So liebe Bayernfans, herzlich Willkommen in der Spielzeit 2016/2017. Auf in eine neue Wahnsinnsfahrt, an deren Ende hoffentlich das Triple steht.
Die erste Pokalrunde bietet immer einen ganz netten Einstieg ins Saisongeschehen. Das Wetter passt meistens noch und mit etwas Glück gibt es einen interessanten Gegner oder doch wenigstens ein Stadion, das man nicht ohnehin einmal jährlich besucht.
Nun gehen zumindest von unserer Gruppe viele Leute im Ernst-Abbe-Sportfeld regelmäßig ein und aus, unzufrieden waren wir mit dem Los „FC Carl Zeiss Jena“ allerdings keinesfalls. Der wohlige Klang eines Wochenendes im Zeichen der Freundschaft dürfte den meisten durch den Kopf geschwirrt sein, nur um beim genaueren Blick auf die restlichen Paarungen sofort den Alarmsirenen zu weichen. Oh weia, unsere Begegnung war ja fast prädestiniert für das Fernsehspiel am Montagabend…. Kam dann glücklicherweise doch nicht so, auch wenn der DFB mit der Ansetzung der Partie auf den Freitagabend wohl niemand einen großen Gefallen getan hat. Warum nicht schön am Samstagnachmittag?
Egal, wir nehmen es, wie’s kommt und am Ende haben uns die Jeneneser ganz wunderbar empfangen und einen großartigen Tag organisiert. Bieri im Lokal, der Grill lief, gute Unterhaltung — Fußballfan, was willst Du mehr?
Na klar… Pyro wollen wir sehen! Gab’s dann gegen 17:30 auch ein bisschen, als ca. 500 Leute aus der Jenaer Innenstadt zum Stadion marschiert sind. Gemeinsame Gesänge, eine passende Ansprache seitens der Jenenser, in der uns unter anderem für unser Engagement rund ihre Kampagne „Südkurve bleibt“ gedankt wurde.
Über die Bedeutung einer Fankurve für Fußballanhänger braucht man uns Bayernfans nicht viel erzählen. In München traf es uns hart, als viele Fans mit dem Umzug nach Fröttmaning plötzlich nicht mehr im Süden stehen konnten, sondern in den Norden abgeschoben wurden. Vor drei Jahren stand dann sogar die komplette Zukunft unserer Kurve auf dem Spiel. Die Chose mit Professor Salewski dürfte jedem noch im Gedächtnis sein, und wenn man ehrlich ist, war er doch relativ kurz davor, der Kurve den Garaus zu machen. Gott sei Dank kam es dann anders, aber es weckt auf jeden Fall Verständnis für den aktuellen Kampf der Jenenser Fanszene um ihre Heimat. Als Freunde sehen wir uns aber natürlich nicht nur deshalb in der Pflicht, auch einen Beitrag zum Erhalt der Südkurve zu leisten.
Heute war das in erster Linie durch das Sammeln von Pfandbechern und dem Rumgehen mit dem Klingelbeutel. Da darf man dann auch die Bayernfans mal loben, am Ende standen nämlich durch Pfand und Spenden ca. 1700 Euro zu Buche. Da kann man durchaus von einer ordentlichen Summe sprechen. Auch der Grad der Aufgeklärtheit über das Projekt wusste zu überraschen. Der absolute Großteil der anwesenden Bayernfans hatte schon davon gehört. Vielleicht auch deshalb die gute Spendenbereitschaft.
Dabei kommen wir an dieser Stelle nicht drumherum zu erwähnen, dass viele Bayernfans vor dem Spiel durchaus etwas pissed mit dem FCC waren. 65 Euro für einen Gästesitzer sind nämlich einfach nur utopisch. Wir können es absolut nachvollziehen, dass der FC Carl Zeiss bei einem solchen Spiel allein zur Kostendeckung die Einmalgänger stärker zur Kasse bitten muss als bei einem Regionalligaspiel mit 4000 Zuschauen. Wir schätzen es auch, dass man das Spiel im EAS durchgezogen hat und trotz fehlendem Flutlicht nicht in ein moderneres Stadion umgezogen ist. Das hätte uns ja auch blühen können. Wenn aber Bayernfans Preise berappen, die wir in den letzten Jahren teilweise nicht mal bei Europapokalspielen in England gezahlt haben, dann ist das trotzdem zu happig und ehrlich gesagt, gegenüber unseren Vielfahrern auf den Sitzplätzen auch ziemlich arschlochmäßig. Denn – so ehrlich muss man sein – auch wenn es eine nette Atmosphäre war, so blieb es doch immer noch ein Spiel der ersten Pokalrunde. Da hätten wir uns etwas mehr Fingerspitzengefühl vom FCC erhofft.
Ein kleiner kritischer Exkurs, den wir an dieser Stelle einfügen wollten, bevor wir zurückkommen in die Südkurve, die heute auch das Motto für die gemeinsame Choreographie vorgab. Die Choreoexperten beider Szenen konnten sich auf ein gemeinsames Motiv einigen und olympisch wie die Zeiten sind, haben wir noch ein kleines erschwerendes Element eingebaut, um bei den Punktrichtern noch eine etwas höhere Wertung raus zu kitzeln… Schmarr’n, es sah gut aus, das Wechseln der Farben hat gut gepasst und das Allerwichtigste: Die Message, dass sich da zwei Kurven gemeinsam für eine Sache engagieren, wurde nach draußen transportiert und kam dort vermutlich auch an.
