SKB Augsburg 27.08.2023

Vorwort
Worte der Vorsänger
KILLERS IN OUR MOVEMENT ARE KILLING OUR MOVEMENT
FC Bayern – RB
1.FC Köln – FC Bayern
SV Werder Bremen – FC Bayern
ULTRA‘ SANKT PAULI
HORDA AZZURO JENA
ULTRAS BOCHUM 99
ULTRAS EMPOLI
Was hier und da passiert
Interview Kerem Schamberger
Termine

Vorwort

Servus Bayernfans,

wir begrüßen Euch zu einer neuen Spielzeit. Endlich wieder Fußball, endlich wieder Heimspiel. Wir gehen zum elften Mal in Folge als Titelverteidiger in die Saison und sportlich stehen wir, wie vermutlich alle, vor einem großen Fragezeichen. Der Saisonauftakt in Bremen war relativ souverän, auch wenn das Ergebnis nicht zwingend die 90 Minuten widerspiegelt. Und erinnern wir uns, vor einem Jahr schien es im August ebenfalls so, als würde die Mannschaft einfach alle Gegner zerlegen. Die weitere Entwicklung der Mannschaft wird also interessant zu beobachten sein. 

Aber jetzt weg vom Sportlichen, wir sind ja schließlich nicht der Kicker, sondern das Heimspielheft einer Ultragruppe. Der Start in Bremen war insgesamt zufriedenstellend: Eine gelungene Pyroaktion, mit der wir ein Statement gegenüber der Polizei Bremen setzten und phasenweise konnte der Großteil des Gästeblocks mitgenommen werden. Dennoch gab es einiges an Leerlauf, was den Eindruck doch etwas schmälerte. Aber nach drei Monaten Pause und gefühlt tropischen Bedingungen unterm Dach, reicht es vielleicht auch noch nicht für 90 Minuten Vollgas. Weil wir gerade bei der Stimmung sind: Das Maintopic des heutigen Südkurvenbladdl ist ein ausführlicher Rück- sowie Ausblick der Vorsänger auf die vergangene bzw. die kommende Spielzeit. Nehmt euch die Zeit, lest den Text aufmerksam und nehmt euch die Worte zu Herzen.

Zum Abschluss wollen wir euch auf eine größere Neuerung im Zusammenhang mit dem Südkurvenbladdl hinweisen. Zu jedem Heimspiel wird es eine vierseitige Printvariante geben, wie eben diese, die ihr gerade in den Händen haltet. Dabei wird es neben einem Vorwort ein oder zwei weitere Texte zu aktuellen Themen geben. 

Eine ausführliche Version, mit aktuellen Spielberichten, Informationen zu unseren Freundschaften und mit Texten zu verschiedenen Themen findet ihr online auf www.suedkurvenbladdl.org oder wenn ihr den QR-Code scannt, den ihr im Anschluss an den Text findet. 

Jetzt wünschen wir viel Spaß beim Spiel. Lasst uns gemeinsam und lautstark in die neue Saison starten!

Worte der Vorsänger

Servus Südkurve, Servus Bayernfans, 

mit der emotionalen Achterbahnfahrt in der Hitze von Köln ging die vergangene Saison letztlich im Jubelrausch zu Ende. 

Unser Verein stand trotz bestens zurückgekehrter FC Hollywood-Manier am Ende doch wieder ganz oben in der Abschlusstabelle, während andernorts fast genau 10 Jahre nach unserem Wembley-Triumph statt langer Meisterfeier wieder nur lange Gesichter und die bereits kaltgestellten Biere allenfalls zum Frust runterspülen blieben. 

Trotzdem blicken wir sportlich auf eine Spielzeit zurück, in der die Jungs auf dem Platz unserer Wahrnehmung nach viel zu oft vor allem Mannschaftsgeist und Hingabe vermissen ließen. Nur allzu passend, dass sich „Höret ihr Spieler auf dem Rasen, tragt dieses Trikot mit Stolz, haltet die Farben in Ehren, bei Niederlage oder im Erfolg“ zum Saisonendspurt hin zum Top Hit der Kurve entwickelte. 

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema dieses Textes angekommen: Wie Ihr euch denken könnt, ist es uns vor allem ein Anliegen, ein kleines Resümee zur Entwicklung unserer Kurve in der hinter uns liegenden Saison zu ziehen. 

Und diese begann bekanntlich mit etwas ganz Großem: 50 Jahre Südkurve München standen auf dem Programm. Eine stolze Zahl und verbindendes Element so vieler unterschiedlicher Charaktere und Generationen, die ihren Anteil dazu beigetragen haben, dass wir sind, wer wir sind, und stehen, wo wir stehen. 

Das Heimspiel gegen Mönchengladbach sollte der Tag werden, an dem das Jubiläum und unsere Südkurve im Mittelpunkt standen. Lange darauf hingefiebert und hingearbeitet, ließen wir jede:n daran teilhaben. Eine große Choreo zu Spielbeginn, die erste großflächige Pyroshow bei einem Bundesliga-Heimspiel und eine geschlossene, stark aufgelegte Kurve ließen den Gästeanhang bestenfalls zu Statisten werden.

Ein rundum gelungener Fußballtag, an dem jede:r mit einem Grinsen das Stadion verließ – und ab sofort Gradmesser, denn wir haben eindrucksvoll gezeigt, welches Potential in der Kurve und unserem Stadion stecken kann, wenn alle mitziehen. 

Diese glückliche Erkenntnis wirft aber zwangsläufig die Frage auf: Warum nicht öfter? 

Denn nachdem diese Woge der Begeisterung hinüber war, kamen wir in sehr ruhiges Fahrwasser und das ist bei einer Fankurve bekanntlich eher kein Qualitätsmerkmal. 

Bereits im darauffolgenden Heimspiel, dem Prestigeduell mit den VfB Stuttgart und seiner Cannstatter Kurve, war der Tiefpunkt der Saison auf den Rängen erreicht und wir Vorsänger verließen irgendwo zwischen gefrustet und großen Fragezeichen im Gesicht das Stadion. Das war wirklich blutleer, lust- und antriebslos. 

Bleibt also eine konstant starke Heimspiel-Stimmung die aktuell größte Baustelle? Vorläufiges Fazit ist wohl ein klares Ja. 

Denn auswärts hinterließen wir stets mindestens einen soliden Eindruck, mit vielen Ausreißern nach oben, sei es in Paris, bei unserer Rückkehr ins San Siro, wo mit einem 90 Minuten durchdrehenden und lodernden Gästeblock im Grunde alles passte, bei den Pokalspielen in Augsburg und Mainz oder auch beim Rückspiel im Neckarstadion. 

Bei Heimspielen wiederum taten wir uns mit guten Auftritten vor allem im Herbst und Winter der Hinrunde schwer und hatten eine recht lange Phase, in der die Überzeugung und der Elan doch ziemlich fehlten. Es war oftmals keine Katastrophe, aber wenn da oben nicht gerade gefühlt 100 Mainzer stehen und selbst nichts auf die Kette kriegen, sondern mit Bremen, Köln und Frankfurt dreimal hintereinander Fanszenen im Oberrang recht ordentlich abliefern, dann muss da einfach mehr kommen. 

Es gibt gute Tage, es gibt schlechtere Tage, das ist normal und völlig in Ordnung. 

Aber es ist unser Stadion und unser Heimspiel, der Anspruch muss stets sein, die deutlich spürbare Stimmhoheit zu haben. Und mit etwas Einstellung und Engagement von jedem und jeder, wie ihr da in den Blöcken 109-117 und darüber hinaus steht, wird das auch immer so sein.

Ihr alle seid Teil der Kurve, jede:r der/die möchte gehört dazu. Dies ist euer Ort, eure Freundinnen und Freunde, eure Freude – aber auch eure Aufgabe! Die Südkurve ist – auch in den Außenbereichen – nicht gemacht, um die gute Stimmung zu konsumieren, sondern zu ihr beizutragen. Nur alle gemeinsam sind wir stark und liefern die bestmögliche Unterstützung. 

Und Hand aufs Herz: Kannst du, wie du das hier liest von dir sagen, dir da nicht ab und an auch an die eigene Nase fassen zu müssen? 

Und mit der Frage richten wir den Blick in die Zukunft. 

