Diesmal bescherte uns die Losfee die Ukraine. Normalerweise eine richtig interessante Destination, unter den momentanen Vorzeichen blieben dann aber doch ein paar Fragezeichen stehen. Im Winter in der Ukraine? Brauchen wir da noch eine Bärenfellmütze und Thermounterwäsche? Und viel wichtiger: Wie sicher ist denn, ob das Spiel auch wirklich in Lemberg ausgetragen wird? Als sich zwei Wochen vor Abreise die Kampfhandlungen im Osten der Ukraine wieder intensivierten, hielten viele eine Verlegung in ein anderes Land gar nicht mehr für unwahrscheinlich. Meldungen von Angriffen auf St. Etienne-Fans beim letzten Vorrundenspiel in Kiew mit Schreckschusswaffen, Messern und Eisenstangen warfen darüber hinaus die Frage auf, mit was wir in Lviv so zu rechnen haben würden. Dass Gästefans da nicht per se willkommen sind, wussten wir ja schon von den Erlebnissen der Dortmunder und auch von Berichten aus Bilbao. Am Ende war dann aber alles wieder FC Bayern-like. Das Phänomen, im Europapokal seit Jahren ohne größeren Ärger durch die Lande zu reisen, hat weiterhin Bestand.
Der Großteil der Fanszene und unserer Gruppe reisten, wie es sich für Europapokal auswärts gehört, mit dem Bus an. Auch wenn die Ukraine für uns kein alltägliches Reiseziel ist, liegt Lviv ja eigentlich nur ums Eck und zumindet die Grenze zur Ukraine ist nach dem Ausbau der polnischen Infrastruktur im Zuge der Euro 2012 eigentlich auch ohne Ritt über allzugroße Holperstrecken erreichbar. Gleichzeitg konnte man mal wieder feststellen, dass es wirklich ein Luxus ist, im Herzen von Europa zu leben. So haben die Kontrollen an einer Landgrenze für viele von uns schon einen kleinen Abenteuercharakter. Über Wartezeiten von bis zu vier Stunden kann man sich dann beklagen, man kann es aber auch lassen und den ukrainischen Zöllnern ihre Mittagspause gönnen.
Schade war es allerdings wirklich um jede Minute weniger in dem netten Städtchen. Lviv ist definitv eine Reise wert und auch die Brauhäuser, Kneipen und Restaurants wussten den Europapokalreisenden zu überzeugen. Das Preisniveau ist für uns natürlich lächerlich niedrig. Bei aller Freude darüber sollte man aber auch nicht vergessen, dass die Einheimischen am Währungsverfall stark zu knabbern haben und man mit einem ukrainsichen Durchschnittslohn keine großen Sprünge machen kann, sondern schauen muss, dass jeden Tag etwas Gescheites zu Essen auf den Tisch kommt. Einige Lemberger versuchten deshalb auch ihr Gehalt mit dem Weiterverkauf von Eintrittskarten aufzubessern. Obwohl viele Bayernfans ohne Ticket angereist waren, hielten sich die Gewinnspannen für die Händler in Grenzen. Die Goldgräberstimmung hatte etwas überhand genommen und so waren doch relativ viele Karten auf dem Markt, was die Preise in überschaubarem Rahmen hielt.
Zwei Kneipen hatten als große Anlaufpunkte während der paar Stunden Aufenthalt gedient und eine davon gab dann den zentralen Treffpunkt, von wo es nach dem obligatorischen Gruppenfoto mit einem kurzen Marsch im Bengalenschein zu den angebotenen Shuttlebussen ging. Geschenkt, dass es nicht ganz so gut funktionierte, wie vorher angekündigt, auch wenn es nach einer Wartezeit von einer Stunde doch so kühl wurde, dass man abwägen musste, ob man lieber vom Laden nebenan noch ein Bier holt, oder die Hände doch lieber in der Jackentasche lässt. Etwas aufgesplittet trudelte der Haufen dann aber doch nach und nach an dem ewig vor den Toren der Stadt gelegenen Neubau ein. Die Dortmunder hatten noch das Glück, in der alten Rumpelbude zu kicken. Wir mussten mit der sterilen Euro-Arena vorlieb nehmen. Daher gibt es über das Stadion auch nicht viel berichtenswertes.
Im Inneren zeigte sich dann, was Sportveranstaltungen für ein Land, dass sich im Krieg befindet, für eine Bedeutung haben können. Man sah Fanartikel vieler ukrainischer Vereine, die blau-gelbe Flagge war allgegenwärtig und zum Ende der ersten Halbzeit sang das ganze Stadion die Nationalhymne. Das Fußballspiel wurde genutzt, um den eigenen Patriotismus zur Schau zu stellen. Für uns eine eindrückliche und interessante Erfahrung.
Die eigentlichen Fans von Shakhtar, die uns gegenüber hinter ihren Zaunfahnen standen, machten sich nur einmal kurz zu Spielbeginn bemerkbar, auch wenn ansonsten öfters das ganze Stadion die Heimmanschaft mit Schlachtrufen und Hüpfeinlagen unterstützte. Es gibt aber auch einfach wichtigeres, wenn die eigene Heimatstadt gerade umkämpft ist, bzw. einfach zerschossen wurde.
Leider viel zu oft wird auch uns in letzter Zeit die Nebensächlichkeit des Fußballs aufgezeigt. Aufgrund des Todes eines uns nahesteheden Menschen hing über den Fahnen der Gruppen der Südkurve ein schwarzes Band. Wir sind mit Euch!
Die Stimmung passte sich im Gästeblock dem Wetter an. Es wurde zunehmend frostig. Abgesehen von der Anfangsphase und ein paar Lichtblicken war das nicht wirklich unser Europapokal-Standard. Aber gut, solche Tage wird es immer geben. Ein paar Lieder wie zB. Das „Ist der Weg nicht so weit“ am Ende kamen ja trotzdem gut und lautstark rüber. Es fehlte halt die Konstanz.
Das Spiel auf dem Rasen konnte derweil die Gemüter auch nicht erwärmen. Wir waren zwar eindeutig überlegen, konnten die Abwehrformation Donezks aber nur selten mal in Bedrängnis bringen. Die Ukrainer strahlten selbst jedoch auch keine große Torgefahr aus. Im Rückspiel wird das schon eine klare Sache für uns werden.
Im Anschluss an die 90 Minuten erwartete uns dann die obligatorische Blocksperre. Das Thermometer war mittlerwiele weit unter 0 gefallen und ein sportlicher Ostwind ließ die gefühlte Tempratur nochmal weiter abfallen. Kommt man aus der nördlichsten Stadt Italiens, wurde es nach ca. 20 Minuten beinahe unerträglich kalt. Seltenst so gefroren. Die ukrainischen Gendarmen hatten dann aber auch bald ein Einsehen mit uns verweichlichten Westeuropäern und öffneten die Tore zu den Bussen. Ab nach Hause in den Sunshine State Bavaria.
Vielen Dank auch an unsere Freunde aus Jena und St. Pauli, die uns in die Ukraine begleitet haben.
Bilder vom Spiel in Lemberg gibt es hier.