Neues von unseren Freunden

ULTRA‘ SANKT PAULI:


Unser Rückrundenauftakt in Bremen und der Rückrundenauftakt unserer braun-weißen Freunde gegen den VfB Stuttgart ließen sich nicht nur terminlich super kombinieren, auch von der Entfernung bot sich ein Besuch in größerer Abordnung förmlich an.
So waren es dann insgesamt 18 FC Bayern Ultras, die nach unserem Auswärtssieg an der Weser mit Siebensitzer und Autos die Hansestadt Hamburg ansteuerten. Nach Ankunft in Hamburg ging es für uns direkt in den Raum von USP. Relativ zügig trudelte die Nachricht ein, dass sich 20 Stuttgarter Hools in einem Hotel im Viertel eingenistet hätten. Also suchte man das entsprechende Hotel auf, stellte dann allerdings fest, dass es sich wohl nicht um Hools handelte. Trotzdem machte man den Vögeln recht deutlich klar, dass sie sich den falschen Stadtteil für ihren Kurzurlaub ausgesucht haben. Da die Schwaben das einsahen und an einer Vertiefung der Gespräche außerhalb des Hotels kein Interesse zeigten, machte man sich wieder auf den Weg in die Räumlichkeiten von USP. Dort hatten unsere Freunde für uns und die ebenfalls anwesenden Ultras Inferno aus Lüttich ein leckeres Essen vorbereitet. In geselliger Runde ließ man dann den Tag ausklingen und verabschiedete sich nach und nach zusammen mit seinen Gastgebern in die verschiedenen Schlaflager.
Am Morgen des Sonntags trafen wir uns im Viertel und stimmten uns beim Frühstück auf den Spieltag ein. Anschließend ging es dann die paar Meter zum Stadion. Dort hatte die Fanszene des FCSP heute mehrere optische Aktionen vorbereitet. Der Supportblock Gegengerade läutete das Spiel mit einer Schnipselchoreo ein. Die Südkurve hingegen hatte eine Choreo vorbereitet, mit der sie der Mannschaft demonstrativ den Rücken stärken wollte. In der Mitte der Südkurve wurde eine runde Blockfahne mit dem Vereinslogo hochgezogen. Umrahmt von Zetteln, die im Balkenmuster braun-weiß-braun-weiß-braun angeordnet waren. Vorne am Zaun ein Banner, das farblich passend zu den Zetteln im gleichen Balkenmuster gehalten war und auf dem stand: „Wir stehen hinter Euch!“. In der Mitte des Banners waren noch die 11 Trikots der Mannschaft abgebildet, um es auch optisch darzustellen, dass die Südkurve auch in den kommenden schweren Wochen und Monaten hinter der Mannschaft steht. Insgesamt eine schöne schlichte Aktion mit einer klaren Botschaft.
Auf Seiten unserer Freunde waren neben uns und den schon erwähnten Ultras Inferno noch Leute aus Babelsberg und Terni zu Gast. Bei den Stuttgartern konnten die Fahnen vom Pfalz Inferno bei der Schwaben Kompanie und von der Szene E Reutlingen beim Commando Cannstatt ausgemacht werden. An der Brüstung vor den über den Stehplätzen liegenden Sitzplätzen hatten die Schwaben noch ein langes Banner mit der Aufschrift „VfB Stuttgart 1893 – Cannstatter Kurve“ angebracht.
Die Mannschaft der Braun-Weißen startete von Anfang an gut ins Spiel. Man kann inzwischen gut sehen, dass die Spieler den Abstiegskampf angenommen haben, auch die Defensive steht viel sicherer als noch zu weiten Teilen der Hinrunde. Hoffen wir, dass dieser kämpferische Einsatz nicht zu spät kommt… Jedenfalls konnte man über weite Strecken des Spiels nicht sehen, dass hier der 18. gegen den 3. der Tabelle spielt. In der ersten Hälfte hatten beide Mannschaften ihre Möglichkeiten, konnten diese aber nicht nutzen. So ging es torlos wieder in die Kabinen. In der zweiten Halbzeit steigerten sich die Gäste mit zunehmender Spieldauer und so kam das, was in solchen Situationen halt leider immer kommt: kaum hatte man sich innerlich mit dem 0:0 abgefunden, da erzielt Einwechselspieler Mané doch noch das 1:0 für die Gäste. Dieses Tor markierte dann auch den glücklichen Sieg für den VfB Stuttgart. Eigentlich wäre ein Unentschieden das gerechte Resultat gewesen, aber davon können sich die Braun-Weißen jetzt auch nix kaufen. Nach dem Tor ein guter Teil der Haupttribüne zum Gästeblock hin am Jubeln. Da hatten sich wohl etliche Stuttgarter mit Karten eingedeckt. Und auch in der Südkurve kochten die Emotionen über. Grund dafür waren ein paar wenige VfB-Fans, die sich ihre Sitzplätze ausgerechnet im Block direkt über den Stehplätzen der Südkurve ausgesucht hatten und nun mit ihren VfB-Schals in der Hand rumhampelten. Sofort machten sich ein paar Leute aus den Stehplätzen daran, nach oben zu klettern, um die Herren des Blocks zu verweisen. Aber auch St. Paulianer von den Sitzplätzen sprangen auf und waren an einer „Klärung“ der Sache interessiert. Es gab eine kurze Diskussion, dann Geschubse und ein paar Watschn für die unwillkommenen Gäste, dann war aber schon der Ordnungsdienst zur Stelle und geleitete die Schwaben aus dem Block.
