FC Bayern – FC Chelsea 7:6 n.E.

„Oana basst no nei“ prangte vor unserem Block, als in Prag die Akteure beider Mannschaften den grünen Rasen betraten. Der letzte europäische Pokal, der noch nicht den Weg an die Säbener Straße gefunden hatte. 1974 wurden die Spiele um den Supercup nicht ausgetragen. Unser Gegner wäre der FC Magdeburg gewesen. Offiziell konnten sich beide Mannschaften nicht auf einen Termin einigen. Vielleicht hatte man auf Seiten des FC Bayern auch einfach kein großes Interesse, wieder in die DDR zu fahren, nachdem die Erfahrungen rund um das Spiel bei Dynamo Dresden ein paar Monate zuvor nicht unbedingt der Knüller waren, vielleicht sprachen auch einfach höhere politische Gründe dagegen. In den beiden Folgejahren musste sich der FC Bayern Dynamo Kiev und dem RSC Anderlecht geschlagen geben. Auf die nächste Chance den Pokal zu gewinnen, mussten wir dann 25 Jahre warten. Mittlerweile war der Modus geändert und der Supercupgewinner wurde in einem einzelnen Finalspiel ermittelt. Im Fürstentum Monaco ging es gegen den Liverpool F.C. Trotz einer Aufholjagd unsererseits in Halbzeit zwei hatten die Jungs von der Merseyside am Ende die Nase vorn.

Zwölf Jahre mussten wir dann nicht nur auf den erneuten Gewinn des Europapokals warten, sondern eben auch auf die nächste Chance, den letzten fehlenden Titel mit nach München zu nehmen. Gleichzeitig bot sich auch die Möglichkeit zu einer kleinen Revanche gegenüber scheiß Chelsea. Für dieses Unternehmen hätte es sicher unattraktivere Finalstädte gegeben. Prag ist immer eine Reise wert und sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Deswegen machte sich ein ordentlicher Zugmob per Eisenbahn auf den Weg in die tschechische Hauptstadt und verlebte einige weitgehend stressfreie Stunden.
Die Bayernfans, die mit dem Auto oder Bus anreisten, wurden größtenteils von der Bundespolizei von der Autobahn gelenkt und dort relativ ausführlich durchgecheckt. Die Polizei hatte dafür ein ordentliches Aufgebot zusammengezogen. Es stellte sich lediglich die Frage, was man denn finden wollte? Ein paar Portraitfotos von den Leuten mit Gewalttäter-Sport-Eintrag sollten ja nicht unbedingt einen halbtägigen Einsatz legitimieren. Auf jeden Fall hat sich hier eindrücklich gezeigt, wie die Polizei die Argumentation der Bullengewerkschaften selbst ad absurdum führt. Große Einsätze auch ohne Gefahrenlage. Einsatzstunden? Belastung der Steuerzahler? Wendt und Konsorten, haltet einfach Eure Fresse!

In Prag trafen sich Teile der Fanszene in einer Kneipe und zogen von dort gemeinsam im Corteo zum Stadion. Erste Gesänge sollten nur ein kleiner Vorgeschmack darauf sein, was die Südkurve heute noch abliefern sollte.

Rund um das Eden-Stadion herrschte dann eine angenehm lockere Atmosphäre. Hatten wir eigentlich mit großen Polizeiaufgeboten, stressigen Ordnern und Leuten, die sich selbst für die Sicherheit des Erdballs verantwortlich fühlen, gerechnet, ging es absolut gechillt zu. Lockeres Abtasten, keine stressigen Ordner an den Blockeingängen und wenn man vor dem Spiel mal kurz in den Innenraum hüpfen wollte, um ein Erinnerungsfoto zu schießen oder die Zaunfahne gescheit aufzuhängen, war das auch null Problemo. Wirklich mal eine erfreuliche Sache.

Weniger cool dann wiederum, dass die UEFA daran festhält, für die Finalspiele seltsame Eröffnungsfeiern abzuhalten. Es macht ja durchaus Sinn, die Olympischen Spiele, eine WM oder auch eine EM mit einer kleinen Feier zu eröffnen, aber weshalb braucht denn ein Fußballspeil von 90 Minuten eine 10minütige Eröffnungszeremonie? Logo, es gibt auch wichtigeres über das man sich aufregen kann, aber es ist halt symptomatisch für die Entwicklung des Fußballs zu einem puren Unterhaltungsevent, bei dem man sich berieseln lässt und zuglotzt, ohne selbst in irgendeiner Weise noch mit seiner Umwelt und dem Spiel zu interagieren.

