- Vorwort
- Worte der Vorsänger
- Streckt die Schals in die Höhe!
- Spielbericht Bremen
- Spielbericht Schalke
- Ultrà Sankt Pauli
- Horda Azzuro
- VfL Bochum
- Ultramarines Bordeaux
- Sambenedettese Calcio
- Marrakesh
- Erinnerungstag
- Polizeikontrolle?
- Hoods Hoods Klan
Servus Bayernfans,
zum ersten Heimspiel der Rückrunde melden wir uns endlich aus der Winterpause zurück und haben gleich mal eine große Neuerung im Gepäck: das Südkurvenbladdl (kurz SKB) wird in Zukunft wieder in gedruckter Form veröffentlicht! Nachdem sich das Team dahinter neu aufgestellt hat und wir einige neue Mitglieder*innen in der Redaktion begrüßen durften, hoffen wir so in Zukunft wieder mehr Leser*innen mit unserem SKB erfreuen zu können. Spieltagsflyer und -hefte sind gedruckt einfach 10x geiler!
Eine “dank” der WM in Katar ungewöhnlich lange Winterpause ist in dieser Woche zu Ende gegangen. Nach einem 1:1 gegen den Dosenclub aus Leipzig lief es auch gegen den 1. FC Köln nicht besser. Bahnt sich da eine, für Bayernverhältnisse, sportliche Krise an? Mit der Eintracht aus Frankfurt haben wir heute auf jeden Fall einen spannenden Gegner und Aspiranten auf die Championsleagueplätze zu Gast.
Trotz der letzten beiden Unentschieden ist unser FCB aber souverän… Herbstmeister? Wintermeister? Wie nennt sich das, wenn erst im Januar die Hinrunde beendet wird? Da kann man dem überhaupt nicht korrupten Konglomerat aus Fifa, Kontinentalverbänden und Katar Influencern, wie unserem Uhren-Kalle, nur nochmals von Herzen danken, für die großartige Idee eine WM nach Katar zu vergeben. Kranke Welt!
Mit Stefan Bauer ist während der Winterpause überraschenderweise eine der prägendsten Personen für die heutige aktive Fanszene von uns gegangen. Ab Ende der 1990er Jahre war er Initiator und Begründer des “Red United” in München-Laim. Dieses sogenannte “Alte Laim” war der Anlaufpunkt für die gesamte Fanszene und ein Großteil des Szenelebens außerhalb vom Olympiastadion spielte sich bis Mitte der 2000er Jahre dort ab. Hier wurde unter anderem auch die Schickeria München gegründet. Stefan Bauers Engagement brachte verschiedene Generationen der Fanszene näher zusammen und wer weiß, wo wir als Kurve heute stehen würden, hätte er uns damals nicht mit Karten, Rat und Tat zur Seite gestanden. Stefan hinterlässt eine Frau und zwei Kinder, denen unsere ganze Anteilnahme gilt. Mach es gut Stefan, wo auch immer du jetzt bist. Reisegruppe Stefan Bauer für immer!
Wir haben die Winterpause genutzt um 20 Jahre Schickeria München gebührend zu feiern. Die Feier hat sich wohl bei allen Beteiligten ins Gedächtnis gebrannt (wobei es auch bei einigen zu größeren Erinnerungslücken gekommen sein soll). Um sinngemäß einen ehemaligen Trainer unseres FCB zu zitieren: absoluter Irrsinn was ihr da abgerissen habt, ihr rot-weißen Feierbiester!
Traurige Schlagzeilen machte der Einsatz des bayerischen Schlägerkommandos in Uniform gegen die Fanszene der Bayern Amateure und den Bayern Fanclub Kurdistan. Volle Solidarität mit allen betroffenen Bayernfans!
Lasst uns heute gegen Frankfurt richtig einen abreißen. Die Pause war lang genug.
Auf gehts Südkurve!
Euer SKB-Team
Worte der Vorsänger
Mit Freude denken wir noch an unser Heimspiel gegen Gladbach zurück. Mit einer großartigen Choreographie zelebrierten wir das 50jährige Bestehen unserer Kurve. Das größte Geschenk machten wir uns dabei selbst, indem wir in einer bisher kaum vorstellbaren Lautstärke und Geschlossenheit unsere Mannschaft nach vorne peitschten. Auch wenn es nicht ganz zum Sieg gereicht hat, so bleibt dieses 1:1 wohl jedem und jeder noch lange in Erinnerung. Wir haben an diesem Tag gesehen, wozu wir gemeinsam im Stande sind. Und gerne würden wir ähnlich magische Momente öfter mit euch zusammen erleben.
Von unserer Seite erfolgt jedes Spiel mehrfach die Aufforderung an die Bayernfans im Mittel- und Oberrang sich zu erheben und mitzumachen. An manchen Tagen ist die Resonanz gut, an anderen dagegen weniger. Nicht jeder Spieltag ist gleich und wir wissen, dass nicht alle das gleiche Verständnis von einem Stadionbesuch haben wie wir. Dennoch freuen wir uns jedes Mal, wenn unsere Rufe erhört werden und aus der Südkurve die Lieder nochmal einen Tick lauter erklingen. Dafür benötigen wir die Unterstützung von euch Bayernfans im Mittel- und Oberrang.
Steigt bei den bekannten Gassenhauern ein, nehmt Leute um euch rum mit. Es wird schon oft genug bei gewissen Gesängen eingestiegen, lasst uns das verstetigen und ausbauen, dann sind wir zuhause eine Macht! Wir haben gegen Gladbach gesehen was möglich ist. Mit eurer Unterstützung hoffen wir, dass wir noch viele weitere Male zeigen können, was die SÜDKURVE MÜNCHEN drauf hat.
Robl, Lennart, Hias, Vinz und Pompo
Streckt die Schals in die Höhe!
