Zu Beginn des Jahres haben wir ein Kommuniqué der Gruppe Munichmaniacs 1996 zum Einstieg von Gazprom beim FC Bayern veröffentlicht. Danach wurde es etwas ruhiger um das Thema. Allerdings will Gazprom nicht mehr nur Lieferant der deutschen Gasanbieter sein, sondern selbst am deutschen Markt aggressiver auftreten. Durch den Verkauf direkt an die Endverbraucher steigt natürlich auch die Gewinnspanne. Da der Ruf von Gazprom aber zurecht (noch) nicht wirklich gut ist, braucht man natürlich saubere Werbepartner. Und wer verkauft sich für alles und jeden und nahezu alle Leute finden ihn trotzdem gut? Richtig, Franz Beckenbauer arbeitet jetzt auch für Gazprom.
Hier dazu ein guter Bericht vom WDR:
www.wdr.de/tv/sport_inside/sendungsbeitraege/2012/1105/beckenbauer_russland.jsp
Wir denken, das wird nicht das Ende der Fahnenstange sein. So weit ist der Weg vom Franz zum FC Bayern ja auch nicht!
Hier noch mal das Kommuniqué vom Januar:
Kommuniqué der Munichmaniacs 1996:
Gazprom? Nein Danke!
Kurz vor Weihnachten mussten wir geschockt der Presse entnehmen, dass der Chef des Energieriesen Gazprom, Alexej Miller, sich in München mit Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß getroffen hat, um einen möglichen Einstieg des Konzerns als Sponsor beim FC Bayern zu verhandeln.
Gazprom ist kein normales Unternehmen, sondern ein Gigant und Russlands Haupteinnahmequelle. Der weltgrößte Erdgasproduzent, ein ehemaliger Staatsbetrieb der russischen Föderation, der aber noch heute durch eine Anteilsmehrheit dem russischen Staat unterstellt ist, setzte 2010 mehr als 132 Mrd. USD um und erzielte damit einen Gewinn von über 28 Mrd. USD. Gazprom drängt aktuell mit Gewalt auf den europäischen Energiemarkt und möchte hierzu sein arg ramponiertes Image aufbessern. Der deutsche Ableger „Gazprom Germania“ beschreibt so zum Beispiel als einen Teil der Unternehmensphilosophie u. a. „benachteiligte Menschen und gemeinnützige Organisationen zu unterstützen und damit gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.“ Außer mit blumigen Worten versucht das Unternehmen auch mit Sportsponsoring seine Wahrnehmung zu verbessern. Da der FC Bayern eine wesentlich höhere Strahlkraft als der bisher unterstützte Ruhrpottverein hat, kam es wohl zum angesprochenen Treffen.
Wenn man sich die Mühe macht und ausführlicher über Gazprom recherchiert, zeichnet sich schnell ab, dass die Verbindung zwischen der russischen Regierung und dem Unternehmen weit über die eines Mehrheitsaktionärs wie zum Beispiel bei Deutschland und der Bahn hinausgeht. So ist der ebenfalls aus St. Petersburg stammende aktuelle Gazprom-Vorstandsvorsitzende Miller ein langjähriger loyaler Freund von Putin. Auch den zweiten wichtigen Mann, den Aufsichtsratsvorsitzenden Subkow kennt Putin bereits seit der gemeinsamen Tätigkeit in den 90er Jahren im Bürgermeisteramt von St. Petersburg. Subkow war zudem Putins Vorgänger als Ministerpräsident und ist jetzt noch dessen erster Stellvertreter. Wie bekannt sein dürfte, trat Putin das Amt des Ministerpräsidenten an, da er laut Verfassung als Präsident keine dritte Legislaturperiode antreten durfte. Zwischenzeitlich war sogar Putin selbst als Vorsitzender des Aufsichtsrates im Gespräch, was aber wieder verworfen wurde. Sein Nachfolger als Präsident, Medwedew, der dieses Jahr bei der Neuwahl wie von Insidern erwartet zu Gunsten Putins nicht mehr antritt, war übrigens bis zu seiner Wahl Vorsitzender des Aufsichtsrates von, richtig, Gazprom. Dieses Wechselspiel der Führungspersonen zeigt deutlich auf, wie eng die Verbindung zwischen Staat und Konzern ist. Doch nicht nur auf der höchsten Ebene finden sich schnell weitere Beispiele. So ist der russische Verteidigungsminister Serdjukow, der übrigens mit der Tochter von Subkow verheiratet ist, neben seiner politischen Tätigkeit noch Aufsichtsratsvorsitzender bei einem Chemieunternehmen, das sich natürlich im Konzernbesitz befindet. Um sein schlechtes Image in Deutschland zu bekämpfen entschied sich Gazprom Germania 2010, die Position des Geschäftsführers neu zu besetzen. Die Stelle bekam mit Vladimir Kotenev, der bis dato russische Botschafter in Berlin und damit Inhaber bester Kontakte in Politik und Wirtschaft. Wie nicht schwer zu erkennen ist, sind der russische Staatsapparat und Gazprom symbiotisch miteinander verbunden und arbeiten zum gegenseitigen Vorteil Hand in Hand.
