€ stellte. Diese wollte sie aber nicht begleichen, sodass ein jahrelanger Rechtsstreit entbrannte, der nun vor dem Bundesverfassungsgericht sein Ende fand – mit negativem Ausgang für die Proficlubs. Der Vorsitzende des Ersten Senats des BVerfG betonte im Rahmen der Verkündung des Urteils, dass die Entscheidung des Gerichtes nicht die Frage betreffe, ob eine Kostenbeteiligung politisch wünschenswert oder sinnvoll sei, sondern ausschließlich, ob eine Gebühr verfassungsgemäß ist. Ein Wink mit dem Zaunpfahl?

Denn gibt gute Gründe die Umlage von Einsatzkosten auf Fußballvereine kritisch zu sehen, sowohl aus staatsbürgerlicher Sicht als auch aus der Brille des Fußballfans. Das hat eine Reihe von Gründen, die mir allesamt in der öffentlichen und teils populistischen Debatte zu wenig Beachtung zu finden. 

Erst einmal natürlich der offensichtlichste Punkt: für die öffentliche Sicherheit ist die Polizei zuständig. Punkt. Das kann man gut oder auch schlecht finden, ist aber der unbestrittene Status quo in Deutschland. Deren Finanzierung übernimmt der Staat, finanziert aus den Steuern, die wir zahlen – und übrigens auch die Vereine, und das nicht zu wenig. In der Saison 22/23 zahlten die Clubs laut DFL insgesamt 1,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben, bereits 2020 sollen die Nettoeinnahmen, die der Staat mit dem Fußball generiert, bei 3,7 Milliarden Euro gelegen haben. Damit ist der Fußball keineswegs reiner Nutznießer der öffentlichen Hand, wie so mancher populistischer Kommentar vermuten lässt, sondern wie so oft handelt es sich dabei um eine etwas kompliziertere Beziehung, von der letztendlich vermutlich beide Parteien nicht gerade gering profitieren. Dass dann die Entscheidung der Hansestadt die DFL an den Polizeikosten zu beteiligen dort auf wenig Gegenliebe stößt, ist durchaus nachvollziehbar. 

Ein weiteres Argument dafür das Urteil des BVerfG kritisch zu sehen, ist die schwammige Definition des Begriffes Risikospiel. Beziehungsweise Hochsicherheitsspiel. Oder doch Rotspiel? Es existiert nicht einmal eine einheitliche Bezeichnung für diese Art von Begegnungen, geschweige denn eine Legaldefinition. Im BremGebBeitrG ist nur die Rede von Veranstaltungen mit „erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen“, sodass ein Mehraufwand „vorhersehbar erforderlich wird“ – der Fantasie des zuständigen Bullen sind hier wohl relativ wenige Grenzen gesetzt. Und im Notfall wird eben behauptet, dass man über Informationen verfügt hätte, die den jeweiligen Einsatz rechtfertigen, man diese aber aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich machen könnte.

In den Regularien des DFB wiederum wird von „Spiele[n] mit erhöhtem Risiko“ gesprochen, wenn „aufgrund allgemeiner Erfahrung oder aktueller Erkenntnisse die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine besondere Gefahrenlage eintreten wird“. Dabei beziehen sie sich aber in erster Linie auf die Gefahrenbeurteilung, die von den Vereinen vorgenommen wird. Zusätzlich zu den Lageeinschätzungen des Heim- und des Gastvereins gibt die Polizei nämlich auch noch eine eigene Einschätzung ab, sodass die Einstufung des Spiels durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Die für die Einsatzplanung der Polizei relevante Einstufung ist dabei logischerweise letztere. Dass dabei nicht immer unbedingt nachvollziehbar ist, warum die Polizei genau Begegnung x als Hochrisikospiel einstuft? Geschenkt. Selbst mögliche Lösungen für dieses Definitionsproblem wirken auch nur auf den ersten Blick attraktiv. Denn die DFL wird es ganz bestimmt nicht hinnehmen, dass pro Saison dutzendfach sechsstellige Rechnungen eintrudeln ohne diese auch genauestens überprüfen zu lassen. Was wahrscheinlich in der Praxis bedeutet: den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten. Somit werden die DFL und Vereine zu Gegenspielern bei einem Thema, was wohl beiden Akteuren eigentlich am Herzen liegt: die Sicherheit. Man stelle sich nur vor im Rahmen eines solchen Verfahrens (oder auch davor) müsste die Polizei aufschlüsseln, wie sie auf den jeweiligen Betrag kommt, wann, wo und warum welche Kräfte im Einsatz waren. Wissen, das wohl die wenigsten gerne beispielsweise in der Hand eines Terroristen sehen würden. 