Als die Choreo dann gut über die Bühne gegangen war (natürlich wie immer großer Respekt und ein Dankeschön an alle Organisatoren, Maler, Fähnchenbastler und alle Bayernfans, die durch ihr Mitwirken zum Erfolg der Choreo beigetragen haben) und die 22 Spieler über das weite Feld fegten, stand die Südkurve schon in den Startlöchern und haute, gerade die erste Viertelstunde, gewaltig einen raus. Lautstärketechnisch war das gefühlt das Beste, was wir seit Jahren abgeliefert haben. Überragend, dass sich quasi 100 Prozent der anwesenden Bayernfans an den Gesängen beteiligten. Da stellte sich mal kurz die Gänsehaut auf. Dazu noch alle Stadionverbotler im Stadion am Start. Da schlug das Ultra-Herz ein ganz großes Stück höher. Natürlich gab es auch immer mal wieder schwächere Phasen, was teilweise auch dem dramatischen Spielverlauf geschuldet war, aber dafür fetzte es auch in Halbzeit zwei streckenweise richtig gut. Über 5000 Leute, die „Ich geb‘ mein Herz für Dich…“ singen und dabei springen, klatschen, Schals wedeln. So hat jeder Spaß, so treibt man die Spieler an, so lässt man ganz Europa sehen, dass beim FC Bayern – anders als bei anderen Weltvereinen – auch auf der Tribüne was los ist und nicht zuletzt präsentiert man genauso seinen Verein und, als Vereinsmitglied, letztendlich auch sich selbst und die Gemeinschaft der Bayernfans würdig vor den Augen der Welt. Klar sind solche Auftritte nicht jede Woche möglich und sie wären dann auch nichts Besonderes. Sie zeigen aber das Potential, dass in uns steckt und das wir auch bei langweiligen Heimspielen mal abrufen dürfen, denn dann wird das Spiel zwar nicht spannender, aber es herrscht eine gänzlich positivere Atmosphäre und die Trägheit des Spiels lässt sich wesentlich leichter ertragen.

Am Freitagabend in Prag war von Trägheit keine Spur. Das dramatische Spiel habt Ihr ja alle selbst verfolgt und mittlerweile sicher auch die Highlights nochmal in der Zusammenfassung. Besonders geil natürlich der nochmalige Ausgleich in der Nachspielzeit durch Javi Martinez. Bam, mitten in die Chelsea-Fresse! Da fiel der Torjubel nochmal wilder aus.

Im Elfmeterschießen reichte es dann für die kleine Revanche gegen Chelsea und es fand auch der verschollene Pokal noch seinen Weg dorthin, wo er hingehört. Es war wirklich noch Platz im Trophäenschrank. Ob der sportlich eher geringen Relevanz des Pokals, hält sich die Trauer auf Chelsea-Seite vermutlich in Grenzen. Die Chance, die Blues in einem KO-Runden Spiel der nächsten Jahre nochmal richtig zu ärgern und zu demütigen, wird sich hoffentlich ergeben.

Die Siegesfeier mit Franck Ribery war zwar durchaus lustig, aber die ewig vielen Pressevertreter zwischen uns und der Mannschaft störten doch gewaltig. Na ja, haben wir dafür halt in der Prager Altstadt noch etwas intensiver gefeiert. Der Vollständigkeit halber wollen wir einen anderen Anlass zum Feiern hier nicht verschweigen: Der Fanclub Südkurve ’73 feiert in dieser Saison sein 40jähriges Jubiläum. Wir nutzten die Gelgenheit und gratulierten per Spruchband.

Ein dickes Dankeschön geht abschließend an unsere Freunde von Ultrà Sankt Pauli und Carl Zeiss Jena, die uns nach Prag begleiteten.

EUROPAPOKALSIEGER FCB!!!

Jede Menge Fotos vom Supercup-Finale findet Ihr hier.
Außerdem gibts auf der Südkurven-Seite auch noch ein Video.