Der Schal ist das Erkennungsmerkmal jedes Fans schlechthin. Kein anderer Artikel steht so für Fußballkultur. Wir tragen mit Überzeugung unsere Farben um den Hals, repräsentieren mit dem kleinen Stück Stoff unsere Stadt, unsere Kurve, unseren Verein.
Eine Schalparade ist einer der einfachsten und doch wirkungsvollsten Gänsehautmomente, den ein Stadion erzeugen kann. Sie präsentiert sinnbildlich eine Einheit aus vielen Einzelteilen. So verschieden die Schals, so verschieden sind die Leute, die sie hochhalten. Aber am Ende eint uns eben alles zu einer rot-weißen Festung, die als Gesamtbild entsteht, eine Wand hinter ihrer Mannschaft. Aber eben nur, wenn alle dabei sind und flächendeckend die Schals in die Höhe gestreckt werden.
Sind wir ehrlich: Halten am Rand der Kurve nur noch wenige ihren Schal empor beeindruckt das wenig und wird eher belächelt.
Wer hier in der Südkurve steht, ist auch Teil ihrer Rituale.
Nicht jede*r muss 90 Minuten am Rad drehen – auch wenn wir uns das natürlich wünschen würden. Aber lasst uns beim Einklatschen, geschlossenen Hüpfaktionen oder eben dem kollektiven Benutzen unserer Schals ein paar Mal im Spiel eine Kulisse schaffen, mit der wir die Gästefans in München mit großen Augen nach Hause schicken.
Wir sind die Südkurve München – Wir sind eine Macht.
Und auch Du bist ein Teil davon, zeig es!
Schickeria München
FC Bayern – SV Werder Bremen 6:1
Wenn Mittwochmorgen der Schädel dröhnt und die Stimme heiser ist, denken die Kolleg*innen gleich, dass das seit fast drei Jahren grassierende Virus mal wieder zugeschlagen hat. Dass die werten Kolleg*innen sich nach 6 englischen Wochen noch nicht an den Zustand gewöhnt haben, ist nur schwer nachvollziehbar. Aber es sollte ja zum letzten Mal für 2022 sein. Aufgrund näher rückender WM war das Bremen-Heimspiel der vorletzte Akt eines intensiven Herbstes. Mit der Partie gegen Werder stand für uns das 9. Spiel unter der Woche seit dem 31. August an. Straffes Programm, aber immerhin hatten wir bezüglich der abzureißenden Kilometer bei den Auslosungen Glück (Augsburg, Pilsen und Mailand sind ja bekanntlich ums Eck) und auch die DFL nahm Rücksicht auf unsere Bedürfnisse und schenkte uns ein Heimspiel. Des einen Freud, des anderen Leid: An einem Dienstag von Bremen nach München tuckern ist halt schon extrem beschissen. Mit einem Spruchband zu der Thematik eröffneten wir den Spruchbandreigen in der Südkurve: „300 KM versprochen – wieder das Wort gebrochen! Scheiß DFL – Respekt für Gästefans!“; Insgesamt haben die Bremer wenig Glück mit der Terminierung: Freitagabend Hoffenheim, Dienstagabend München und nach Stuttgart geht es an einem Sonntag. Der vor Urzeiten eingeführte Richtwert von 300 Kilometern bei Sonntagsspielen ist gefühlt komplett vergessen. Alleine drei unserer Sonntagsspiele (Bochum (A), Wolfsburg zuhause und auswärts) sind ohne Not auf den Termin gelegt worden. Dass Teilnehmer bestimmter europäischer Wettbewerbe erst Sonntag spielen, ist ja aufgrund des Donnerstagstermins nachvollziehbar. Bei vielen anderen Ansetzungen macht es aber halt einfach keinen Sinn. Umso respektabler die Anzahl und der Auftritt der mitgereisten Gästefans. Verglichen mit vor paar Jahren ist da eine Entwicklung zum Positiven festzustellen.
Nicht nur die DFL bekam den Zorn der Kurve ab, auch aktuelle gesellschaftliche / politische Themen wurden aufgegriffen: von unserer Seite wurde das Mittel der Präventivhaft, welches im bayrischen Polizeiaufgabengesetz verankert ist, kritisiert. Diese wird aktuell bei einigen Klimaaktivist*innen eingesetzt. Die Präventivhaft als solches ist grundsätzlich abzulehnen und wurde von uns bereits bei Einführung im bayrischen PAG kritisiert. Neben der grundsätzlichen Ablehnung muss ich im konkreten Fall zusätzlich an die Redewendung „Mit Kanonen auf Spatzen schießen“ denken, immerhin wurde die Präventivhaft von den Befürwortern oftmals mit dem Argument Terrorabwehr begründet. Ob das bei Menschen, die sich an Straßen festkleben und somit vor allem für eine Verkehrsbehinderung sorgen angebracht ist, müsste selbst von Leuten, die vom PAG überzeugt sind, angezweifelt werden. Dass die ´Bild´ scheiße ist, wurde in diesem Zusammenhang auch mal wieder deutlich. Keine Überraschung aber doch immer wieder erschreckend, wie plump da Stimmung gemacht wird.
Der Queerpass kommentierte zudem die selten dummen Aussagen eines katarischen WM-Botschafters in einer ZDF Doku zum Thema Homosexualität. Dass die Vergabe der WM nach Katar ein Fehler war, dürfte ja nicht erst seit gestern bekannt sein aber mit dieser Aussage zeigt sich, dass dieses Gequatsche, dass die WM für Veränderung sorgen wird, vermutlich nicht so zutreffend ist, wie sich das Gianni und Uli immer wieder einreden.
Wesentlich erfreulicher waren die Spruchbänder aus der Kurve zum Jubiläum des Colegio. Sowohl RFM, Rebels wie auch wir gratulierten zum 15jährigen Bestehen: „Keep Smiling – Ois Guade zu 15 Jahren Colegio!“.
