Auswärtsspiele in Bremen lassen irgendwie kaum Jubelstürme aufkommen. Gefühlt ist das Wetter immer schlecht, der Gästeblock absolut überfüllt und die Stimmung richtig madig. Okay, in jüngster Vergangenheit nehmen unsere Rothosen zumindest immer drei Punkte aus dem Weserstadion (das heißt wirklich noch so, da kann man sich in Bremen glücklich schätzen) mit.
In Erwartung des sechsten Saisonsiegs trafen sich also kurz vor Bremen drei Busse sowie mehrere Autos und 9er, um die letzten Kilometer im Konvoi zu fahren. Die Gefährte wurden in Stadionnähe geparkt und gemeinsam ging es in unaufgeregter Manier zum Gästeblock. Dort war der Ordnungsdienst zwar an sich recht freundlich, leider hält man aber immer noch an der Praxis fest, „verdächtig aussehende“ Gästefans in Container zu bitten, wo sie sich für eine verschärfte Leibesvisitation teilweise entkleiden müssen. In Zeiten der absoluten Sicherheitshysterie werden wir wohl auch nicht damit rechnen können, dass man diese nervige und irgendwo auch erniedrigende Prozedur (auch wenn niemand alle Hüllen fallen lassen musste) in Zukunft wieder bleiben lässt. Dabei läge nichts näher als eben dieses; zumindest wenn die Sicherheit im Gästeblock anhand von sicherheitsrelevanten Vorfällen mit größerer Medienresonanz gemessen wird. Da wäre mir für den neuen Auswärtssektor im Weserstadion nur ein einziger bekannt und der ereignete sich nach dem Nordderby gegen den HSV, als sich die Fans an den Treppenabgängen stauten und von der Polizei nicht weiter gelassen wurden, während von hinten immer mehr Hamburger nachdrängten, die befürchteten der letzte Zug nach Hause würde ihnen vor der Nase wegfahren. Hätte die Polizei hier anders reagiert und die Fans erst an den Stadiontoren gesammelt und am Weitergehen gehindert, wären an diesem Abend wohl nicht 27 Verletzte zu beklagen gewesen. Vorkommnisse, bei denen Zuschauer durch andere Fans verletzt worden wären, sind uns nicht bekannt, trotzdem verschärfte man gegen Ende letzter Saison die Einlasskontrollen für den Gästeanhang. Der SV Werder scheint es hier eben besonders notwendig zu haben den Herren von DFB und DFL zu imponieren und den Gästefan ein klein wenig zu schikanieren.
Also mit oder ohne Umweg in den Container durch die Eingangskontrollen und die Treppen hoch, um sich ein schnuckeliges Plätzchen im Block zu suchen. Daran wie man sich dort am besten aufstellt, um die Gesänge möglichst effektiv zu koordinieren, scheiden sich ein wenig die Geister. Wir standen diesmal eher in die Breite, anstatt den Block von oben nach unten zu füllen. Ob wir die Unterstützung besser hätten koordinieren können, wenn wir kompakter gestanden hätten, kann man im Nachhinein natürlich nur vermuten. Die Stimmung war nicht grundsätzlich schlecht, aber bei unserem momentanen Potential hätten wir die Gesänge sicher auch noch kraftvoller in Richtung Spielfeld schmettern können.
Auf der Heimseite herrschte heute alles andere als Alltag. Die Werderaner trauerten um ein verstorbenes Mitglied ihrer Fanszene. Jan Hoppe aka Civetta war wenige Tage zuvor verstorben. Da er auch ein häufiger Gast in Sankt Pauli war, ist er auch für unsere Gruppe kein Unbekannter gewesen. Am Dienstag zuvor hatten wir ihm ein kleines Spruchband gewidmet. Die Bremer verzichteten aus Trauer über den Verlust auf eine koordinierte Unterstützung ihrer Mannschaft. Der Stadionsprecher hielt eine kurze sehr stilvolle Ansprache zu Ehren Civettas. Unserer Meinung nach eine sehr schöne Geste des Vereins und bei uns zugegebenermaßen leider unvorstellbar.