So wird Gazprom als Art energiepolitische Waffe eingesetzt und unliebsame und untreue Staaten werden bestraft, fallen gelassen und ignoriert, während sich befreundete und zahlungskräftige Staaten einer Sonderbehandlung sicher sein können. Die Länder der EU importieren mehr als ein Viertel ihres Gases von Gazprom und begeben sich damit in eine Abhängigkeit von dem Giganten und damit auch Russland. Durch diese Konstellation ist es sehr unrealistisch, dass die Staaten der EU sich z.B. bei Menschenrechts- und Umweltfragen (Tschetschenien/Autobahn Moskau-St. Petersburg) ernsthaft intervenieren und damit das Risiko einer Energiekrise und immense volkswirtschaftliche Verluste riskieren. Aktuell sind daher die Beziehungen positiv geprägt, doch keiner kann vorhersagen, wie lange noch Europa Gazproms bevorzugter Kunde sein wird. Die negative Seite der Medaille lernte die Ukraine kennen. So gab es zwischen den beiden Ländern einen mehrjährigen Konflikt über den Erdgaspreis, den Gazprom an die Weltmarktpreise anpassen wollte, und über die Kosten für die Nutzung der Transitroute nach Westeuropa. Der Streit eskalierte in einem kurzen Lieferstopp, von dem auch Westeuropa betroffen war. Viele Experten vermuten hinter der schließlich durchgesetzten Preiserhöhung eine Abstrafung für die sich nach der „Orangen Revolution“ Richtung Westen und Nato orientierende Ukraine. Ziemlich deutlich wurde dies vor der letzten Wahl, vor der Gazprom-Chef Miller die Ukrainer mehr ein- als zweideutig vor einer falschen Wahlentscheidung warnte. Außerdem musste die Ukraine als Gegenleistung für Preisnachlässe 2010 die Pachtverträge für Russlands Schwarzmeerflotte auf der ukrainischen Halbinsel Krim bis 2042 verlängern. Besser geht es da Weißrussland, das wesentlich engere Beziehungen zu Moskau hält, und daher weiterhin einen ermäßigten Tarif erhält. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch, dass das weißrussische Leitungssystem sich im Besitz von Gazprom befindet. Ein derartiges Angebot hatte die Ukraine abgelehnt. Dies dürfte u.a. ein Grund für das aktuelle Pipelineprojekt in der Ostsee sein, mit der russisches Gas direkt nach Deutschland gelangt. Neben der Beteiligung diverser europäischer Firmen hält Gazprom natürlich 51% der Anteile. Die russische Wirtschaftszeitung Kommersant berichtete, das Ziel von Gazprom sei der direkte Zugang zu jeder Gasheizung in Deutschland und Europa. Dies bedeute, dass sie pro tausend Kubikmeter Gas 400 bis 500 US-Dollar einnehmen könnten, statt wie bisher 290 Dollar. Mit der neuen Pipeline ist man diesem Ziel zumindest etwas näher gekommen und muss sich auch nicht mehr mit der aufmüpfigen Ukraine beschäftigen, obwohl dort inzwischen wieder, wie gewünscht, eine pro-russische Regierung an der Macht ist.
Auch in Russland selbst gab es zumindest fragwürdige Ereignisse. Eines betrifft den TV-Sender NTW, der sich im Besitz von Wladimir Gussinski befand. Als einer der Pioniere der unabhängigen Medien verfügte man über gute Journalisten und scheute auch nicht selten die Kritik an Putin. Im Juni 2000 wurde Gussinski schließlich wegen Betrugs verhaftet und kam erst nach Unterzeichnung eines Vertrages, der ihn verpflichtete den Sender zu einem vorgeschriebenen Preis an Gazprom zu verkaufen, wieder frei. Gussinski verließ anschließend das Land und behauptete, man hätte ihn unter Androhung der Verlängerung des Strafverfahrens zur Unterschrift unter den Vertrag gezwungen. Nach der Übernahme verließen viele Journalisten den Sender und wechselten zu TW 6, der später auf Druck der Regierung geschlossen wurde. Gazprom-Media besitzt heute noch den Sender und neben weiteren TV- und Radiosendern auch diverse Printmedien.