Über die Stimmung zum Jahresabschluss gingen die Meinungen, wie oftmals nach Heimspielen, auseinander. Bis auf Stuttgart (schlecht) und Gladbach (sehr gut) gab es selten ein einhelliges Meinungsbild nach dem Spiel. So war es auch dieses Mal. In der Mitte wurde der Auftritt von einigen für gut befunden, an den Seiten fand dagegen öfter das Adjektiv „zäh“ Verwendung. Eine wirklich objektive Einschätzung ist in der Regel nur von außen möglich. Dort wurde die Einschätzung eines zufriedenstellenden Auftrittes geteilt. Mehr als zufriedenstellend war das Geschehen auf dem Rasen. Dachte man nach dem verschossenen Elfmeter, dass es ein enger Abend werden könnte, sorgte unsere Offensive innerhalb kürzester Zeit für einen 3-Tore-Vorsprung. Die zweiten 45 Minuten hätten locker noch paar Tore mehr draufgelegt werden können aber letztlich fielen „nur“ zwei weitere Treffer. Aufgrund der anderen Ergebnisse am Spieltag steht schon vor der Partie auf Schalke fest, dass wir als Spitzenreiter in die verlängerte Winterpause gehen. Hätte nach den Ergebnissen im September nicht jede*r erwartet. Etwas getrübt wurde das sportliche Geschehen wieder einmal durch den mehrfachen Einsatz des VAR. Vielleicht kommt es einem im Stadion auch nur so vor, aber teilweise dauern die Entscheidungen schon extrem lang. Dass der VAR wieder abgeschafft wird, ist dennoch unwahrscheinlich. Ein Ärgernis bleibt er natürlich trotzdem.
Die Fotos zum Spiel findet ihr hier
FC Schalke 04 – FC Bayern München 0:2
Anders als üblich endete die Hinrunde in dieser Saison bereits Mitte November. Grund dafür ist bekannter Weise die WM in Katar, die in der Adventszeit stattfinden sollte. So führte uns der Spielplan am 15. Spieltag zum Abendspiel nach Gelsenkirchen. Nach Corona und einem Ausflug in die 2. Liga kam es also auch mal wieder auf den Rängen zum Duell mit den mal wieder abstiegsgefährdeten Schalker*innen. Zur Brisanz dieses Duells braucht man wenig Worte verlieren, sind die Spiele gegen Schalke noch einige der wenigen, bei denen es im Vorfeld schon kribbelt. Trotz aller Abneigung und Feindschaft fährt man schlussendlich dann doch lieber nach Gelsenkirchen als nach Hoffenheim oder Wolfsburg.
In den frühen Morgenstunden machten sich die Busse der Fanszene in stattlicher Anzahl auf den Weg Richtung Ruhrpott. Die Hinfahrt verlief unspektakulär, so dass man die Einlasskontrollen der Arena auf Schalke rechtzeitig erreichte. Die Ordner*innen machten bei den Kontrollen einen gelassenen Eindruck. Scheint sich ja ein bisschen was geändert zu haben, musste man sich in den Vorjahren ja oftmals sinnlosen Alkoholkontrollen unterziehen. Im Stadion/Gästeblock hat sich recht wenig geändert. So gibt es immer noch die obligatorischen Gaffer der Nordkurve Gelsenkirchen, die sich vor dem Anpfiff die Zeit damit vertreiben von etlichen Seiten den Gästeanhang zu inspizieren. Der Spielverlauf ist relativ schnell erzählt: Gegen überforderte Schalker hatte der FC Bayern wenig Mühe. Die Tore zum Auswärtssieg erzielten Gnabry und wieder mal Choupo-Moting. Schon krass, was er für einen Lauf hat. Hoffentlich kann er seine aktuelle Form auch in die Rückrunde mitnehmen. Einziges Manko ist die Chancenverwertung. Hätte schon geschmeckt, wenn man den Schalkern noch ein paar mehr Dinger eingeschenkt hätte.
Leider konnte der Gästeblock am heutigen Tag nicht sein komplettes Potenzial abrufen. Vor allem in der ersten Halbzeit mangelte es an Durchschlagskraft. War jetzt unterm Strich kein schlechter Auftritt, allerdings hatten wir in den letzten Jahren stimmungsmäßig schon bessere Auftritte in Gelsenkirchen. In der zweiten Halbzeit konnte man sich steigern, nicht zuletzt wegen des Pyro-Intros bestehend aus Bengalen und Blinkern. Auch sonst brannte es während der zweiten Halbzeit durchgehend an verschiedenen Ecken im Gästeblock. Scheint wohl auch in den Medien gut angekommen zu sein. Merci Lothar ☺
Die Nordkurve Gelsenkirchen fiel mir von meinem Standpunkt aus schwer zu beurteilen. Bewegung und Materialeinsatz waren durchgehend vorhanden. Von der Lautstärke war es okay, in Erinnerung hatte ich die Nordkurve von Spielen gegen uns aber noch einen Tick lauter. Unterstützt wurden Ultras Gelsenkirchen von ihren Freunden aus Enschede und dem Scheiß FCN.
Nach Abpfiff machte sich die Südkurve geschlossen in Richtung Gästeparkplatz. Kurzzeitig kam nochmal etwas Hektik auf, da die Info durchsickerte, dass sich der Heimanhang mit einem Haufen in Richtung Parkplatz bewegte. Passiert ist nichts, Schalker inklusive Freunde hat man auch nicht gesehen. Wäre auch etwas überraschend gewesen, hatten die Bullen doch alles im Griff gehabt.
Unterwegs sammelte man noch unsere Stadionverbotler ein, die uns mit einem kleinen Feuerwerk und dem Spruchband “In München, in ganz Deutschland, in Europa – Diffidati sempre presenti” begrüßten. Dem ist nichts hinzuzufügen – Haltet durch, Freunde! Erfreulicherweise lud ein Diffidati an diesem Spieltag zur Ausstandsrunde. Willkommen zurück!