Es ist eine ganz einfache Rechnung: Singen alle mit, ist die Stimmung gut, haben alle Spaß. Träller lautstark und enthusiastisch mit. Springe, klatsche, sei einfach locker, brich aus deinem Alltag aus und mache diesen Ort in den 90 Minuten zu einem magischen Ort für dich und damit für uns alle gemeinsam. 

Lasst euch anstecken und steckt andere an. Unser Virus heißt jetzt glücklicherweise wieder FC Bayern und überträgt und verbreitet sich in der Südkurve. Je mehr man sich ihm hingibt, desto größer ist die Gefahr von Heiserkeit, ausgelaugt sein, Freude und Glücksgefühlen. 

Gehen wir es also jedes Mal aufs Neue motiviert an, getreu dem Motto eines unserer Lieder: Immer vorwärts und niemals zurück. Denn Stillstand ist Rückschritt. 

Das Ziel kann eigentlich nur eins sein: Die Top Kurve der Bundesliga zu sein!

Und die zeigt nicht nur im Europapokal-Halbfinale oder einem Derby, was in ihr steckt, sondern auch beim Durchschnitts-Heimspiel gegen Wolfsburg, Heidenheim oder Leverkusen. 

Wir sind, was wir draus machen! 

Merkt euch diese Worte und ruft euch das vor jedem Spieltag wieder ins Gedächtnis. 

Keine Sorge: Wir werden euch nerven und regelmäßig daran erinnern – dafür sind wir ja da. 🙂

Und wir haben richtig Lust!

Eure Vorsänger

KILLERS IN OUR MOVEMENT ARE KILLING OUR MOVEMENT!

Trotz eines von der UEFA verhängten Gästeverbots reisen kroatische Fans nach Griechenland und es kommt am Vorabend der Partie AEK Athen vs. Dinamo Zagreb Anfang August zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Fans von AEK und den kroatischen Anhängern (mit Unterstützung von Panathinaikos). Ein griechischer Anhänger wird mit einem Messer getötet und viele Personen erleiden Stichverletzungen. Bereits zwei Tage vorher ist es in Polen zu einem Todesfall gekommen, als das Bündnis Zagłębie Sosnowiec & BKS Stal Bielsko Biała ein Fanturnier der Achse Unia Tarnow und Wisla Krakau angegriffen hat. So unterschiedlich die beteiligten Fanszenen, so unterschiedlich die näheren Umstände, eines ist gleich: Am Ende ist ein Fußballfan wegen des Verwendens von Waffen tot. 

Die beiden Toten sind nicht die ersten Opfer, die durch von Fußballfans eingesetzte Waffen sterben. Einer der vermutlich bekanntesten Fälle ist der Tod von Vincenzo Spagnolo, Fan von Genoa, der 1995 durch den Messerstich eines Mailänder Ultra sein Leben verlor. Damals schlossen sich die italienischen Ultraszenen zusammen und veröffentlichten ein Communiqué unter dem Titel „Basta Lame – Basta Infami“ (Schluss mit den Messern – Schluss mit der Feigheit); es hätte die Zeit eines Umdenkens sein können, doch nicht alle Ultraszenen schlossen sich an. Eine Umkehr im Denken und Handeln fand somit auch nur in Teilen statt. 

Wir wissen, dass die Lebensrealitäten vor allem in Südeuropa andere sind als die unsere. Es gibt Gesellschaften und lokale Nischen, da mag das Mitführen einer Stichwaffe quasi zum kulturellen Gut gehören. Am Ende bleibt aber doch die Frage, wohin das Tragen und in letzter Konsequenz der Einsatz einer solchen Waffe beim Fußball denn führen soll? 

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Gegner bei einer Auseinandersetzung zumindest im Krankenhaus landet, erhöht sich drastisch und noch Schlimmeres wird mehr als billigend in Kauf genommen. 

Aber genau das darf eigentlich nicht das Ziel einer Fußballauseinandersetzung sein. Es gehört zu unserer Bewegung dazu, sich zu messen. Die Mannschaften tun das auf dem Spielfeld, wir auf den Rängen und, wenn es Anlass gibt, eben auch mal auf der Straße. Natürlich geht es dabei dann auch darum Überlegenheit zu demonstrieren, den anderen zu zeigen, dass sie hier nichts zu melden haben. Grundlage hierfür sollte aber ein Grundrespekt gegenüber dem anderen als Mensch sein. Das Bewusstsein, dass der Gegenüber auch Familie, vielleicht auch Kinder, geliebte Menschen und Freunde hat und am nächsten Wochenende wieder das Gleiche tun möchte wie man selbst. Seine Mannschaft beim Spiel zu begleiten. 

Wir sind keineswegs so naiv zu glauben, dass ein Kampf mit den Fäusten keine nicht-gewollten schwerwiegenden Verletzungen nach sich ziehen kann, weshalb für uns die oben genannten Prämissen auch zentral sind, wenn es eben mal knallt. 

Auch wenn hierzulande der Einsatz von Stichwaffen nicht üblich ist und es sicher einen breiten Konsens dagegen gibt, sind auch innerhalb der deutschen Ultraszenen schon Sachen passiert, die Grenzen überschritten. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass auch andere Gegenstände schnell zur Waffe werden, deren Wirkung man selbst nicht einschätzen kann. In unserem Beispiel war es das Werfen einer Flasche, die eine Businsassin schwer verletzt hat. Genauso meinen wir aber auch das Schießen von Leuchtspuren in Menschenmengen, den Einsatz von Pyro bei Auseinandersetzungen, Steine oder irgendwelche Schlagwerkzeuge. 

Vielleicht sind die aktuellen Vorfälle für alle Akteure Gelegenheit, das eigene Handeln zu reflektieren und darüber nachzudenken, in welche Richtung die Entwicklung gehen soll und für sich eine konsequente Ablehnung von Waffen aller Art zu beschließen. 

Jeder Tote ist einer zu viel, mit jedem Toten nimmt die Bewegung Schaden, niemand gewinnt. Auch wenn wir damit natürlich nicht alle Gruppen in Europa erreichen, wollen wir zumindest innerhalb unserer Reichweite anregen, über diese Zeilen nachzudenken.

FC Bayern München – RB 1:3

Manchmal kann es von Vorteil sein, wenn Aufgaben ein bisschen auf die lange Bank geschoben werden. Prokrastinieren – beim Schreiben von Berichten ja tendenziell die falsche Herangehensweise, da das Erlebte sich unmittelbar nach dem Spieltag besser niederschreiben lässt als mit mehreren Tagen Abstand. Im Falle des RB Heimspiels ist die Enttäuschung nach dem Spiel über die vermutlich verspielte Meisterschaft durch die Last-Minute-Meistereuphorie aus Köln übertüncht worden. Nach Abpfiff des letzten Heimspiels vermittelte zumindest die Mannschaft nicht mehr den Eindruck als würde sie daran glauben, die Meisterschale eine Woche später in die Höhe zu recken. Und auch in unseren Reihen dürften einige sich damit abgefunden haben, dass die große Sause eine Woche später am Borsigplatz steigen dürfte. Mittlerweile sind wir schlauer und ein 1:3 gegen RB nervt natürlich immer noch. Aber logischerweise weniger, wenn das Saisonende bekannt ist und der Deutsche Meister wieder aus München kommt.

Aber zurück zum vorletzten Spieltag: endlich Sonnenschein bei einem Heimspiel. Gefühlt war es ja die ganze Rückrunde beschissenes Wetter, wenn wir uns am Südkurvenplatz trafen (Ausnahme Hertha Heimspiel). Somit konnten erstmals in großer Anzahl die kurzen Hosen aus dem Schrank geholt werden und mit Sonnenstrahlen im Gesicht ist die Laune bei den meisten deutlich besser. Da geht es gleich viel beschwingter die Esplanade hoch und das Warten auf dem Anpfiff ist ebenfalls erträglicher. Die Wartezeit wurde vor allem zum Verteilen der „Koan Ausverkauf“ Zettel genutzt. Nachdem wir beim Heimspiel zuvor den Fokus auf die „Mia san die Bayern“ Aktion gelegt hatten, wurde dieses Mal der geplante Einstieg von Investoren bei der DFL thematisiert. Auch hier wissen wir mittlerweile, dass die Pläne nicht genug Zustimmung erhielten und somit zunächst einmal ad acta gelegt wurden. Ob es am Protest der Fanszenen lag oder doch eher an der katastrophalen Kommunikation innerhalb der DFL?! Sei´s drum, das Thema ist erstmal vom Tisch aber allzu lange wird die Ruhe nicht währen und das nächste Schreckensgespenst wird die Runde machen. 