Joa, dann war Anpfiff und die Dinge gingen ihren Gang. Alles andere wäre die absolute Sensation gewesen. Unsere Anfälligkeit für Pokalsensationen ist ja schon seit Jahren auskuriert. Es steht heute einfach nicht mehr der FC Bayern auf dem Feld, der sich gegen Vestenbergsgreuth von einem Landwirt aus dem Pokal schießen ließ (Dabei hätte es sicher was, nochmal Adolfo „El Tren“ Valencia dem Ball hinterherjagen zu sehen).
Dem Gästeblock, bzw. seinen Besuchern merkte man dann auch durchaus an, dass sie nicht nur ständig Bock auf Super Bock haben (wer sich diesen Spruch als erstes hat einfallen lassen, gehört echt verprügelt), sondern auch auf die neue Saison. So gingen die Gesänge geschlossen und lautstark los, bevor nach 10 Minuten eine kurze Zwangspause nötig war, da das Rote Kreuz sich mal schnell um einen Bayernfan kümmern musste, dem Sonne, Bier, Singen oder eine Kombination aus allem nicht so gut bekommen waren. Als dem guten Mann geholfen war, ging’s dann grade so weiter. In der ersten Halbzeit stach dabei das „Südkurve München sind wir“ mit Pogoeinlagen hervor, konnte allerdings nicht so lange durchgehalten werden. Ist halt auch anstrengend bei diesen Temperaturen, weshalb dann zum Pausenpfiff hin auch die Nachtigallenstimmchen im Gästeblock etwas leiser wurden.
Auf das Niveau der ersten Minuten kamen wir dann leider auch nicht mehr ganz zurück, auch wenn Halbzeit zwei durchaus ihre eigenen Highlights hatte. Das „Heute, morgen und für alle Zeit“ hat einfach eine bombastische Melodie und lässt sich trotzdem laut singen. Wenn man sich vorstellt, wie man das mit 3000 Leuten irgendwo auswärts in Europa schon vor Anpfiff durch das Stadion schmettert… Dazu braucht das Lied wohl noch etwas Reifezeit, heute war’s aber trotzdem schon mal gut. Sehr spaßig natürlich auch die gemeinsamen Gesänge für den Erhalt der Südkurve und die Schmähungen der wichtigsten Feinde mit den Jenensern. Alles in allem war unser Auftritt damit ziemlich okay bis ganz gut. Ein wenig Luft nach oben wäre schon da gewesen.
Die Bewertung der Heimseite sparen wir uns hier. Die Analyse haben wir ja ohnehin schon bei den drölf Bieren direkt im Anschluss an die Partie vollzogen.
Eingehen wollen wir trotzdem noch auf die Spruchbänder in beiden Kurven.
Neben der Aufforderung an den Stadtrat und OB, sich endlich zur Südkurve zu bekennen zeigte die Horda auch ein Dankeschön an unsere Szene. Das ehrt uns natürlich und auch wenn es nicht nötig gewesen wäre, freut man sich da. Die „Gegen den modernen Wessi-Ultra“-Fahne haben die Kollegen auch mal wieder aus dem Keller geholt. Dabei liegt München doch viel eher im Süden, komisch.
Wobei wir bei den Himmelsrichtungen selbst manchmal durcheinander kommen, und uns spruchbandtechnisch mal kurz bei einem Video der Geraer Fanszene, das wohl mit dem Prädikat „Banane“ am adäquatesten bezeichnet ist, bedienten und mal ganz nonchalant fragten: „Wo is jetzt die Horda? Angst?“
Damit rollen wir unser Spruchbandfeld quasi von hinten auf. Eine Stoffbahn galt einem Aktivisten aus den blau-gelb-weißen Reihen. „Umdrehen und wegrennen ist für Dich keine Option, auch diesen Kampf wirst Du gewinnen. Keep Fighting English!“ Lass Dich von der scheiß Krankheit nicht unterkriegen, Freund. Wir stehen an Deiner Seite.
Das erste Spruchband war auch keinem freudigen Anlass geschuldet. Leider müssen derzeit zwei Freunde unserer Gruppe Haftstrafen verbüßen. „Auch Zellengitter trennen uns nicht. Max und Tolek bleiben stabil! Freiheit für unsere Freunde im Knast!“ Dazu fand auch erstmals eine entsprechende Fahne den Weg an den Zaun.
In der Halbzeit gedachten wir darüber hinaus noch einem verstorbenen Ultra aus Civitanova.
Da schreibt man jetzt nicht leicht eine Überleitung zu den Feierlichkeiten nach dem Spiel, deshalb lassen wir es einfach und loben direkt die vier Fress- und Saufstationen, die die Jenenser aufgebaut hatten, auch wenn’s beim Zapfen noch ein klein wenig haperte. War auf jeden Fall ein richtig feiner Ausklang mit cooler Musik und einer gechillten Atmosphäre, die noch besser wurde, als irgendwann auch endlich alle Stadionverbotler dazukommen durften und mit ihren durchaus beachtlichen Alkoholpegeln nochmal Schwung in die Runde brachten. Der reichte dann bis tief in die Nacht und trug so manchen noch durch das ganze Wochenende.
Wir können einmal mehr sagen: Danke nach Jena für die fette Gastfreundschaft. Danke für die mittlerweile gar nicht mehr so wenigen Jahre Seite an Seite. Wir hoffen, wir können uns beim Pokalfinale in Berlin zumindest wieder ein kleines bisschen revanchieren.
Freiheit für Tolek!
Durchboxen, Engländer!
Südkurve bleibt!