Auf Grund von einigen Stauumfahrungen zog sich die Rückfahrt leider in die Länge. An einem Rastplatz traf man sich dann nochmal kurz mit Ultras Bochum, die auf dem Heimweg ihres Auswärtsspiels in Augsburg waren. Sonntagmorgen konnte man dann schlussendlich einen Haken hinter das Fußballjahr 2022 und eine stressige und anstrengenden Rückrunde machen.
Ultrà Sankt Pauli
Das Verhältnis der Gruppen, ihre Freundschaft zueinander, war von Anfang an durch gegenseitige Solidarität und Zusammenhalt geprägt. So entstanden die ersten Kontakte im Jahr 2003 im Rahmen eines Freundschaftsspiels, bei dem USP sich per Spruchband hinter uns stellte, während in München das ‚Sommertheater‘ zwischen Gruppe und eigenem Verein in vollem Gange war. Für einige unserer Mitglieder wurde Hamburg und natürlich speziell das Viertel ein Rückzugsort in schweren, nervigen Zeiten in der eigenen Stadt, da man hier sehen konnte wie das Verhältnis zwischen Verein und Fanszene eben auch sein kann. Das, aber natürlich allem voran die Herzlichkeit, mit der man bis heute empfangen wird, sorgte dafür, dass über die Jahre sehr enge persönliche Freundschaften entstanden sind, was uns zum nächsten Punkt bringt: es menschelt sehr zwischen uns. Um das vielleicht kurz etwas auszuführen, da es sich im ersten Moment vielleicht nicht so besonders anhören und den Gedanken hervorrufen mag, dass persönliche Bindungen zwischen Mitgliedern der Gruppen die selbstverständliche Basis einer Gruppenfreundschaft ist, möchte ich behaupten, dass diese Aussage zwar vollkommen der Wahrheit entspricht, sich das Verhältnis zwischen uns aber einfach anders anfühlt, auch wenn vielleicht in manchen Phasen nur kleinere Kreise hin und her gefahren sind, bevor in den letzten Jahren die große Masse folgte. Wie viele verschiedene Menschen man kennenlernen durfte im Kontext FC St. Pauli, in dem wir, die Ultras des großen, doch so gegensätzlichen FC Bayern München, auf den ersten Blick vielleicht eigentlich so gar nicht reinpassen. Doch unsere Freund*innen von USP haben das möglich gemacht, haben dafür gesorgt, dass wir immer wieder ein Teil sein dürfen von einem Flair, dass das Viertel, ihren Verein und ihre Art Ultrà zu leben umgibt. So viele Persönlichkeiten, die aufeinanderprallen und sich doch so gut ergänzen. Das und vieles, vieles mehr sorgt dafür, dass diese Freundschaft wirklich eine Herzensangelegenheit geworden ist, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, sich gegenseitig in schwereren Zeiten nicht nur nach außen hin beizustehen.
Abschließend kann man sagen, dass das Fundament für eine hell scheinende Zukunft gelegt ist, die jüngeren Generationen sind untereinander so vernetzt, dass man fast denken könnte, dies sei ein Automatismus, der schon immer genauso abgelaufen ist. Wir können stolz sein auf das, was wir haben, auf das was wir Seite an Seite durchgemacht haben, alle Höhen und Tiefen, und auf das, was noch alles so kommen wird!
Ultrà Sankt Pauli und Schickeria München – gemeinsam halten wir den Kurs, egal wie stark die Stürme sind!
Horda Azzuro
Die Kontakte nach Jena entstanden im Jahr 2007 und damit ein so enger Austausch, dass wir bereits 2010 sicher waren: Schickeria und Horda, das passt wie Arsch auf Eimer. Thüringenpokal und Europapokal ergänzen sich ganz einwandfrei. Was wir seither zusammen gesehen, ausgeheckt und erlebt haben, könnte Bücher füllen und hat auch dazu geführt, dass die Freundschaft sich mittlerweile auf die komplette Südkurve Jena ausgeweitet hat.
In unserer gemeinsamen Zeit durchlief der FC Carl Zeiss sportliche Berg- und Talfahrten, wobei es leider öfter bergab als bergauf ging. Begeistert sind wir angesichts dessen vom nicht nachlassenden Engagement der Jenaer Südkurve, die nie den Kopf in den Sand steckt, sondern trotz aller Widrigkeiten wie Abstiegen, einem Investoreneinstieg, schlechter Finanzplanung und einem Stadionneubau ohne Rücksicht auf Faninteressen, weiter alles tut den FCC nach außen laut und farbenfroh zu repräsentieren und nach innen dafür zu sorgen, dass der Verein endlich mal in ruhigere Fahrwasser gerät und sich eine konstantere Zukunft aufbauen kann.
Auch wenn dies Zeit und Ressourcen beansprucht, ist man sich in Jena nie zu Schade auch an einem Freitag nach der Arbeit noch ins Auto zu steigen, um uns beispielsweise in Augsburg zu unterstützen. Und die Leute machen das selbst, wenn wir ihnen vorher schon sagen, dass wir vermutlich keine Karte über haben werden. Es zählt trotzdem die gemeinsame Zeit. Wir werden in Jena immer mit offenen Armen empfangen und es ist für den/die ein oder andere über die Jahre quasi zu einem zweiten zu Hause geworden. Denn auch wir als Münchner*innen wissen…in Jene lebt sich’s bene.