War das Heimspiel gegen Schalke in der Woche zuvor ein Offenbarungseid der Südkurve, zeigte sich die Kurve zum letzten Heimauftritt deutlich besser aufgelegt. Die ganz großen Ausreißer nach oben waren nicht dabei (abgesehen von den Grüßen an den Stadtrivalen, die schepperten mit ordentlicher Lautstärke durch das Stadion und waren vermutlich an der Implerstraße noch zu hören) jedoch war das Niveau über 90 Minuten auf einem konstant guten Level und es hat deutlich mehr Spaß gemacht. 

Auch sportlich sah es zunächst nach einem erfolgreichen Nachmittag aus, der Führungstreffer von Gnabry war verdient und irgendwie dachten wir, das werden wir schon über die Zeit bringen. Die größten „Pessimisten“ mutmaßten bereits, dass wir die Meisterschaft am Sonntag auf der Couch erleben würden. Seit ein oder zwei Spielzeiten wird der vorletzte Spieltag ja nicht mehr zeitgleich durchgeführt und da der BVB erst Sonntag in Augsburg antrat, wäre das Szenario bei einem eigenen Sieg realistisch gewesen. Irgendwie schade, dass eine weitere Tradition einfach so verschwunden ist, das tut dem Nostalgiker-Herz weh, immerhin war das seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Bundesliga. Unvergessen mit Sicherheit der vorletzte Spieltag 2001 als innerhalb weniger Sekunden Tore in Stuttgart und in München fielen. Sowas wird es zukünftig seltener geben. Aber genug in der Vergangenheit sinniert. In der Gegenwart kippte das Spiel die Minuten vor dem Pausentee zugunsten der Gäste und spätestens in Hälfte 2 erlebten wir einen Einbruch unserer Elf. Den Ausgleichstreffer kassierten wir nach einer eigenen Ecke ehe uns zwei Elfmeter den sportlichen KO brachten. 

Dass mit dem dritten Gegentreffer fünf Minuten vor Spielende eine Massenflucht einsetzen sollte, die auch vor dem Mittelrang der Südkurve nicht Halt machte, war im Nachgang des Spiels großes Thema. Ich denke, die Videos des Zuschauerstroms auf der Esplanade und die dazugehörigen hämischen Kommentare haben die meisten in den sozialen Medien gesehen. Der Exodus sorgte bei vielen wiederrum für fast mehr Ärger als das verlorene Spiel und es wurde kurzzeitig von unten nach oben gepöbelt. Hätte man sich vermutlich sparen können, aber das waren Emotionen, die in dem Moment raus mussten. Dann wurde sich kurz geschüttelt und die Kurve zeigte, dass das Spiel auch erhobenen Hauptes beendet werden kann: Sowohl für Mannschaft wie auch Fans gilt, dass Spiele verloren werden können, dennoch gilt es mit erhobenem Haupte den Rasen bzw. das Stadion zu verlassen. Mit dem in Bremen eingeführten Lied „Höret ihr Spieler auf dem Rasen“ wurde den Spielern dies in den letzten Minuten und weit nach Spielende mitgeteilt. Das Trikot unseres Vereins ist mit Stolz zu tragen, bei Niederlagen oder im Erfolg. 

Zum Abschluss der Heimspiel-Saison ging es für die Gruppen der Südkurve noch nach Schwabing, wo der Abend in entspannter Runde zu Ende ging. Ein großer Dank geht abschließend an unsere Freund*innen aus Empoli und Hamburg für die Unterstützung am heutigen Tag!

Die Bilder vom letzten Heimspiel der Saison

1.FC Köln – FC Bayern München 1:2

So, zwei Monate nach Spiel und ein paar Tage vor Abgabefrist des Berichts: und das sind die ersten zwanzig Worte – nun ja. Dass der Spieltag aber doch noch so lange im Kopf blieb, hätte vorher auch keine*r gedacht.

Aber von vorne: die Woche vor dem Spiel und nach dem RB-Spiel kam wohl kaum jemand am Video der Dortmunder*innen aus Augsburg -„Borussia Dortmund wird Meister und Schalke steigt ab“ vorbei. Und tatsächlich wäre das, angesichts der zahlreichen Geschenke, die unsere Mannschaft im Laufe der vergangenen Saison verteilte, nicht mal so ganz unverdient, dass die Serie von 10 Meistertiteln am 27. Mai 2023 reißen sollte. Entsprechend zäh startete der Spieltag in Köln. Schuld daran? Der wie so oft beschissene Anfahrtsverkehr rund ums Müngersdorfer Stadion, der – gefühlt – ein Drittel der gesamten Anfahrtszeit in Anspruch nahm. Und auch die Kartensituation war heute eher dürftig. Auch, wenn das angesichts der noch sportlichen Möglichkeiten sicherlich verständlich ist und ein letzter Spieltag in NRW, unabhängig davon, viele Bayernfans anzieht. Pünktlich zum Anpfiff konnten sich dann doch noch einige Zutritt zum Stadion verschaffen, um pünktlich die frühe Führung durch Kingsley Coman auf den Rängen mitzuerleben. Entsprechend gut war der Gästeblock aufgelegt, der heute zum ersten Mal, nur 7 Minuten später, zeigen wollte, was im Fall der Fälle noch passieren könnte. Denn so sickerte nach und nach durch, dass die Mainzer in Dortmund in Führung gegangen sind. Keine 10 Minuten später machte sich erneut ein Raunen breit, das innerhalb kürzester Zeit zum Jubel wurde: 2:0 für Mainz. Erneut schnellte der Lautstärkepegel des Gästeblocks mit „Deutscher Meister wird nur der FCB“ in die Höhe und so blieb es bis es zur Halbzeit laut im Gästeblock. Vor allem der Oberrang konnte immer wieder mitgenommen werden, auch wenn das heute sehr spielabhängig und der Auftritt, unabhängig davon, eher durchschnittlich war.  Die zweite Halbzeit begann dann auf dem Platz ziemlich holprig und mit andauernder Spieldauer verloren unsere 11 Spieler, in den heute dunkelblauen Trikots, zunehmend die Kontrolle über das Spiel. Das wirkte sich auch auf den Tifo aus, der sich dem Spiel anpasste. Aufgrund des Spiels blieb die Liedauswahl insgesamt eher klassisch und einfach. Mit zunehmender Spieldauer ließ unsere Mannschaft immer mehr Chancen zu und so fiel in der 81. Spielminute der verdiente Ausgleich, der, in der Entstehung, irgendwie zu dieser Saison passen sollte. Also doch kein Fußballmeister 2023? Was die Mannschaft in der abgelaufenen Spielzeit viel zu selten schaffte, sich nach einem Gegentreffer wieder schnell zu fangen, schien heute kein Problem zu sein und so gelang es ihr, in den letzten 9 Minuten plus Nachspielzeit, wieder einen Gang höher zu schalten und den erneuten Führungstreffer zu erzielen. In Dortmund war zwar mittlerweile der Anschlusstreffer gefallen, das alles änderte aber nichts daran, dass der Treffer einen der emotionalsten Torjubel zur Folge hatte, den es seit langer Zeit gab. Gefühlt zwei Minuten Bewegung im Block, geprägt von schwerelosen Momenten, Umarmungen und dem surrealen Gefühl, dass wir wohl doch noch Meister werden. Die schließlich darin endeten, dass wohl jede*r im Gästeblock 5-10 Meter weiter oben/unten/links/rechts stand wie noch vor dem Treffer. Aber: abwarten – der BVB spielt noch und wir wissen auch, dass auch in der Nachspielzeit schnell mal zwei Treffer drin sind. Unser Spiel war längst aus, da ging ein Jubel durch den Nord-Westen des Müngersdorfer Stadions und die Mannschaft stürmte feiernd auf den Gästebereich zu: das Spiel in Dortmund ist aus – der FC Bayern ist Meister. Wahnsinn! Auf mehreren Ebenen. Und, dass der BVB noch den Ausgleich erzielte und das Spiel zu dem Zeitpunkt des Jubellaufs noch gar nicht vorbei war, habe ich persönlich, ehrlich gesagt, erst mitbekommen als wir uns wieder auf dem Weg zu den Bussen befanden. Dass das auch schief gehen kann, hat der HSV gerade einmal 24 Stunden später ja bewiesen. Aber nun gut, wir sind ja dann immer noch der FC Bayern. 