Als ein letztes Beispiel sei noch das Unternehmen Jukos erwähnt, das von Michail Chodorkowski gegründet wurde und zu einem führenden Player der Erdölindustrie in Russland geformt wurde. Dies machte ihn zu einen der reichsten, wenn nicht dem reichsten Mann Russlands, bis er u. a. wegen Steuerhinterziehung verhaftet und verurteilt wurde. Zwar hatte Putin den Oligarchen mehr oder weniger offiziell zugesichert, dass ihre zurückliegenden Gesetzesüberschreitungen während der „Raubritterphase“ der Jelzin-Ära nicht verfolgt würden, aber die offene Unterstützung der Opposition durch Chodorkowski führte wohl zum Konflikt mit Putin. In den westlichen Medien jedenfalls wurde die Verurteilung weniger mit der Steuerhinterziehung als mit dem pro-westlichen Engagement in Verbindung gebracht. Bei einem weiteren Prozess wurde der in Haft sitzende Oligarch erneut wegen Unterschlagung verurteilt. Nachdem Putin bereits vor der Urteilsverkündigung forderte, dass der „Dieb im Gefängnis sitzen“ müsse, endete der Prozess als Farce, da das vom Richter verlesene Urteil in weiten Teilen mit der Anklageschrift identisch war. Ein nicht geringer Teil von Jukos landete schließlich übrigens bei Gazprom bzw. anderen staatlichen Unternehmen.
Mit den genannten Beispielen sollte klar sein, dass Gazprom ein Teil des autoritären Staatsmodells ist, das in Russland derzeit gepflegt wird. Uli Hoeneß, der einigen Bayernfans auf der jüngsten Jahreshauptversammlung noch nahe gelegt hatte, noch „Demokratie lernen“ zu müssen, verhandelt nun mit diesem russischen Staatsbetrieb, nachdem der russische Staat gerade erst im Rahmen der jüngsten Parlamentswahlen gezeigt hat, was für eine „lupenreine Demokratie“ er doch ist. Oder wie würde man sonst 99,5% Stimmenanteil für Putins Partei in Tschetschenien bezeichnen?
Der Warnung von Uli Hoeneß vor einigen Jahren vor einer „Russlandisierung“ können wir uns daher in Bezug auf Gazprom uneingeschränkt anschließen. Dies wäre zwar nicht das Ende des Fußballs, aber zumindest das Ende für die Werte, die der FC Bayern seit Jahrzehnten vertritt. So hat unser Verein oft und gerade unter der Führung von Uli Hoeneß soziale Verantwortung gezeigt und großen Wert auf das saubere Image seiner Partner gelegt, da dieses letztlich auf den Verein zurückfällt. Auch das karitative Engagement des FC Bayern, u.a. durch die FC Bayern Hilfe e.V., die Sternstunden o.ä., ist beachtlich und hat dem Verein in der ganzen Republik großen Respekt eingebracht. Um sich nicht unglaubwürdig zu machen, muss auch bei der Sponsorenwahl neben dem finanziellen Aspekt auf diese Werte geachtet werden. Eine Zusammenarbeit mit einem derart obskuren Unternehmen wie Gazprom, das offensichtlich als Machtinstrument eines autoritären Apparates dient, sollte da eigentlich nicht in Frage kommen. So macht der FC Bayern ein System salonfähig, das Werte wie Toleranz, Meinungsfreiheit, Akzeptanz von Minderheiten etc. mit Füßen tritt. Dabei hätte der deutsche Rekordmeister, bei dem potentielle Sponsoren Schlange stehen, doch sicherlich kein Problem andere Unternehmen zu akquirieren.
Gegen den modernen Fußball zu sein bedeutet für uns, derartige Entwicklungen oder Tendenzen in unserem Verein nicht einfach zu schlucken, sondern zu sagen: NEIN, NICHT MIT UNS! Wir sind gegen einen Einstieg des Gazprom-Konzerns beim FC Bayern München. Mit einem derart dubiosen Unternehmen darf unser Verein keine Geschäftsbeziehungen aufnehmen!
Munichmaniacs 1996 im Januar 2012