Einer der letzten großen Aufreger in Jena war das Heimspiel gegen Lok Leipzig. Im Vorfeld hatte es einen Maßnahmenkatalog seitens der Sicherheitsbehörden gegeben. Zusätzliche Personenkontrollen, Durchsuchungen von seit Jahren durch die Fanszene genutzten „Räumlichkeiten/Verkaufsbuden“, hohe Auflagen für die Gästefans u.a. ein Verbot befreundeter Fans von anderen Vereinen im Gästeblock, Materialkontrollen durch Polizei und Spürhunde. Wir sprechen hier natürlich weiterhin von einem Viertligaspiel und einem Verein, den man gemessen an unseren Verhältnissen sicher eine familiäre und beschauliche Atmosphäre attestieren kann. Für die Südkurve Jena war dies umso mehr ein Schlag ins Gesicht und schweren Herzens entschied man sich im Namen einer freien Fankultur, das Spiel nicht zu besuchen, sondern nach einem gemeinsamen Marsch bis zu den Stadiontoren ein Alternativprogramm zu organisieren. Die Polizei malte sich wohl einige Schreckensszenarien aus, denn selbst aus München waren szenekundige Beamte in zivil vor Ort. Eigentlich war es aber nur ein entspannter Tag, leider ohne Stadionbesuch.
VfL Bochum
Bayern und der VfL, diesen Satz wird jede*r schon mal gelesen oder als Fangesang der Südkurve wahrgenommen haben. Seit bereits 50 Jahren bestehen die Kontakte zur Anhängerschaft des VfL aus Bochum und können daher als eine der ältesten Fanfreundschaften Deutschland bezeichnet werden. Die ersten Kontakte sind entstanden, als Fans des FC Bayern ihre Mannschaft 1973 zum Auswärtsspiel ihres Vereins in den Ruhrpott begleiteten und dabei Fans vom VfL Bochum kennenlernten. Seit diesem Tag pflegen beide Fanlager ein sehr inniges Verhältnis über alle Generationen hinweg. Angefangen bei den Alten vom Fanclub Südkurve 73, die fest mit den Bochumer Jungen verbunden sind, über die Red Angels und Bochum Ost, bis hin zu uns, der Schickeria München, die schon lange eine Freundschaft zu den Ultras Bochum leben. Dies sind nur ein paar Beispiele dieser großen Freundschaft, die sich, wie man mit Stolz sagen kann, auf die ganze Südkurve München und Ostkurve Bochum ausbreitet.
Sportlich gesehen läuft es beim Verein aus dem Ruhrpott die letzten Jahre wieder gut. Nach dem Abstieg 2010 aus der Bundesliga konnte der VfL nach 11 Jahren in der 2. Bundesliga endlich wieder in die höchste Spielklasse Deutschlands aufsteigen. Seitdem herrscht in der ganzen Stadt und im Verein eine große Euphorie, die hoffentlich noch lange weitergeht. Eines ist klar, der VfL Bochum ist ein Verein den man definitiv gerne in der Bundesliga sieht. Alle, die schon einmal ein Spiel im Ruhrstadion gesehen haben, können dies bestimmt bestätigen. Kommt es doch ganz nahe dran wie man sich Fußball vorstellt. Mit einem kühlen Fiege in der Hand die Castroper Straße hoch zum Stadion laufen und mitten in der Stadt Bundesliga Fußball schauen, wie es halt schon vor 50 Jahren war.
Wir sind stolz auf diese Freundschaft und möchten uns auch bei allen bedanken, die diese schon seit 50 Jahren pflegen und leben. Allen anderen können wir einen Besuch im Ruhrstadion nur nahe legen.
Auf die nächsten 50 Jahre!
Bayern und der VfL
Ultramarines Bordeaux
Die jüngste Freundschaft unserer Gruppe ist die zu den Ultramarines Bordeaux 1987. Entstanden sind die Kontakte im Rahmen des Alerta Turniers in Venedig und dann vor allem im Zuge der gegenseitigen Duelle in der Europapokal-Saison 2009/2010.
Dort traf man sich in einem sehr kleinen Rahmen beim Hinspiel in München und verabredete sich eigentlich zu einem weiteren Treffen beim Rückspiel. Das anberaumte Treffen fiel dann leider szeneinternen Problemen zum Opfer und so kam es in der Folge im Rahmen von Spielbesuchen zu einer Vertiefung der Kontakte beider Seiten.
Das Ganze gipfelte dann in einer Einladung seitens der Ultramarines zu ihrem 25 Jahre Spiel im November 2012 die Fahne erstmalig aufzuhängen. Da nur drei Tage danach unser Europapokal-Spiel in Valencia anstand, nutzte damals eine Autobesatzung die historische Chance und verlieh der Freundschaft auch einen offiziellen Rahmen. Das 25 Jahre Spiel gegen Marseille blieb allen Beteiligten auch nachhaltig im Gedächtnis. Zum damaligen Zeitpunkt war das Verhältnis unserer Gruppe zum Verein schlichtweg katastrophal. Umso mehr beeindruckte uns das genaue Gegenteil, was wir vor Ort in Bordeaux präsentiert bekamen: Der Präsident persönlich brachte eine Tafel am Eingang der Virage Sud an, um den Ultramarines zum 25. Geburtstag zu gratulieren. Im Stadion brandete tosender Applaus auf, als der Stadionsprecher eine Lobeshymne auf die Gruppe anstimmte. Das Spiel, der Tifo und die permanente Kommunikation der Vorsänger mit der Kurve waren weitere Elemente, die für uns in der Form nicht gänzlich neu aber dennoch anders waren.
Drei Tage später nach Valencia begleitete uns dann auch direkt eine Abordnung der Ultramarines und so feierte nur 3 Tage später auch die Fahne der Ultramarines die Premiere an unserem Zaun.