Neben dem ereignisreichen Spiel, äußerten wir uns auch am letzten Spieltag noch in Form von zwei Spruchbändern. Auf einem ersten äußerten wir uns zu den absurden Strafforderungen gegen die Letzte Generation, diese zu einer kriminellen Vereinigung erklären zu wollen. Abgesehen davon, dass es innerhalb unserer Szene, sehr unterschiedliche Auffassungen und auch Kritikpunkte an den Aktionsformen und den Strukturen selbst gibt, stehen diese Forderungen vielmehr im Zusammenhang mit einem sich immer repressiver gestaltenden Staat, der versucht, unliebsame Gruppen durch eben repressive und willkürliche Maßnahmen einzuschränken und in Folge zu schwächen, weshalb wir uns mit den Worten „Zu viel Klebstoff im Bullenhirn? Die einzig kriminelle Vereinigung seid ihr!“ zu der Thematik äußerten.

Ein weiteres Spruchband hatte einen traurigeren Hintergrund. In der Woche vor dem Spiel verstarb Dennis, der über lange Jahre ein fester Teil der Fanszene war und deshalb für viele nur schwer wegzudenken ist: Ruhe in Frieden, Dennis!

Außerdem packten wir heute die EUROPAPOKALSIEGER-Fahne ein, mit der wir nochmals an den Triumph von Wembley am 25. Mai 2013 erinnerten. „Nochmals“ deshalb, weil wir uns bereits am Jahrestag selbst, im Zentrum unserer Stadt trafen, um den Triumph von vor 10 Jahren erneut zu feiern. Einige Bilder davon findet ihr auf der Südkurven-Seite.

Nun steht also nach dem 34. Spieltag wieder einer ganz oben: der FC Bayern. Die Saison hatte sportlich viele Höhen und Tiefen und offenbarte einige Defizite im Verein. Höhen und Tiefen hatte sicher auch unsere Saison in der Südkurve und in den Gästeblöcken der Nation und des Kontinents. Dabei dürften aber vor allem die Höhen überwogen haben: der Auftritt rund um das 50 Jahre Südkurven-Spiel gegen Gladbach mit der dazugehörigen Feier beim Heimspiel gegen Stuttgart, der Auftritt bei Inter Mailand im Europapokal, die Feierlichkeiten rund um unsere eigene 20 Jahre-Feier sowie die Jubiläen anderer Gruppen der Südkurve sind sicherlich einige Aspekte, die einem*r durchaus ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn man auf die abgelaufene Spielzeit zurückblickt. Unterstützt wurden wir dabei von unseren Freund*innen und so waren auch heute einige von ihnen aus Jena und Hamburg bei uns zu Gast – Vielen Dank dafür, dass Ihr und alle anderen uns das ganze Jahr wieder zahlreich unterstützt habt! Das Ganze macht es umso schöner, wenn zeitgleich zu unserem Titel in Köln durchsickert, dass auch unsere Freund*innen aus Bochum den Klassenerhalt geschafft haben. Und so hoffen wir, dass es auch am Ende der kommenden Spielzeiten heißt: 

Bayern ist Meister und Bochum bleibt drin. 

Die Bilder vom letzten Spieltag findet ihr hier

SV Werder Bremen – FC Bayern München 0:4

Wer glaubt, die neue Saison starte jedes Jahr erst Ende August mit dem Auftaktspiel des ersten Spieltags, irrt aber mal gewaltig. Bereits Monate vorher laufen die Köpfe in den Büros der DFL in Bezug auf die Erstellung des neuen Spielplans heiß. Die Wünsche von Polizei, Kommunen, Vereinen und wer sonst noch alles seinen Senf dazugeben möchte müssen berücksichtigt werden, Gefahren vermieden und vielleicht mit gewissen Ansetzungen auch ein wenig Spannung in der Endphase der Runde erzeugt werden. Da wird dann also monatelang getüftelt und seit über 15 Jahren eine speziell dafür entwickelte Software mit Datenmengen gefüttert. Diese erstellt dann Vorschläge, aber ganz wichtig – laut DFL – bleibt bei der endgültigen Entscheidung über die Ansetzungen und der Erstellung des Spielplans dann „der Faktor Mensch“. Wer oder was genau dieser „Faktor Mensch“ letztendlich auch ist, er kam schlussendlich auf die grandiose Idee, unser erstes Saisonspiel in Bremen stattfinden zu lassen. Auf einen Freitagabend und nachdem wir dort erst im Mai etwas mehr Zeit als eingeplant verbringen durften. Grund war seinerzeit bekanntermaßen die ausgiebige ID-Behandlung, denn knapp 1000 Jahre nach dem Bremer Brand wollte die Bremer Polizei die Schuldigen des Infernos vom Mai dieses Mal nicht ungeschoren davonkommen lassen. Rechtzeitig vor Beginn des Spieltags wurden dann angebliche Ermittlungen auch für das Hochhalten von Blockfahnen und weitere Schauergeschichten über das bevorstehende Spiel per Pressemitteilung publik gemacht, sodass neben Einschätzungen zum sportlichen Wert der Sommertransfers noch genügend Gesprächsstoff für die längste Auswärtsfahrt der Saison gegeben war. Diese wurde durch sommerlichen Freitagnachmittagsverkehr auch nochmal einen Ticken länger, sodass sich für unsere Verhältnisse erst recht spät alle an ihren Plätzen einfanden. Verpasst hätte man vor dem Spiel definitiv nichts, die stümperhaften Versuche der DFL und des DFBs ihren Veranstaltungen in den letzten Jahren irgendeine Art von glamourösem Showcharakter zu verleihen sorgten mal wieder allerhöchstens für Content auf Social-Media-Kanälen. Deutlich angemessener da das Verhalten der Ostkurve Bremen, wenn auch aus traurigem Grund. Mit Tobi verlor das UltrA-Team Bremen einen ihrer Mitstreiter viel zu früh und auch wir widmeten Tobi ein Spruchband. Ultras sterben nie! 

Trotz der beschriebenen, äußerlich eher ungünstigen Rahmenbedingungen gelang der Südkurve der Kaltstart im Gästeblock erstaunlich gut. Wobei Kaltstart nicht wörtlich zu nehmen ist, rann doch der Schweiß bei vielen bereits nach wenigen Minuten gen Unterrang. Auch wenn wir im Großen und Ganzen nicht komplett an den guten Auftritt vom letzten Mal herankamen, zogen über weite Strecken des Spiels die Meisten der mitgereisten Bayernfans doch gut mit. Ein Faktor für den guten Auftritt des Gästeblocks im Mai dürfte seinerzeit ohne Frage der gelungene Einsatz von etlichen Fackeln gewesen sein. Ob den Verantwortlichen der Bremer Polizei mittlerweile selbst ein Licht aufgegangen ist, dass sie vielleicht ein wenig überzogen haben, ist eher unwahrscheinlich. Ganz unkommentiert sollte der damalige Einsatz und die nun angedrohten scharfen Maßnahmen aber nicht bleiben, sodass begleitet von einem Spruchband mit einer einzelnen Fackel nochmal dargelegt wurde, dass es immer noch wir sind, die entscheiden, wann es brennt. Da bei solchen Entscheidungen eben keine Paragraphen sondern der berühmte „Faktor Mensch“ entscheidend ist, musste dieser nicht lange überlegen, um der Mannschaft bei einsetzender Dunkelheit zur zweiten Halbzeit nochmal richtig optisch einzuheizen. Man muss die Feste (oder Spiele) nun mal feiern wie sie fallen (oder eben angesetzt werden). Die Spieler ließen sich auch nicht wirklich bitten und netzten den Bremern recht locker vier Buden ein. Ob der Debuttreffer von Harry Kane nun der Auftakt zu lewandowskischen Sphären oder doch nur ein One-Hit-Wonder à la Mané war, wird sich zeigen, dass mit Mathys Tel aber ein junger Spieler traf, der zuletzt mit rassistischen Anfeindungen im Netz zu kämpfen hatte und sich sichtlich über die Unterstützung auf den Rängen freute, zauberte einem dann doch ein Lächeln aufs verschwitzte Gesicht. 

