Bleiche Gesichter, wandelnde Leichen, Brechreizgeschichten vom Materialtransport und zwischendrin mehr oder weniger fitte Gäste aus Italien und Deutschland, so fühlt sich das letzte Wiesn-Heimspiel am Streetworkbus an. Während am unteren Ende der Esplanade also fleißig lustige Geschichten ausgetauscht und sinnfreie Zoten gerissen wurden, werkelten ein paar hundert Meter weiter derweil aber auch schon fleißige Hände an der vom Club Nr. 12 zum heutigen Heimspiel vorbereiteten Choreo.
Dass man damit auch gleichzeitig der Spitzenbegegnung des 6. Spieltages einen besonderen Rahmen geben würde, war bei der Planung der Aktion noch nicht unbedingt abzusehen, aber die Kölner hatten sich bis dato schadlos gehalten und wären bei dieser Tabellenkonstellation direkt für die europäische Königsklasse qualifziert gewesen. Wer die Domstadt ein bisschen beobachtet, weiß, dass dort nach so einem Saisonstart auch schon wieder vom internationalen Geschäft gesprochen wird.
Das sollte aber nicht unsere Sorge sein, sondern erstmal wollte die Choreo über die Bühne gebracht werden, was dank der guten Vorarbeit der Helfer auch sauber klappte. Ein Clockwork Orange Alex mit Bayernfahne wurde vor der Südkurve hochgezogen, während gleichzeitig je eine Blockfahne mit Stadt- und Vereinslogo ausgebreitet und mit Hilfe kleiner Schwenkfähnchen ein rot-weiß-bordeauxenes Streifenmuster in die Kurve gezeichnet wurde. Passend dazu prangte von Balustrade und Zaun der Spruch „Wir sind die Kinder der Historie von Stadt und Verein“. Die Wahrheit hinter dieser Aussage kann wohl niemand leugnen, so wird eine Fankurve ja zweifellos von der sozialen und sportlichen (Erfolgs-)Geschichte ihres Vereins, sowie dem Umfeld und den Lebensbedingungen rund um das Stadion geprägt. Deshalb ist unsere Fanszene anders als beispielsweise die unserer Freunde aus Bochum, Jena oder Sankt Pauli. Sie ist auch anders als die der Kölner, Dresdner oder Mainzer. Ganz einfach, weil der Junge mit der Fahne eben andere Dinge gesehen, gemacht und erlebt hat als der Jugendliche, der die Spiele eines anderen Vereins in einer anderen Gegend Deutschlands besucht hat. Böse Zungen könnten jetzt sagen, die Choreo wäre damit ja eigentlich nur eine aufgepushte Version des unsäglichen „Mia san mia“-Slogans, aber die haben heute Sendepause. Die Choreo begrüßte die Spieler mit einem starken Bild auf dem Spielfeld und die Organisatoren haben sich ein fettes Lob verdient.
Gesanglich ging es dann recht stark los. Angefeuert von den Vorsängern wurde auf den Rängen die ersten 20 Minuten gut Dampf gemacht, bevor ein kleiner Bruch in den Tifo kam und man sich damit dem bisher eher behäbigen Tempo unserer Mannschaft anpasste, die die Kölner zwar fest in der eigenen Hälfte eingeschnürt hatte, aber sich mit dem Herausspielen zwingender Torchancen doch noch sehr schwer tat. Zur 40. Minute brach Joshua Kimmich dann den Bann per Flugkopfball und wir durften davon ausgehen, dass nun die Dinge ihren gewohnten Gang gehen würden. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: Obwohl die Mannschaft nach der Pause den Druck aufrecht erhielt und sogar nochmal das Aluminium traf, gelang den Kölnern durch Modeste ein artistischer Ausgleichstreffer. Nun war ein deutlicher Bruch im Spiel zu spüren und die mutigen Kölner spekulierten sogar noch auf einen Dreier, den sie in der Nachspielzeit sogar fast noch erobert hätten. Der Kölner Anhang, der erst Mitte der ersten Halbzeit vollständig im Stadion anwesend war, feierte das Unentschieden natürlich trotzdem heftigst, während die Südkurve in Halbzeit zwei einfach einen ordentlichen, sicher aber keinen bemerkenswerten Heimsupport hinlegte. Wir zeigten dabei ein Spruchband für einen an Krebs erkrankten Bayernfan aus dem Umfeld unserer Gruppe. Andi, wir kämpfen gemeinsam! Im Block der aMr gab es derweil eine Tapete für einen neuen Diffidato. SV wegdrücken, Kai.
Mit einem ungewohnt frühen Punktverlust, der nun aber beileibe keine Panik auslösen sollte, ging es dann zurück in die Stadt, wo man mit den anwesenden Freunden aus San Benedetto, Civitanova und Jena noch ein wenig einkehrte, bevor man verhältnismäßig früh die Segel strich. Stand am nächsten Früh ja noch ein Wiesn-Besuch mit Gruppe und Freunden an…