Seitdem sind 10 Jahre ins Land gezogen und heute kann man konstatieren, dass die Freundschaft sich stetig weiterentwickelt hat und auf einem sehr guten Niveau angekommen ist. Besonders aufgrund der großen Distanz und des intensiven Spielplans unseres FC Bayern ist es nicht immer einfach die Freundschaft in Form von Spielbesuchen aufrecht zu erhalten und mit Leben zu füllen. Dennoch rollt fast immer, wenn es der Spielplan hergibt eine Autobesatzung zum Spiel der Bordelais. Aufgrund der großen Distanzen beschränkt sich dann die gemeinsame Zeit meist nur auf das Spiel selbst plus 2-3 Stunden davor oder danach. Umso wichtiger sind die gemeinsamen Wochenenden im Rahmen der jeweiligen Turniere, der gemeinsamen Sommerurlaube oder der Gruppenjubiläen geworden.
Erst Ende 2022 durfte man innerhalb von 2 Wochen zweimal anstoßen. Zunächst 35 Jahre Ultramarines in Bordeaux und dann 20 Jahre Schickeria in München. Von beiden Seiten war eine stattliche Anzahl an Ultras angereist und man hatte mehrere Tage Zeit sich über diverse Themen auszutauschen. Besonders erfreulich ist hierbei, dass die Freundschaft sich mittlerweile durch alle Generationen zieht. In Bordeaux ist die Gruppe relativ klar nach den jeweiligen Generationen aufgebaut und es ist immer beeindruckend, wie viele alte Mitglieder nach wie vor zu 100% am Start sind und die Gruppe prägen. Besonders zur älteren Generation war das Verhältnis zu Beginn der Freundschaft durchaus schwierig, da viele schlichtweg nicht darüber hinwegsehen konnten, dass man nun eine Freundschaft zu den Ultras des FC Bayern pflegt. Der FC Bayern, der ihnen 1996 die schlimmste Niederlage ihrer ganzen Fankarriere zugefügt hat. Nichtsdestotrotz war von Anfang an eine gewisse Neugier vorhanden und mit der Zeit konnte sich durch die regelmäßigen Besuche auch schlichtweg der Respekt der alten Generation erarbeitet werden. Dies mündete schließlich im Besuch der alten Garde zum Europapokal-Heimspiel gegen Tottenham im Dezember 2019, welcher die Freundschaft nochmals enorm verfestigte.
Die Möglichkeit zu haben sich mit diversen Generationen Ultras auszutauschen und von einer Gruppe zu lernen, die schon deutlich mehr Jahre auf dem Buckel hat, ist sicher eine der größten Bereicherungen durch die Freundschaft.
In Bordeaux lebt man vor, wie es funktioniert, verschiedenste Generationen an Ultras nachhaltig in die Gruppe zu integrieren und die Verantwortung stets in eine neue Generation weiterzutragen. Obwohl die Gruppe aktuell am sportlichen Tiefpunkt des Vereins angekommen ist, liefert die Kurve nach wie vor ab. Bestes Beispiel hierzu sind wahrscheinlich die spektakulären Bilder zu 35 Jahre Ultramarines im Heimspiel gegen Pau im November, als mit etlichen Aktionen der Geburtstag gebührend zelebriert wurde.
Trotz des Niedergangs steht eine neue junge Generation in den Startlöchern und übernimmt bereits viele alltägliche Aufgaben der Gruppe. Es bleibt zu hoffen, dass der baldige Wiederaufstieg in die Ligue 1 gelingt und man auch auf den Rängen die Duelle bekommt, die diese Kurve verdient.
Wir werden die Bordelais auch weiterhin auf ihrem Weg begleiten und blicken voller Stolz zurück auf die letzten 10 Jahre. Angesichts der guten Basis, auf der die Freundschaft steht, kann man voller Vorfreude der Dinge harren, die noch gemeinsam auf uns zukommen werden.
BORDEAUX E MÜNCHEN ALLEZ!
Sambenedettese Calcio
Wenn Ihr dieses Südkurvenbladdl in den Händen haltet und diese Zeilen lest, dann hat unsere Freundschaft mit der Curva Nord Massimo Cioffi in San Benedetto del Tronto fast die Volljährigkeit erreicht. Ende März ist es nun schon 18 Jahre her, dass beim Spiel der magica Samba gegen Napoli eine 9er-Besatzung aus München erstmals eine beeindruckende und schöne Zeit an der Riviera delle Palme hatte.
Seitdem ist kein Sommer vergangen, in dem wir nicht die Sonne am Strand der Adria genossen und keine Saison, in der wir nicht regelmäßig bei den Spielen der U.S., S.S. oder A.S. Sambenedettese Calcio präsent waren und die typischen ewigen Abstürze und Neuanfänge eines kleinen italienischen Vereins begleiteten.
Auch diverse Umstrukturierungen in der rot-blauen Fanszene konnten unserer Verbindung in die Marken keinen Abbruch tun und so feierten wir im vergangenen Jahr pandemiebedingt mit einiger Verspätung in großer Runde mit allen Gruppen der Curva Nord und einer hohen zweistelligen Anzahl Leute verschiedener Gruppen aus München unser gemeinsames 15jähriges Jubiläum am Strand San Benedettos.
Beim Blick auf die aktuelle Situation hingegen gibt es leider wenig Positives zu berichten. Man liegt mal wieder im Clinch mit der Vereinsführung und wünscht diese zum Teufel. Die Mannschaft kickt im Mittelfeld der tristen Serie D gegen kleine Provinzvereine aus der Region und selbst der eigene Stadtteilverein aus Porto d’Ascoli steht in der Tabelle momentan über einem.
Selbstredend hat dies auch Einfluss auf die Besucherzahlen und so halten in erster Linie die Treuesten der Treuen und die Ultras-Gruppen den Rossoblu die Stange und stehen mit ein paar Hundert Leuten in der Curva Nord.
Auch wir waren dabei in jüngerer Vergangenheit beim Auswärtsspiel gegen Porto d’Ascoli im eigenen Stadion und dem Heimspiel gegen Matese, bei dem man phänomenal in der Nachspielzeit einen Elfmeter vergeigte (Grüße an Francis Kioyo) zu Gast. Endlich hatten wir nach zahlreichen reinen Urlaubsbesuchen in SBT auch mal wieder die Möglichkeit, Stadionluft im Riviera zu schnuppern, und mit unseren Freunden gemeinsam zu springen, Spaß zu haben und Samb e Monaco zu besingen.