Hingegen überhaupt nicht erfreulich sind zwei Ereignisse, die in der ausgehenden Sommerpause europaweit Kreise gezogen haben. Der Tod zweier Fußballfans, die bei Auseinandersetzungen in Polen und Griechenland aufgrund des Einsatzes von Waffen ihr Leben lassen mussten, veranlasste bereits mehrere Kurven in Europa mit „KILLERS IN OUR MOVEMENT ARE KILLNG OUR MOVEMENT“ deutlich Stellung zu beziehen und auch wir schlossen uns dieser treffenden Aussage mit einem entsprechenden Spruchband an. Einen ausführlichen Text zu dieser Thematik findet ihr hier.

Durchgeschwitzt, ein wenig heiser und zufrieden mit dem wohl letzten Auftritt im Bremer Oberrang ging es nach Spielschluss Richtung Heimat. Nicht unerwähnt sollen dabei aber die Stadionverbotler bleiben, die auch in dieser Saison wieder weit vor den Toren ausharren müssen und die auch an diesem Freitagabend die neue Spielzeit einleiteten. 

DIFFIDATI CON NOI! FOREVER SÜDKURVE! 

Hier findet ihr die Bilder aus Bremen

ULTRA‘ SANKT PAULI

In der Sommerpause finden bekanntermaßen auch bei unseren Freund*innen regelmäßig Turniere und andere Veranstaltungen statt, so dass die spielfreien Wochen meist recht ausgefüllt sind. Auch dieses Jahr wurde das Antira wieder am Hamburger Millerntor ausgerichtet. Natürlich war auch eine große Anzahl FC Bayern Ultras dort vertreten und verbrachte mit den Freund*innen vom FCSP und den anderen Teilnehmer*innen ein paar schöne Tage im Viertel.

Zu unserem Kurt-Landauer-Turnier kamen dieses Jahr etliche Sankt Paulianer*innen weniger, als man das von vergangenen Turnieren gewohnt war. Grund war ein am gleichen Wochenende stattfindendes Freundschaftsspiel des FC St. Pauli gegen Hapoel Tel Aviv. USP beschloss, bei dem Spiel aufzutreten, da auch die befreundeten Ultras Hapoel anwesend waren. So machte sich eine Abordnung von USP auf den Weg in den Süden, und verbrachte ein super Wochenende mit uns auf dem Kurt.

Am 29.07. startete der FC St. Pauli mit einem Auswärtsspiel in Kaiserslautern in die Saison 2023/2024 – aufgrund einiger verpeilter Busfahrer etwas stressiger als geplant. Der geplante Freibadbesuch vor dem Spiel fiel dem Wetter zum Opfer und auch der als Alternative angedachte Kneipenbesuch konnte dank der Busfahrer und einiger Pannen nicht planmäßig stattfinden. Knapp 50 FC Bayern Ultras waren dabei, als wenigstens auf dem grünen Rasen alles wie geplant lief und mit einem 2:1 Auswärtssieg und 3 Punkten im Gepäck der Start in die neue Spielzeit alles in allem gut begann.

Das erste Heimspiel der Saison konnte zumindest aus den Reihen der Schickeria aufgrund zeitgleicher interner Gruppenveranstaltung niemand besuchen. Aus unserem Umfeld waren dennoch 10 Ultras vor Ort, welche teilweise mehrere Tage in Hamburg verbrachten und einem 0:0 Unentschieden gegen die Fortuna aus Düsseldorf beiwohnten.

Im DFB-Pokal hatte die Losfee den Braun-Weißen ein relativ nah gelegenes Auswärtsspiel im nur rund 130 km entfernten Delmenhorst beschert. 12 FC Bayern Ultras waren dabei, als der FC St. Pauli bei Atlas Delmenhorst mit einem 5:0 Sieg den Einzug in die 2. Pokalrunde klar machte. Wir sind gespannt, welchen Gegner die Losfee unseren Freund*innen als nächstes aus dem Hut bzw. der Lostrommel zaubert.

Das bisher letzte Pflichtspiel brachte den FC St. Pauli am vergangenen Samstag ins Frankenland zur SpVgg Fürth. Mittlerweile ist bekanntermaßen auch der FC Bayern in die Saison gestartet und gastierte am Freitagabend im Bremer Weserstadion. Zeitweise war es alles andere als sicher, dass wir es pünktlich zum Spiel nach Fürth schaffen würden. Eine relativ enge Kiste war es am Ende aber trotzdem. Aus dem Bremen-Bus ausgestiegen und direkt in die Autos eingestiegen, so düsten immerhin rund 40 FC Bayern Ultras ins Frankenland. Fast gar keinen Schlaf abbekommen und hochsommerliche Temperaturen im Gästeblock – gibt es etwas Schöneres, als da im Fürther Gästeblock zu stehen und mit den Freund*innen vom FCSP für die braun-weißen Farben zu singen? 😉 Auf dem Rasen erspielte sich die Mannschaft von Trainer Fabian Hürzeler an diesem Tag ein alles in allem leistungsgerechtes 0:0 Unentschieden.

Am Sonntag, wenn wir daheim gegen Augsburg spielen, empfängt der FCSP den Tabellenzweiten aus Magdeburg am heimischen Millerntor. Wir drücken die Daumen, dass hier der zweite Dreier der Saison eingefahren werden kann.

HORDA AZZURO JENA

Auch im Paradies ruhte das Leder während der Sommerpause nicht so ganz. Die Südkurve Jena lud zum Nico Hartmann Südkurve Cup, der jährlich zur Erinnerung an den verstorbenen Südkurven-Aktivisten Nico erinnert und gleichzeitig den Jenaer Gruppen und Fanclubs zur Vernetzung untereinander dient. Die Freunde aus nah und fern dürfen dabei natürlich auch nicht fehlen und so schnürten auch wir die Fußballstiefel. Bei Temperaturen wie im Glutofen scheiterten wir – wie so regelmäßig – allerdings vorzeitig im 9-Meter-Schießen und konnten uns ab da vollständig dem Getränkestand widmen, bei dem heute Wasser allerdings lange wesentlich stärker nachgefragt war als die sonst gängige Hopfenkaltschorle. 

Spannend ist am Südkurvencup neben des sportlichen Wettbewerbs auch stets das Begleitprogramm. Der Nico Hartmann Verein, in dem sich Freunde Nicos karitativ engagieren, stellt seine Aktivitäten vor. Aktuell unterstützen sie das Projekt „Wünschewagen“ des Arbeiter- und Samariter Bunds, das es schwerstkranken Menschen ermöglicht, nochmal einen Ausflug zu unternehmen. So konnte einem kranken FCC Fan in seiner letzten Lebensphase nochmal die Fahrt zu einem Auswärtsspiel ermöglicht werden. Den Wünschewagen gibt es übrigens in vielen Regionen Deutschlands (https://wuenschewagen.de/). Ein weiterer Programmpunkt ist darüber hinaus stets die Übergabe einer Spende an die Nachwuchsabteilung des FCC. Obwohl die Jugendmannschaften aus Jena regelmäßig starke sportliche Ergebnisse erzielen, hapert es teilweise an der Finanzierung, weshalb die Kurve das ganze Jahr über Becher sammelt, um die Mannschaften mit Ausrüstung unterstützen zu können. Diesmal wurde Equipment zum Tracking der Spielermetriken angeschafft. 

Zusätzlich konnten sich alle Besucher*innen dieses Jahr eine Ausstellung zur Geschichte der Südkurve anschauen. Weckte direkt Erinnerungen und regte natürlich auch bei uns alle Generationen, die die Freundschaft tragen zu einem munteren Austausch der Anekdoten an und war damit allein schon deshalb ein klarer Erfolg. Das letzte Kapitel rund um die Südkurve ist dabei auch sicher noch lange nicht geschrieben. Das Thema „Gäste in die Nord“, um eine Südkurve von Eckfahne bis Eckfahne in heimischer Hand zu sehen, wird bereits in Angriff genommen und wir drücken die Daumen. 