Und das führt zum nächsten Kritikpunkt: die Polizei entscheidet also, wie viele Kräfte sie einsetzt, welche Einsatztaktik angewendet wird, letztendlich also auch, was der Einsatz kostet. Aber die Vereine sollen das dann bezahlen? Für eine Partie, der ein „erhöhtes Risiko“ zugeschrieben wird, für welches aber keine klaren Kriterien existieren und welches somit von Ort zu Ort und von Polizei zu Polizei unterschiedlich ausgelegt wird? Bei den meisten Spielen ist sowieso ein völlig utopisches Polizeiaufgebot festzustellen, das oft eher provoziert als deeskalierend zu wirken. Ob das Umwälzen der Kosten auf die DFL langfristig dazu führt, dass weniger Einsatzkräfte eingesetzt und somit Ressourcen geschont sowie manchmal vielleicht auch Eskalationen verhindert werden, darf einen schon eher skeptisch stimmen. Es scheint nämlich auch bei der Polizei nicht immer – böse Zungen würden behaupten sogar eher selten – nur nach rationalen Gründen entschieden zu werden, wie zum Beispiel der Einsatz von Wasserwerfen bei dem ein oder anderen Spiel zeigt. Zumindest mir und vielleicht auch dem ein oder anderen Leser, der ab und zu ins Stadion geht, fällt nämlich nicht so schnell eine Situation ein, bei der ein Wasserwerfer zum Einsatz kommen müsste. Klar, wer nur die Springermedien konsumiert könnte annehmen, dass in Deutschland jedes Wochenende bürgerkriegsähnliche Zustände in und um deutsche Stadien herrschen. Wer allerdings hin und wieder ein Spiel besucht, wird feststellen, dass das Bild, das teils von Fußballfans in den Medien suggeriert wird, nicht der Realität entspricht. Zwar berichten mittlerweile immer mehr Medien mehr oder weniger ausgewogen, die üblichen Verdächtigen hetzen aber ungeniert weiter. Zurück zum Wasserwerfer. Denn wer einmal bei einem Fußballspiel den wirklich, wirklich seltenen Fall einer Auseinandersetzung zwischen zwei Fangruppierungen beobachten konnte, wird wohl auch erkannt haben, dass diese meist schneller zu Ende war, als sie begonnen hat. Sobald nämlich die ersten Bullen auflaufen, sehen die meisten Beteiligten ihr Heil sowieso in der Flucht. Der Einsatz von einem Wasserwerfer ist wirklich völlig utopisch und lässt sich in den letzten zehn Jahren im Rahmen von Fußballspielen wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Dass dieser wahrscheinlich einen Batzen Geld kostet? Ebenfalls geschenkt, bald muss sich der verantwortliche Behördenfutzi schließlich nicht mehr bei irgendwelchen Vorgesetzten dafür rechtfertigen, dass sein Einsatz mal wieder eine halbe Millionen an Steuergeldern in den Sand gesetzt hat. Schließlich kommt das Geld ja von der DFL! Dieses Beispiel kann man problemlos auf so manch anderen Aspekt der Einsatzplanung bei einem Fußballspiel übertragen. 

So kann man sich ausmalen, was für Folgeprobleme das Urteil potenziell mit sich bringen könnte. Man stelle sich nur einen völlig verfehlten Einsatz vergleichbar zu unserem Erlebnis vorletzte Saison in Bremen vor, bei dem vermutlich mindestens hunderte Überstunden mit Wochenendzuschlag die Kosten des Einsatzes massiv nach oben getrieben haben dürften. Klar, dieses Spiel war kein Hochrisikospiel, aber gerade bei diesen kommt es oft zu willkürlichen Maßnahmen. Soll dann also in Zukunft die DFL dafür bezahlen, wenn die Bullen mal wieder Überstunden sammeln, weil sie eine repressive Maßnahme durchführen oder ein Bullenoberster seinen persönlichen Kleinkrieg gegen Fußballfans führt? Zumindest meinem Rechtsempfinden widerspricht das. 

Es gibt aber auch Gründe, wieso uns als aktiven Fans das Urteil nicht gefallen kann. Denn ein „Ausweg“ aus diesem Dilemma könnte uns Fans vor gravierende Folgen stellen: und zwar durch Gästeverbote. Die Kosten für Polizeieinsätze könnten sich – zumindest auf den ersten Blick, denn die meisten Szenen würden hoffentlich dafür sorgen, dass diese Rechnung nicht aufgeht – natürlich ganz einfach reduzieren lassen: dadurch, dass gar keine Anhänger der Gastmannschaft in die jeweilige Stadt reisen dürfen. Und wenn die Vereine vor solchen drastischen Schritten noch zurückschrecken, dann werden vielleicht bald Ticketpreiserhöhungen mit den gestiegenen Kosten gerechtfertigt. Oder vielleicht sogar ein Investoreneinstieg? Auch könnte es ein weiteres Druckmittel der Politik sein, um zum Beispiel personalisierte Eintrittskarten durchzusetzen. Wieder einmal sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, wohin das führen kann. 

Sicherlich sind das alles nur Spekulationen und vielleicht führt am Ende auch kein Land ähnliche Regelungen ein, die Mehrkosten für den SV Werder werden fair mit den restlichen 35 Vereinen geteilt und in zwei Jahren hat jeder das Urteil vergessen – vielleicht aber eben auch nicht. Es ist an uns Fanszenen mögliche künftige Entwicklungen frühzeitig anzuprangern und unsere Konsequenzen daraus zu ziehen. Der verhinderte DFL-Investoreneinstieg hat gezeigt, was wir zusammen bewegen können. Wenn sich der deutsche Fußball in die gleiche Richtung wie unsere Nachbarländer entwickeln sollte, in denen Auswärtsfahrten eher Ausnahme als Regel sind und die Ticketpreise teilweise absurd hoch sind, dürfen wir nicht zögern, um Verbänden, Vereinen und Bulllen mit aller Macht zu zeigen, wo unsere rote Linien verlaufen – und dass wir bereit sind, diese auch um jeden Preis zu verteidigen.