Schauen wir in die Zukunft, bleibt die Hoffnung, dass das gewohnte italienische Chaos Samb bald wieder in höhere Gefilde befördert und wir wieder namhaften Kurven gegenüberstehen können. Besonders die alten lokalen Rivalen aus Ancona, Ascoli, Perugia und Pescara sind dabei stets im Blick.
In diesem Sinne: Forza grande Samb – Siamo sempre con te!
Kawkab Athletic Club Marrakesh – CODM Meknès 0:0
Ein vielversprechendes Spiel stand uns in Marrakesch bevor, gerade auch hinsichtlich der zwei Fanszenen. Beide Mannschaften haben sportlich leider ihre beste Zeit hinter sich und sind bis in die dritte Liga abgestürzt, die in Marokko bereits zum Amateurbereich zählt. Vor paar Jahren noch hat Kawkab international gespielt, aber letzte Saison landeten sie dann in der 3. Liga. Trotz allem erhofften wir szenetechnisch ein hochkarätiges Spiel.
Schon die Terminierung herauszufinden stellte eine Herausforderung dar und konnte nur durch große Mühe und einige Hilfe aus München in Erfahrung gebracht werden. Mit der Translate-Funktion konnte dann auch der Vorverkauf im Netz einen Tag vorher ausfindig gemacht werden. Ganze 50 Dirhams mussten wir pro Ticket locker machen, was umgerechnet 4,50 Euro entspricht. Fair!
Dass das Spiel unter Ausschluss der Gästefans aus Meknès stattfinden würde, schmälerte die Vorfreude ein wenig. Der Traditionsverein aus Meknès reist normalerweise mit größerem Anhang an, doch wegen Schlägereien und Einsatz von Pyro war dies vom marokkanischen Verband verboten worden.
Bereits am Mittag des Spieltags war in den öffentlichen Verkehrsmitteln spürbar, dass ein Fußballspiel bevorstand. Sehr viele junge Menschen, hauptsächlich männlichen Geschlechts, waren in Fußball- und Singstimmung.
So suchten auch wir uns gegen 13:30 Uhr ein Taxi. Wir hatten den Fahrer mit dem besten Angebot ausgewählt, der womöglich großväterliche Gefühle für uns entwickelt und uns nach einigen Preisdiskussionen die Fahrt um 50 Dirham günstiger als die verhandlungsfreudige Konkurrenz angeboten hatte.
Auf der Fahrt war Fußballeuphorie pur zu sehen. Zu allen Seiten junge Menschen, die irgendwie versuchten zum Stadion zu kommen. Das Stadion in Marrakesch liegt weit außerhalb. Wer damals mit dem FC Bayern beim Spiel um den Weltpokal dabei war, wird sich noch erinnern. Ob zu dritt auf dem Motorrad, auf dem Viehtransporter, auf dem Dach des Linienbusses, alle zur Verfügung stehenden Reisemittel wurden genutzt. Wir luden einen Jugendlichen in unser Taxi ein, der sich zu Fuß auf den Weg gemacht hatte. Am Stadion angekommen wurden wir von der Polizei, die in großer Zahl anwesend war, zum Stadion geleitet. Direkt am Eingang der Curva Sud Marrakesch erwarteten uns die Kontrollen. Hätte man auch überspringen können, denn beim Abtasten wäre wahrscheinlich auch nicht aufgefallen, hätte ich zwei Dutzend Raketen dabeigehabt.
Auf dem Weg zur Osttribüne des Stadions sorgten wir mit unserem Erscheinungsbild für gewisse Aufmerksamkeit. Von allen Seiten wurden wir mit einem ‚Welcome‘ begrüßt. Und die Frage ‚are you european ultra?‘ habe ich mehrfach gehört. Es wirkte so, als ob Besuche aus Europa nicht allzu häufig seien.
Bereits 45 Minuten vor Spielbeginn konnte man auch außerhalb des Stadions lautstarke Gesänge aus der Kurve vernehmen. 25 Minuten vor Spielbeginn betraten endlich auch wir die Osttribüne und schauten uns erstmal um. Relativ viel Bewegung, sowohl in der Kurve als auch um uns herum. Die Ultrà-Gruppe Crazy Boys war präsent, Schals waren in der Kurve und in unserer Nähe zu sehen.
Die Kurve war durchgehend am Singen, längst bevor die Mannschaften aufs Feld kamen. Der Support der Kurve war überragend und immer wieder ging eine oder gleiche mehrere Fackeln hoch. Hörenswert waren die Gesänge, die an den südamerikanischen Stil erinnerten, aber trotzdem irgendwie arabisch wirkten, und das bei 100%iger Mitmachquote und mit geradezu brachialer Lautstärke. Die Crazy Boys standen verteilt in mehreren Bereichen: Unter- und Oberrang der Kurve, sowie vereinzelt auf der Osttribüne. Im Kurvenunterrang haben die Ultras aus Marrakesch vier Vorsänger, davon zwei dauerhafte Hauptvorsänger in der Mitte, und drei Trommeln positioniert. Im Oberrang eine lange Zaunfahne mit der Aufschrift ‚Ultras Crazy Boys 2006‘. Darüber ist zentral eine kleine Palästina-Flagge gehängt. Hinter der Zaunfahne sind in einem gleichmäßigen Abstand vier große Schwenker im Dauereinsatz. Einige kleinere Fahnen sind über die Blöcke verteilt.