Hervorzuheben ist auch noch das kulinarische Angebot. Vom Frühstücksteller über Köfte, verschiedene vegane und vegetarische Angebote bis zur Sau vom Spieß war alles geboten. Vielleicht gibt es nächstes Jahr dann auch etwas Geräuchertes im Repertoire, unsererseits hatten wir nämlich einen Räucherofen als Gastgeschenk im Gepäck.

Am Abend nach der Siegerehrung schwangen wir dann noch die Tanzbeine. Der lokale Newcomer „Marktlücke Terrorzelle“ begann mit einer Darbietung klassischen Punks ehe es bei der französischen Band Skarface melodischer wurde und der Abend dann anschließend bei elektronischer Musik von Shake Well ausklang.

So richtig aus dem Feiern kam man in Jena aber gar nicht heraus, denn bereits eine Woche später hieß es 15 Jahre Sektion Weimar und in der Kulturstadt stieg somit gleich die nächste Sause. 

Leider stellte sich jetzt gerade zum Saisonstart eine kleine Feierpause ein, zumindest sportlich gibt es nicht viel zu bejubeln. Nach einem durchwachsenen Saisonstart mit zwei Unentschieden musste sich der als Thüringenpokalsieger qualifizierte FCC der Berliner Hertha recht deutlich in der ersten Pokalrunde geschlagen geben. 

An mangelnder Unterstützung hat es dabei sicher nicht gelegen und im Vorfeld war in Jena auch die typische Euphorie vor großen Spielen zu spüren. Die Südkurve rief zum großen Pokalmarsch auf und am Ende sollten sich um die 800 FCC-Fans für den gemeinsamen Weg zum Stadion einfinden. Leider nutzten die Behörden den Marsch mal wieder um ihre Muskeln spielen zu lassen oder um es etwas plumper zu sagen für einen Schwanzvergleich und machten enge Vorgaben, was die Route zum Stadion angeht. Dass sie den Haufen damit exakt zur Ankunft des Zuges mit den Herthafans am Bahnhof vorbeiführten, entbehrt sicherlich nicht einer gewissen Ironie. Oder vielleicht war es auch Absicht und man hoffte auf eine Eskalation. Sonst würde vielleicht ja auch irgendwann mal jemand nachfragen, wieso man für dieses Spiel einen Wasserwerfer aufgefahren hat. 

Nun ja, passiert ist mal wieder nichts und der restliche Tag ist auch schnell erzählt. Sportlich war der Klassenunterschied deutlich, auf den Rängen weniger. Die Fans der Hertha weihten den neuen Gästeblock mit einem mittelmäßigen Auftritt ein. Bemerkenswert sicherlich, dass sie direkt einmal die hintere Wand des Blocks mit einem Graffiti schmückten. Gute Aktion. Ansonsten testeten sie auch mal den Zaun auf Stabilität und nach ein wenig Gepöbel mit der Haupttribüne flog dann auch das Fluchttor auf und es gab ein bisschen Tumult im Innenraum. Man möchte ja fast schon sagen, dass das zu einer ersten Pokalrunde in Jena auch dazugehört.

Wir nutzen dann die Chance, uns noch für die Gastfreundschaft bei all den Veranstaltungen und Spielen zu bedanken. Auch nach vielen Jahren des gemeinsamen Weges ist das keine Selbstverständlichkeit.

CARL ZEISS JENA UND DER FC BAYERN – WEILS EINFACH NUR ZUSAMMEN VORWÄRTS GEHT

ULTRAS BOCHUM 99

Die letzte Saison endete für den VfL mit einem echten Herzschlagfinale. Erst im letzten Saisonspiel Zuhause gegen Leverkusen konnte der Klassenerhalt in der Bundesliga gesichert werden. Die Freude war in der ganzen Stadt zu spüren, sah es doch lange eher nach Abstieg aus. 

Der FC Bayern ist Meister und Bochum bleibt drin, dödöp dödöp dödöpdödöpdödöp 😉

In der Sommerpause gab es auch wieder eine weitere Auflage des Ostkurve Bochum Sommercups. Dieser war dieses Jahr sehr gut besucht und so konnten wir bei bestem Wetter und kühlem Bier einen geilen Tag mit unseren Freund*innen verbringen. Sportlich konnten wir beim Kleinfeldturnier leider nicht wirklich überzeugen. Dafür jedoch umso mehr am Tresen, sodass wenigstens ein Titel mit nach München genommen werden konnte. Auch beim Kurt-Lander-Turnier konnten wir einige Gäste aus Bochum empfangen und die gemeinsame Zeit genießen.

Aus der Ostkurve Bochum gibt es zudem noch neues, so hat sich in der Sommerpause eine neue Gruppe gebildet. Unter dem Namen Ruhrstadtkollektiv (RSK) wird ab dieser Saison eine neue Fahne neben Ultras Bochum in der Ostkurve und bei Auswärtsspielen hängen.

Der Saisonstart verlief für den VfL aus Bochum leider alles andere als gut. Zuerst schied man, begleitet von rund 4000 Bochumer*innen, in der ersten Pokalrunde in Bielefeld aus und letzte Woche setzte es obendrauf noch eine deutliche 5:0 Auswärtspleite beim VfB Stuttgart. An diesem Wochenende steht im ersten Heimspiel gleich das Derby gegen die Schwarz Gelben aus der Nachbarstadt an, wo hoffentlich der erste Dreier der Saison eingefahren werden kann. Mehr dazu gibt’s im nächsten Bericht. Es bleibt sehr spannend wie das Dritte Jahr im Oberhaus für den VfL verläuft und wir hoffen natürlich, dass die Saison wieder mit dem Klassenerhalt beendet werden kann.

Bayern & der VfL, zusammen erstklassig!

ULTRAS EMPOLI

Empoli konnte sich in der abgelaufenen Saison frühzeitig den Klassenerhalt sichern, sodass es bei den letzten Spielen sportlich um nichts mehr ging.

Die letzten beiden Spiele wurden jeweils von einer Abordnung an FC Bayern Ultras besucht. Zum einen das Auswärtsspiel bei Hellas Verona, bei welchem auch Empoli nach der Last-Minute-Meisterschaft des FC Bayern in Köln den 5 immer noch im Siegesrausch befindlichen Bayern-Ultras sowie dem ganzen Gästeblock ebenfalls einen Treffer in der Nachspielzeit schenkte, wenn auch nur zum Ausgleich. Ausgiebig bejubelt wurde das Ganze trotzdem, ebenso wie der auf der Rückfahrt im Radio angehörte doch-nicht-Aufstieg des HSV in Sandhausen.

Zum anderen wurde auch der letzte Spieltag gegen Lazio von einer Autobesatzung besucht, welche das ganze Wochenende vor Ort war und bestens mit Speis und Trank, manchmal vielleicht auch etwas sehr viel Trank, versorgt wurde. Zum Spiel gab es von Empoli eine Choreo in Form einer Blockfahne mit Empoli-Schriftzug und bekannten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Lazio hatte ein Chaos-Intro mit vielen Schwenkfahnen und Rauch dabei.

Nach dem Spiel wurde nochmal der Klassenerhalt vor einer Bar mit vielen Gesängen und Pyro gefeiert, ehe die Sommerpause anstand.

Diese verlief nicht völlig ereignislos, so organisierten die Ultras Empoli eine Feier, um die Kosten eines Verkehrsunfalls auf der Auswärtsfahrt nach Mailand abzudecken (Bericht hierzu siehe Südkurvenbladdl gegen Hertha vom 30.04.2023).

Auch am Kurt-Landauer-Turnier war Empoli erstmalig nicht nur als Kontakt, sondern als offizielle Freundschaft zu Gast. Im Feiern wie immer ganz oben dabei, war fußballerisch bereits nach der Vorrunde Schluss.

In der Sommerpause absolvierte der Verein ein Trainingslager in Deutschland, wobei unter anderem auch ein Testspiel in Freiburg stattfand, welches von der Szene besucht wurde.

