NullAchtNeun statt 08/15: Kommentar zur Saisonvorbereitung des FC Bayern

Die Euro 2012 liegt gerade hinter uns. Spanien hat den historischen dritten Titel in Folge eingefahren und aus Tika-Taka-Fußball ist angeblich Tika-Takanaccio geworden. Die Bundesligatrainer haben sicher die Spiele aufmerksam verfolgt und werden eventuell versuchen, auch ihrer eigenen Mannschaft manche beim Turnier beobachtete taktische Raffinesse beizubringen. Die Grundlagen hierzu werden in den kommenden Wochen geschaffen werden. Die Sommerpause wird genutzt, um konditionelle Grundlagen zu schaffen, neue Spielzüge einzuüben, die taktische Bandbreite einer Mannschaft zu erweitern und Neuzugänge zu integrieren.

Dabei verfolgt sicher jeder Trainer seinen eigenen Stil. Die Philosophien gehen auseinander und für uns Laien ist es wohl oft schwer zu beurteilen, welche die richtige ist. Der eine Trainer arbeitet gerne abgeschottet von der Öffentlichkeit, der nächste liebt das Rampenlicht des öffentlichen Trainings und wiederum ein anderer lässt seine Spieler neue Variationen am liebsten unter Wettkampfbedingungen trainieren und sucht deshalb hochkarätige Testspielgegner.

Unser Chefcoach Jupp Heynckes gilt nicht nur als Trainer der alten Schule, sondern fällt zusätzlich sicher in letztgenannte Kategorie. Für uns Fans nicht unbedingt eine unangenehme Sache. Testspiele verkürzen etwas die Wartezeit bis die Bundesliga wieder beginnt. Wir können herrlich die ersten Schritte der Zugänge im geliebten Trikot beobachten und der ambitioniertere Fußballfan kann vielleicht sogar ein paar neue Stadien kreuzen.

Trotzdem lässt uns der Fahrplan unseres großen FC Bayern mit der Stirn runzeln. Laut Medienberichten stoßen unsere deutschen Nationalspieler erst nach dem Trainingslager in Arco wieder zur Mannschaft. In dieser Woche steht eine von unserem Automobilpartner gesponserte Reise nach China an. Es geht für unsere Nationalspieler direkt auf einen ca. zehnstündigen Flug nach Peking inklusive Jetlag und den üblichen Reisestrapazen. Abflug soll wohl am Sonntag sein, das erste Testspiel gegen einen lokalen Gegner bzw. Lokalauswahl ist für Dienstag angesetzt. Zwei Tage später tritt unsere Elf in Guangzhou gegen den VfL Wolfsburg an. Guangzhou und Peking trennen über 2000 Kilometer, etwas mehr als drei Flugstunden. Nach dem Test gegen die Wölfe geht’s zurück nach Deutschland. Zehn Stunden Flug, 8 Stunden Zeitverschiebung. Ich denke, viele wissen, dass man sich nach längeren Reisen gerne mal ausgelaugt fühlt, selbst wenn wie beim FC Bayern stark auf den Komfort geachtet wird. Freitags könnte man mit gutem Willen sicher nochmal an der Säbener trainieren, ob’s der Regeneration so förderlich ist, müssen die Experten im Trainerstab beantworten.

Danach folgen Testspiele im 3-Tages-Takt. Der sportliche Wert lässt sich dabei zumindest im Falle des Kicks gegen ein Brauerei-DreamTeam und die SG Sonnenhof-Großaspach in Frage stellen. Beim 2×30 Minuten Cup in Hamburg misst man sich zumindest mit Gegnern aus der Bundesliga, aber auch die Anreise nach Hamburg ist mit einem gewissen Reisestress verbunden. Darauf folgt das Supercup-Spiel gegen den Noch-Meister aus Dortmund. Die nächste Woche steht Jupp Heynckes dann komplett testspielfrei zur Verfügung, bevor wir gegen den Jahn aus Regensburg unser erstes Pflichtspiel bestreiten müssen.

Wir alle wissen, dass man im modernen Fußball auch auf die Interessen von Sponsoren eingehen muss. Wir verstehen auch, dass die Funktionäre auf die Attraktivität des eigenen Vereins im Ausland achten wollen und im Reich der Mitte trotz der berühmt-berüchtigten chinesischen Kopierkultur ein Original-Trikot des FCB zum Statussymbol werden könnte. Wir wissen auch, wie lange andere europäische Topteams teils um die Welt tingeln. Ob unsere Spieler die Test- und Promotionbegegnungen vielleicht als nettes Ausbrechen aus der Trainingsmonotonie empfinden, können wir hingegen nicht beantworten.

Wir können nur sagen, wie es auf uns wirkt: Eine lange Reise direkt zum Trainingseinstieg der Nationalspieler und eine ganze Reihe von Test- und Promotionspiele gegen zum Teil deutlich schwächere Gegner lassen uns zweifeln, ob eine Mannschaft eine vernünftige Saisonvorbereitung spielen kann. Wir fragen uns, ob es für die Nationalspieler nicht besser wäre nach ihrer recht kurzen Regenerationsphase erstmal wieder geordnet in den Trainingsbetrieb einzusteigen und nicht in der ersten Woche gleich drei Flugreisen und zwei Testspiele zu absolvieren. Wir fragen uns, ob der „alle drei Tage ein Spiel“-Rhythmus nicht noch früh genug beginnt? Wir fragen uns, ob wir hier nicht einem krassen Paradox begegnen. Einerseits ist das Geld der Sponsoren wichtig für den sportlichen Erfolg, andererseits kann eine Vorbereitung, die sich stark nach den Interessen der Sponsoren und der Präsentation des eigenen Vereins als Weltmarke ausrichtet, aber auch den sportlichen Erfolg gefährden. Wir sehen hier auch einen Unterschied darin, ob man nach Saisonende nochmal für eine Woche nach Asien hoppt und dort quasi zum Anschluss nochmal ein paar leichte Einheiten und Testspiele absolviert, oder ob man solche Trips in die intensive Phase der Saisonvorbereitung einbaut.

Wir fragen uns, ob die Saisonvorbereitung nicht zu viel des Guten darstellt und man vor allem die Chinareise nicht auf das Ende der nächsten Saison hätte verschieben sollen, zumal man sich dieses Jahr ja bereits gemeinsam mit seinem Automobilpartner auf dem indischen Markt präsentiert hat?

Eine Antwort auf diese Fragen werden wir wohl erst im Mai 2013 bekommen. Unsere Bedenken wollten wir aber heute schon äußern.