Bei unseren Freunden war der Tifo eigentlich das ganze Spiel über ein ständiges Auf und Ab. Es gab richtig laute Phasen aber auch zwischendrin immer wieder Phasen, wo es nicht so gut war. Eine sicherlich nachvollziehbare Erklärung dafür dürfte die sportliche Situation sein, in der sich der FCSP befindet. Wenn Dir zum Klassenerhalt eigentlich nur noch Siege und Tore helfen, dann fokussiert man seine Aufmerksamkeit halt doch immer häufiger auf das Geschehen auf dem Rasen, je länger es 0:0 steht. Darunter leidet dann mitunter auch der Tifo. Aber auch die Gäste, die ja in der Tabelle um einiges besser dastehen, lieferten keinen wirklich guten Auftritt ab. Zu hören waren sie nur nach dem Spiel, als sie mit ihrer Mannschaft den Sieg feierten. Und auch optisch hat man die Cannstatter Kurve schon besser gesehen. Immer wieder wechselten sich Klatscheinlagen mit einigermaßen guter Beteiligung mit Schalparaden ab, bei denen vielleicht ein Viertel des Gästestehblocks mitmachte.
In der Halbzeitpause zeigten unsere Freunde noch zwei Spruchbänder. Vorne am Zaun ein großes Banner „Die größte Schande ist das Vergessen“ zum Holocaust-Gedenktag. In der Kurve selbst ein Soli-Spruchband für Hapoel Tel Aviv, dessen Wortlaut ich jetzt nicht kenne, da es in hebräischen Schriftzeichen geschrieben war. Der Verein hat wohl derzeit ziemliche finanzielle Probleme, weshalb die Südkurve St. Pauli hier ein Zeichen der Solidarität setzte.
Nach dem Spiel ging es dann raus aus dem Stadion. Auf dem Rückweg wurden drei Herren auf der Budapester Straße (Hauptstraße unterhalb vom Millerntor-Stadion) als VfB-Faschos identifiziert. Relativ zügig sammelte sich eine Meute, die den „aufrechten Deutschen“ verdeutlichen wollte, dass St. Pauli keine national befreite Zone ist. Als die drei ihrer Lage gewahr wurden, zögerten sie nicht, die Bullen um Hilfe zu rufen, die sich natürlich nicht zweimal bitten ließen. Mehrere Beamte sicherten die Faschos vor sämtlichen Unannehmlichkeiten ab, während zwei Bullen versuchten, ein vorbeifahrendes Taxi anzuhalten, um die Nazis aus dem „Gefahrenbereich“ bringen zu lassen. Nachdem das nicht gelang, weil alle Taxen besetzt waren, wurde ein Mannschaftswagen heran beordert, in den die Mitglieder der „Herrenrasse“ einsteigen durften. Inzwischen waren zig Mannschaftswagen der Bullen vor Ort, um den Shuttleservice für Nazis abzusichern. Richtig albern wurde es, als sogar 6 Bullenpferde die Budapester Straße unter höhnischem Applaus der Meute lang geritten kamen.
Da fällt einem dann wirklich nix mehr ein. Wenn ein Flüchtlingsheim brennt, dauert es überspitzt gesagt zwei Stunden, bis ein Streifenwagen da ist, aber um drei VfB-Nazis vor ein paar verdienten Watschn zu schützen wird bis auf Wasserwerfer und Räumpanzer alles aufgefahren, was der Fuhrpark hergibt. Deutsche Polizisten – Freunde und Helfer für Faschisten…
Nach diesem Aufreger ging es dann weiter in eine allseits beliebte Lokalität im Viertel, wo USP für uns leckere Pasta Bolognese (alternativ Tomatensoße) vorbereiten hat lassen. Da die meisten von uns Montag wieder auf der Arbeit erscheinen mussten, brach der Großteil unserer Leute dann relativ zeitnah auf. Ich selbst zog mit einigen USPlern wieder Richtung Stadion, wo in den Räumen des zukünftigen Vereinsmuseums die Weinbar mit einer kleinen Feier eingeweiht wurde. Dort lernte ich dann auch den Aufsichtsratsvorsitzenden und zwei weitere Aufsichtsratsmitglieder des FC St. Pauli kennen, mit denen ich interessante Gespräche führen konnte und die mit mir eine Einzelführung über die Baustelle des Vereinsmuseums machten. Mal eine andere aber auch interessante Art, den Abend im Viertel zu verbringen. 😉 Am Montag hieß es dann auch für mich, wieder Richtung Süden zu düsen.
Vielen Dank für die wieder Mal überragende Gastfreundschaft! Bei Euch fühlt man sich einfach wie Zuhause.
Am kommenden Sonntag müssen unsere Freunde beim Tabellenzweiten aus Braunschweig antreten. Eine alles andere als leichte Aufgabe, aber wir hoffen trotzdem, dass die Kiezkicker die drei Punkte mitnehmen können.