Die ersten beiden Pflichtspiele der neuen Saison verliefen leider wenig erfolgreich, so schied man im Pokal zuhause gegen Zweitligist Cittadella aus und auch im ersten Ligaspiel verlor man zuhause gegen Hellas Verona mit 0:1. Es scheint eine sportlich schwierige Saison zu werden, zumal der beste Spieler der Vorsaison, Torwart Vicario, an dem zwischenzeitlich auch Bayern interessiert war, nach Tottenham gewechselt ist.

Beim folgenden Auswärtsspiel in Monza (nach Redaktionsschluss) stand unser erster Besuch in der neuen Saison an, wie es gelaufen ist, lest ihr im nächsten Bericht.

Was hier und da passiert

Griechenland/Kroatien

Wie an anderer Stelle in dieser Ausgabe des SKB schon erwähnt, wurde im Vorfeld des Champions-League Quali Spiels von Dinamo Zagreb bei AEK Athen vor einigen Wochen ein junger Anhänger von AEK Athen kaltblütig erstochen. 

Obwohl Gästefans verboten waren, machten sich über 100 Fans aus Zagreb auf den Weg nach Athen. Die Bad Blue Boys Zagreb verbindet seit 2010 eine enge Freundschaft zum Gate 13 Panathinaikos, erbitterter Stadtrivale von AEK. Erwartbar kam es zu schweren Auseinandersetzungen, in denen der junge Michalis Opfer eines Messerangriffs wurde. Täter war hierbei vermutlich ein Grieche. Sowohl in Kroatien als auch in Griechenland werden Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans, politischen Gegnern und gegen die Bullen deutlich brutaler und abgebrühter geführt, als das hierzulande der Fall ist, somit ist es letztendlich nur folgerichtig, dass es bei Auseinandersetzungen hin und wieder zu Schwerverletzten oder sogar schlimmerem kommt. Alleine in Thessaloniki gab es in den letzten drei Jahren drei Tote im Rahmen von Fußballauseinandersetzungen. Dass es hierzulande niemals soweit kommen darf, sollte allen klar sein und wurde schon von einigen Fanszenen – unter anderem von uns letzte Woche in Bremen – durch Spruchbänder unterstrichen. Den Slogan hierfür setzten mit „Killers in our movement are killing our movement” die Ultras Rapid.

Dass der Mord auch innerhalb Griechenlands nicht folgenlos bleiben würde, war ebenso erwartbar. Der griechische Ministerpräsident Mitsotakis, übrigens selbst alles andere als ein Unschuldslamm, so ließ er mutmaßlich einen hohen Oppositionspolitiker und einen Journalisten überwachen bzw. verhinderte zumindest die Überwachung nicht und setzt sich für eine Abschottung Europas ein,traf sich mit ranghohen Vertretern des Fußballs, unter anderem UEFA-Präsident Ceferin. Alle Fanclubs außer einem offiziellen, der strukturell an den Verein gebunden ist, sollen verboten werden und die Polizei weitere Kontrollbefugnisse innerhalb der Stadien erhalten. Inwieweit diese Forderungen wirklich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Auch was mit den dutzenden Kroaten passiert, die noch in Athen in Haft sitzen und sich wohl zum Teil vor Racheakten in den griechischen Gefängnissen fürchten, ist derzeit unklar.

Kiel

In der zweiten Bundesliga gastierte am letzten Samstag der 1. FC Magdeburg im hohen Norden bei Holstein Kiel. Nachdem der FCM in einem torreichen Spiel die drei Punkte klargemacht hatte, kam es zu einer großangelegten Kontrolle von ca. 280 Fans des 1. FC Magdeburg. Die Abreise vieler Anhänger*innen vom Stadion verzögerte sich, sodass die schon am Bahnhof anwesenden Fans mit der Abfahrt des Zuges auf die anderen Clubfans warten wollten – im Gegensatz zur Polizei. Diese versuchte die wartenden Fans mit Gewalt in den Zug zu drängen. Aus diesem Gemenge entstand eine Auseinandersetzung, in deren Folge vier Polizeibeamt*innen verletzt worden sein sollen. Anstatt aber bei passenderer Gelegenheit auf die vermeintlichen Täter zuzugreifen entschied sich die Polizei, alle Anwesenden über Stunden hinweg zu kontrollieren, darunter logischerweise zum ganz überwiegenden Teil Personen, die sich nichts zu Schulden kommen lassen haben. Ähnlich wie beim Polizeieinsatz nach unserem Spiel letzte Saison in Bremen, bei dem Polizist*innen zu Dutzenden im örtlichen McDonalds „ausharrten“ und fressend den vermutlich üppigen Wochenendbonus einstrichen, nutzten auch in Kiel eingesetzte Beamt*innen die gewonnene Zeit für private Zwecke. So schoss ein Polizist, der das Gleisbett blockierte, fröhlich in die Kamera lächelnd ein Selfie mit einem Kollegen – cheers!

Augsburg

Das USK hat sich mal wieder in die Schlagzeilen gemausert. Kurz vor Abpfiff des Spiels der Borussia aus Mönchengladbach in Augsburg löste sich ein Schuss aus der Waffe eines USK-Beamten und schlug in den Transporter des FPMG Supporters Club ein. Dabei wurden vier Beamt*innen leicht verletzt. Zum Zeitpunkt des Schusses befanden sich zum Glück keine Insassen im getroffenen PKW. Natürlich können Unfälle und Missgeschicke mal passieren, wenn man aber Menschen mit der Macht ausstattet, eine geladene Waffe zu tragen, darf man erwarten, dass diese auch sorgsam damit umgehen und jederzeit die Sicherheit aller Personen gewährleistet ist. Ein weiterer Beweis dafür, dass das berühmt-berüchtigte USK keine Sicherheit schafft, sondern Personen, die mit ihm zu tun haben, gefährdet.

Interview Kerem Schamberger

In dieser Ausgabe möchten wir mal wieder einen kleinen Blick über den Tellerrand und den Kosmos Fußball hinaus wagen und haben dafür mit Kerem Schamberger über die aktuelle Lage in Rojava, einer selbstverwalteten autonomen Region in Nordostsyrien, gesprochen. Kerem ist Referent für Migration und Flucht in der Öffentlichkeitsarbeit von medico international und politischer Aktivist aus München und war als Referent zu Gast auf unserem Kurt-Landauer-Turnier.

Wo ist Rojava und wer lebt dort?

Rojava ist eine Region, die im Nordosten Syriens an der 800 km langen Grenze zur Türkei liegt. Rojava ist ein politischer Begriff und heißt auf kurdisch „dort wo die Sonne untergeht“, der offizielle Name für dieses Gebiet ist allerdings Autonome Administration Nord- und Ostsyrien. Für diesen doch etwas bürokratischen Begriff wurde sich entschieden, da ein rein kurdisches Wort nicht die kulturelle Diversität der Region widerspiegeln würde, so leben dort viele unterschiedliche Bevölkerungsgruppen neben den Kurd*innen, von Araber*innen, über Assyrer*innen und Armenier*innen bis hin zu Jesid*innen.

Wie gestaltet sich das Zusammenleben zwischen diesen Gruppen?

Natürlich gibt es auch Gruppen, die der kurdischen Freiheitsbewegung, die den gesellschaftlichen Veränderungsprozess anführt, kritisch gegenüberstehen. Dies war besonders zu Beginn der Revolution der Fall, die sich übrigens am 19.7.2023 zum 11. Mal jährte. Zum Beispiel profitierten besonders assyrische Christ*innen von der Herrschaft Assads, während der sie quasi alle hohen politischen und wirtschaftlichen Posten bekleideten. Mit dem Rückzug des Regimes entstand natürlich die Angst, diese Privilegien zu verlieren. Jedoch merken die Betroffenen immer mehr, dass Rojava ein inklusives Projekt ist in dem Menschen trotz unterschiedlicher Haltungen und Meinungen willkommen sind, sodass Animositäten und teils sogar Feindschaften immer weiter abgebaut werden. 