Das Spiel selbst war bekanntlich lange knapp. Während die Defensivreihen in Halbzeit eins kaum Torchancen zuließen, wurde das Spiel in Halbzeit zwei mit offenem Visier geführt und beide Seiten hatten die Möglichkeit in Führung zu gehen. Auf unserer Seite wirkte sich die Einwechslung von Xherdan Shaqiri sehr positiv auf die Dynamik des Offensivspiels aus. Das Spiel wurde nun immer schneller und gewann dadurch auch nochmals deutlich an Spannung. Erstaunlicherweise wirkt sich solch eine Spielentwicklung bei uns sehr oft negativ auf die Stimmung aus. Klar werden Lieder bei Torgelegenheiten mal kurz unterbrochen, weil man aufstöhnt oder irgendwas Richtung Spielfeld schreit, aber danach bietet es sich ja wirklich an, das Lied wieder aufzunehmen und noch lauter zu singen – einfach in Stille zu versinken hilft weder der Mannschaft noch sonst wem. Ein geiler Lob von Luiz Gustavo sorgte eine Viertelstunde für für den erlösenden Torjubel. Die Bremer konnten nun kaum mehr etwas entgegensetzen und Mario Mandzukic konnte nach einem Shaqiri-Zuspiel sogar noch auf 2:0 erhöhen. Damit war Saisonsieg Nummer sechs unter Dach und Fach und der FC Bayern somit weiter auf Rekordkurs.
Nach Spielende verpackten wir unser Material und machten uns auf den Weg zurück zu den Bussen. Auf dem Weg den Deich entlang kamen uns einige einheimische Kurvengänger entgegen, die ohne größere Anstalten unsererseits zügig in Richtung Ostkurve davonliefen. Ca. 30 Bayern-Ultras folgten den Bremern nach und tauchten so ohne Polizeibegleitung in der Nähe der Heimkurve auf, wo es daraufhin zu einer Auseinandersetzung mit Werderanern kam. Das Ganze war eine unübersichtliche Angelegenheit, auf beiden Seiten wurde ausgeteilt und eingesteckt. Die Polizei brauchte ein, zwei Minuten, um die Lage zu beruhigen. An sich kein großer Vorfall, niemand der sich nicht beteiligen wollte, wurde hineingezogen und aufgrund der Antipathien zwischen uns und den Bremern war es auch nur eine Frage der Zeit bis mal gegenseitig Backpfeifen ausgetauscht werden. Trotz aller Abneigung gegenüber den Hansestädtern, müssen wir uns selbst eingestehen, dass sich mit dem Laufen in Richtung Heimkurve eine Dynamik entwickelt hat, die wir an diesem Tag im Nachhinein lieber unterbunden hätten. Angesichts der Bedeutung des Spieltages für die Gruppen der Bremer Ostkurve war es sicher kein guter Stil von uns, derart aufzutreten. Gleichzeitig lassen wir uns auch keinen Schuh anziehen und von irgendjemand erzählen, wir hätten gegen eine Absprache oder ähnliches verstoßen. Eine solche Absprache gab es nicht und auf Werder-Seite kam manchem unser Auftauchen ohne Polizeibegleitung mehr als gelegen. Free-Fight Handschuhe fallen wohl nicht ganz zufällig neben dem Butterbrot und den Bierflaschen in die Tasche fürs Heimspiel.
Die Bremer Polizei nahm die Sache sportlich, als das was sie war, nämlich eine kleine Balgerei unter Leuten, die das in diesem Moment alle wollten. Dementsprechend ging es dann ohne weiteren Ärger nach Hause, wo man sich auf der Rückfahrt nochmal seelisch und moralisch auf die Minsk-Reise vorbereiten konnte.