Der Europapokalsieger auf dem Weg zur Titelverteidigung – nächster Halt Moskau. Spiele in Russland sind ja immer ein etwas zweischneidiges Schwert. Einerseits freut man sich über das Los, da es eben nicht die 08/15-Westeuropa Destination ist, anderseits eben auch wieder das tiefe Loch, das sich danach im Geldbeutel befindet.
Für 99% der angereisten Bayernfans ging es auf verschiedenen Flugrouten in die russische Hauptstadt. Den Spieltag selbst vertrieben sich die meisten Leute mit Sightseeing, russischer Küche und Baltika. Als Alternativprogramm dazu bot sich auch der Kick der A-Jugend an, der von der Ultrafraktion allerdings nur schwach frequentiert wurde.
Natürlich hatten wir auch eine gesunde Portion Respekt vor den heimischen Fanszenen im Gepäck, so dass beim Stadtspaziergang wohl öfters ein Blick über die Schulter geworfen wurde, als dies andernorts in Europa der Fall ist. Erstmals zu Gesicht bekam man die ZSKA-Leute dann am Treffpunkt für den Bus-Shuttle, wo 30-50 Ultras zwar einen Blick riskierten und sich vereinzelt in die Busse zu schleichen versuchten, im Endeffekt blieb es aber wohl auch aufgrund der Anwesenheit der Cops ruhig. Für uns sollte es das dann auch an Berührungspunkten mit den Fans des Armeeklubs gewesen sein. Im Nachhinein wurden leider noch einzelne Bayernfans von den Russen abgepasst, so dass mindestens zwei Bayernfahnen verloren gingen.
Durch den Moskauer Feierabendverkehr quälten sich die Busse langsam zum Khimki hinaus. Das Stadion hat keine direkte Metroanbindung und eine sinnvolle, gemeinsame Anreise mit mehreren hundert Leuten wäre mit dem öffentlichen Nahverkehr allein recht schwierig zu realisieren gewesen.
Nach genauen Kontrollen inklusive Metalldetektor, ging es die Treppen hoch zum Gästeblock. Auf dem Weg dorthin passierte man allerdings den Teestand, der bei winterlich-kalten Temperaturen zum Verweilen einlud. So setzten viele Bayernfans erst relativ spät einen Fuß auf die kühlen Stufen des Gästesektors. Der befand sich direkt unter dem Dach der Gegengerade, wodurch wir zumindest im Block eine gute Akustik hatten, auch wenn bezweifelt werden darf, dass viel von den Gesängen auf dem Platz unten ankam.
Links von uns machten sich im Unterrang die Gruppen von ZSKA breit, die das gesamte Spiel über ordentlich in Bewegung waren und auch regelmäßig auf unserem hohen Posten vernommen werden konnten. In der zweiten Halbzeit zogen Teile der Kurve trotz Schneetreibens und Temperaturen deutlich unter null obenrum blank und legten eine Oberkörperfrei-Freakshow hin. Zwischendrin wurden dann auch noch die Taschenlampen und Blitzlichter der Smartphones eingeschalten. Netter Pyroersatz. In der gegenüberliegenden Kurve war heute eine große selbstgemalte Blockfahne ausgebreitet. Darauf waren Fans zu sehen, die T-Shirts mit Szene- und Gruppenlogos trugen, darunter das bekannte Hooligan-h und den SS-Totenkopf. Ohne Russischkenntnisse und ohne Motivation, große Nachforschungen anzustellen, müsste die Aufschrift auf der Fahne so etwas wie „Wir alle sind ZSKA“ geheißen haben. Nachdem es beim Spiel gegen ManCity zu Affenrufen gegen Yaya Touré gekommen war, hat die UEFA zu unserem Gastspiel einen Teil des Stadions gesperrt. Auch wenn wir selbst natürlich keinerlei Bock auf Rassismus und Nazischeiß haben, ist ebenso klar, dass irgendwelche Strafen eines geldgeilen Fußballverbands sicher nichts an der Einstellung der Leute ändern werden – höchstwahrscheinlich eher das Gegenteil.
Auf unserer Seite konnte man von der Stimmung heute positiv überrascht sein. Meistens macht bei solch weiten Reisen an nicht-alltägliche Ziele das Rahmenprogramm mächtig Laune, im Stadion selbst herrscht dann aber eher tote Hose. Diesmal aber keineswegs. Viele Klassiker gingen locker von den Lippen. Zwar wurden die meisten Lieder eher nur kurz gesungen, aber dafür mit europapokalwürdigem Enthusiasmus. Sehr spaßiges Auswärtsspiel, unter anderem auch deshalb, weil es einfach immer wieder cool ist, gemeinsam mit unseren Freunden mit Stadionverbot auf den Tribünen zu stehen. Pathetisch? Vielleicht, aber trotzdem wahr.
Auf dem Rasen ließ die Mannschaft von Pep wenig anbrennen. Zwar erwischten die Russen den besseren Start, aber nach dem Robben-Treffer hatte sich das weitgehend. Nach der Halbzeit legte Mario Götze mit einem wirklich sehenswerten Tor nach. Liebling im Gästeblock dürfte heute aber trotzdem die Nummer Sieben des Armeeklubs gewesen sein. Herr Honda erstarrte erst vor Manuel Neuer wie das Kaninchen vor der Schlange und scheiterte dann beim Versuch, den Ball von innerhalb des 5ers ins leere Tor zu schießen. Immerhin überließen ihm seine Kollegen zum Trost den Schuss vom Elfmeterpunkt. Was der Japaner kann, kann ich schon lange dachte sich dann Thomas Müller und stellte den zwei Tore Vorsprung wieder her.
Mit einem Sieg im Gepäck ging’s bei klirrender Kälte zurück in die Stadt, wo der Abend bei ein paar Bieren und ein paar hundert Gramm Wodka ausklang.
Sa wasche sdarow’je!
Bilder vom Trip nach Moskau gibt es hier zu sehen.
Außerdem gibt es auf der Südkurven-Seite auch ein Video vom Spiel in der russischen Hauptstadt.