Auf der anderen Seite gibt es auch kritische Stimmen aus der arabischen Bevölkerung. In den 1960er Jahren betrieb die in Syrien regierende Baath-Partei eine Politik des arabischen Gürtels: um die kurdische Bevölkerungsmehrheit in Nordsyrien zu brechen, wurden arabische Großfamilien zwischen kurdischen Dörfern und Siedlungen angesiedelt, die traditionell sehr konservativ eingestellt waren und teils eng mit dem Regime verbandelt waren. Daher sind sie der kurdischen Freiheitsbewegung gegenüber durchaus skeptisch gesinnt, wobei es in letzter Zeit immer mehr gelingt, diese Vorurteile peu-a-peu abzubauen und ein friedliches, gleichberechtigtes Zusammenleben aufzubauen.

Was macht dieses Gebiet so besonders?

Für die politische Linke ist dieser Ort von so großer Bedeutung, da dort der Beweis erbracht wird, dass gesellschaftliche Strukturen menschengemacht sind und dementsprechend auch in progressiver Weise verändert werden können. Das Zusammenleben dort findet jenseits von kapitalistischem Konkurrenzzwang und Profitlogik und der Einteilung von Gut und Böse entlang ethnischer Konfliktlinien statt. Es wird versucht, das Leben jenseits von staatlicher Autorität zu gestalten und eine aAlternative Art und Weise des Wirtschaftens sowie der politischen Organisation zu etablieren. Die Menschen kommen in einer Art Rätesystem zusammen und entscheiden gemeinsam über Fragen, die ihr Leben ganz konkret betreffen. Von der Müllentsorgung bis hin zu Fragen, was man mit einem Mann in der Nachbarschaft macht, der seiner Frau gegenüber gewalttätig ist. Es geht vor allem darum das eigene Leben in die Hand zu nehmen.

In deutschen Medien liest man manchmal davon, dass die Türkei in diesem Gebiet militärisch aktiv ist und immer wieder Angriffe fliegt. Wieso ist das der Fall, handelt es sich bei Rojava doch um ein progressives Projekt?

Das Projekt „Rojava“ wird ganz entschieden von der kurdischen Freiheitsbewegung vorangetrieben, also allen politischen Gruppen, die sich ideologisch auf die Weltanschauung von Abdullah Öcalan (philosophischer Vordenker der kurdischen Freiheitsbewegung, Gründungsmitglied der PKK, Anm. d. Red.) beziehen. Die Türkei sieht jegliche kurdische Autonomiebestrebungen, also nicht nur solche in Syrien, sondern zum Beispiel auch im Nordirak, als Gefahr für die nationale Sicherheit an. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen, der wichtigste ist jedoch vielleicht, dass in der Türkei selbst 15-20 Millionen Kurd*innen leben und die türkische Regierung fürchtet, dass auch dort Bestrebungen hin zu einer Dezentralisierung des Staates und einer stärkeren lokalen Selbstverwaltung entstehen könnten. Dies steht in starkem Widerspruch zum von der AKP (rechtspopulistische Partei des amtierenden türkischen Präsidenten Erdogan, Anm. d. Red.) und anderen Nationalist*innen propagierten homogenen Identität des türkischen Staates, also der Vorstellung einer Vormachtstellung von sunnitischen, türkischen Männern, in der so etwas wie eine kurdische Identität seit der Republikgründung vor 100 Jahren keinen Platz hat.

Wie gestaltet sich dort die aktuelle Situation?

Assad ist militärisch zu schwach, um die Gebiete zurückzuerobern. Es ist jedoch besorgniserregend, dass in den letzten Monaten eine Annäherung zwischen türkischem und syrischem Regime staattgefunden hat und damit einhergehend natürlich die Gefahr besteht, dass sie ihre Kräfte bündeln könnten, um das Projekt Rojava zu beenden. Obwohl immer wieder betont wird, dass es nicht das Ziel ist, sich von Syrien abzuspalten und einen eigenen Staat zu errichten, sondern ein Teil eines demokratischen, multikulturellen Syriens zu sein, ist die Autonomieregion Diktator Assad ein Dorn im Auge.

Der IS ist nicht mehr, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war, als Territorialmacht vorhanden, aber er ist im Untergrund sehr aktiv in Form von Schläferzellen. Immer wieder werden von ihnen Anschläge oder Angriffe auf die syrisch-demokratischen Kräfte (Militärkoalition bestehend aus verschiedenen Einheiten, die ein säkuläres, demokratisches und föderales Syrien anstreben, Anm. d. Red.) verübt. 

Aktuell befinden sich in notdürftigen Gefängnissen mit schwieriger Menschenrechtslage etwa zehntausend IS-Kämpfer aus der ganzen Welt, auch aus Deutschland. Die Verwaltung der Autonomieregion ist überfordert, wie sie mit einer solchen Zahl hochgefährlicher und gut ausgebildeter Terroristen umgehen soll. Schon allein finanziell ist das eine immense Belastung Immer wieder gibt es auch Versuche besagter Schläferzellen die Gefängnisse anzugreifen und Gefangene zu befreien. Für die Region ist das ein massives Problem, das natürlich auch Gelder bindet, die an anderer Stelle fehlen. Der Westen lässt die Region hier ganz massiv im Stich, indem er sich weigert, Personen mit entsprechender Staatsbürgerschaft zurückzuholen und sorgt somit auch nicht für eine Verbesserung der Situation.

Vor einigen Wochen wurde nun bekannt, dass es nächstes Jahr zu Verfahren gegen die Inhaftierten kommen könnte, die vor Ort vor Gericht gestellt werden sollen. Teilweise sitzen diese seit mehreren Jahren ohne ein Urteil dort ein, was natürlich ein rechtsstaatliches Problem darstellt. Aus den genannten Gründen ist es aber auch sehr schwer, die Situation zu verbessern. Es wurden auch Aufrufe an die internationale Gemeinschaft gestartet, diese Verfahren zu begleiten und sowohl finanziell als auch mit Rechtsexpertise Hilfe zu leisten.

Trotz all dessen wird die kurdische Bewegung in Deutschland kriminalisiert. Wie und warum findet diese Kriminalisierung statt?

Zum Beispiel gab es seitens des Innenministeriums den Versuch, das Zeigen des Symbols der YPJ/YPG (kurdische Frauenverteidigungseinheiten und Teil der syrisch-demokratischen Kräfte, Anm. d. Red.), die vom Westen – auch von Deutschland – unterstützt wurden und maßgeblich dazu beitrugen, dass der IS militärisch besiegt werden konnte, zu verbieten. Es gab viele Hausdurchsuchungen und es wurden viele Verfahren wegen des Zeigens dieses Symbols eröffnet. Dieser Versuch ist aber im Dezember 2020 vorm Oberlandesgericht München gescheitert.

Grund für das Verbot war das rechtliche Konstrukt, dass die Menschen diese Fahne nur zeigen würden, weil sie eigentlich die Fahne der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans, die in Deutschland als Terrororganisation verboten ist, Anm. d. Red.) zeigen wollen würden und die der YPG nur als Ersatzsymbol diene. Diese wirre Begründung wurde dann, wie schon erwähnt, berechtigterweise vom OLG für unzureichend erklärt, womit das Tragen der YPG-Fahne in Bayern und darüber hinaus wieder erlaubt ist.

Wie kann man sich von und innerhalb Deutschlands für Rojava bzw. die autonome Administration Nord- und Ostsyrien einsetzen? 

Leider kennt ihr euch ebenso wie kurdische Aktivist*innen ja auch damit aus, wie es ist, vom Staat kriminalisiert zu werden. Momentan sitzen zwölf kurdische Aktivist*innen in deutschen Gefängnissen, es werden dutzende verfolgt und es laufen hunderte Verfahren. Zu dem Thema, wie kurdische Aktivist*innen in Deutschland verfolgt werden, habe ich mit anderen zusammen auch ein Buch geschrieben, welches Ende Oktober erscheint. 

Hier ist in erster Linie Solidarität gefragt. Geht in kurdische Vereine, fragt, wo man zusammenarbeiten kann, tragt dieses Thema in die Öffentlichkeit, ins Stadion. Hier kann man insbesondere auch die Probleme thematisieren, vor die kurdische Aktivist*innen seitens des deutschen Staates tagtäglich gestellt werden.

Termine

Sonntag, 27.08.2023 (17:30 Uhr): FC Bayern – FC Augsburg
Samstag, 02.09.2023 (18:30 Uhr): Borussia Mönchengladbach – FC Bayern
Freitag, 15.09.2023 (20:30 Uhr): FC Bayern – Bayer 04 Leverkusen