Zur 7. Minute wurde dann eine erste Fackel gezündet, auf welche sehr viele im Block verteilt folgten. Auch auf der Osttribüne wurde vereinzelt gezündet. Alles in allem war die erste Halbzeit stimmungsmäßig absolut top, weshalb das Fehlen der Gästefans gar nicht so sehr aufgefallen ist. Auch auf dem Feld wurde ordentlich gekickt. Einige Chancen auf beiden Seiten, leider keine Tore.
Ohne Gästefans begannen die Fans von Kawkab in der Halbzeitpause trotzdem ein kleines Handgemenge. Den Gegenpart durften die Bullen übernehmen. Sitze wurden ausgerissen und auf die Cops geworfen. Den Crazy Boys gefiel das Ganze allerdings nicht. Sie versuchten das Geschehen zu beenden und die riotbegeisterten, überwiegend jungen Fans in den Griff zu bekommen. Meine Rolle dabei bestand übrigens darin, für Ruhe zu sorgen, indem ich mit meinem Kopf den Flug einer Sitzschale unterbrach. Währenddessen holten auf der anderen Seite der Tribüne Gläubige ihr etwas verspätetes Gebet nach.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit startete die Kurve dann sehr zäh. Auch das Spiel hatte überhaupt kein Feuer mehr.
Die schlechte Stimmung zog sich leider bis zum Abpfiff. So gut die erste Halbzeit war, so schlecht war die zweite. Daran änderten die vereinzelten Fackeln nichts, die erst gezündet und dann im eigenen Block umhergeworfen wurden. Statt Gesängen gab’s dann diverse Schlägereien, bei denen es mitunter ziemlich grob zuging. Als dann einige auf die Idee kamen, die Zaunfahne der Crazy Boys wegzuziehen, wurde wiederum heftig geprügelt. Was das alles sollte? Keine Ahnung. Es war etwas schwer nachzuvollziehen.
Das Spiel zog sich in die Länge und das Treiben in der Kurve verlor schnell an Unterhaltungswert. Gut, dass nach exakt 90 Minuten pünktlich das Spiel abgepfiffen wurde. Auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt mit unserem Taxifahrer des Vertrauens wurde ich dann von einem Mann mit um die Hüfte gebundenem Schal der Crazy Boys angesprochen. Wir kamen ins Gespräch, bevor er uns zum Taxi begleitete. Er meinte, direkt am Stadion müssten wir ein Slum passieren, weswegen er zu unserer Sicherheit mitkäme. Währenddessen erzählte er: Die Crazy Boys hätten interne Streitereien, da die meisten Mitglieder aus zwei benachbarten, aber eigentlich verfeindeten Stadtteilen Marrakeschs kommen. Deshalb also die Pyroschmeißerei und Schlägereien. ‚Normally we are all friends for Kawkab, unfortunately today this did not work‘, sagte er grinsend.
Eine seiner Aussagen, die direkt große Sympathie auslöste: ‚Scheiß hsv, in Germany I really hate the shit hsv‘
Mit einem herzlichen ’see you next time, inshallah‘ verabschiedeten wir uns am Taxi und fuhren wieder Richtung Stadt, wo wir uns über den Dächern von Marrakesch statt dem gewohnten Bier einen Minztee gönnten.
Erinnerungstag im deutschen Fußball
Wir beteiligen uns seit über zehn Jahren am Erinnerungstag im deutschen Fußball, der von der 2004 gegründeten Initiative „!Nie Wieder“ (www.niewieder.info) rund um den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar organisiert wird.
Wir haben die Organisatoren der Kampagne auf unserem ersten Kurt Landauer-Turnier im Jahr 2006 kennengelernt, als wir mit den Teilnehmern eine Führung durch die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Dachau besucht haben. Seitdem sind sie regelmäßige Gäste auf dem Kurt und wir stehen mit vielen Projekten und Ideen im Austausch.
Die Initiative setzt sich aus verschiedensten Akteuren und Gruppen zusammen und entsprechend sind die Aktionsformen sehr verschieden, für uns als Schickeria liegt es natürlich nahe, Aktionen im Stadion zu machen. Mit unseren Aktionen erinnern wir dabei an mit unserem Verein verbundene Persönlichkeiten und deren Schicksal in der Nazi-Diktatur. Diese Schicksale mahnen uns, auch heute vor Rassismus und anderen Diskriminierungen nicht die Augen zu verschließen, sondern ihnen entgegenzutreten.
Auf dem ersten Kurt hatten wir auch den Zeitzeugen und Holocaust-Überlebenden Martin Löwenberg zu Gast, der uns mit eindrucksvollen und erschütternden Worten die Schrecken beschrieben hat. Das Leben von Martin Löwenberg, der leider 2018 verstorben ist, sich schon als Jugendlicher mit seinen Freunden den Gängelungen durch die Hitlerjugend entgegenstellte und bis zu seinem Tod in München bei Protesten gegen Nazi-Aufmärsche stark involviert war, ist ein großes Vorbild und lässt München leuchten.
Wir wollen in naher Zukunft neben der Erinnerung an Personen aus dem Fußball- und FC Bayern-Kosmos auch an andere Personen aus der Stadtgesellschaft erinnern und damit über unseren Tellerrand schauen. Seid gespannt und haltet selber die Augen offen. Beschäftigt Euch mit der Geschichte, damit sie sich nicht wiederholt. NIE WIEDER!
Auf der Facebook Seite der Kurt Landauer Stiftung findet Ihr einen Text zu Walther Bensemann, passend zum diesjährigen Erinnerungstag.
Was tun bei einer Polizeikontrolle?
Als aktiver Fußballfan kann es immer mal vorkommen, dass man in Kontakt mit der Staatsgewalt kommt, häufig unverschuldet. Es reicht schon zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein oder einem Beamten zu begegnen, der einfach Bock hat, dich zu nerven. Was tun in so einem Fall?
Regel Nummer eins ist immer, die Ruhe zu bewahren. Egal was der Beamte oder die Beamtin sagt oder tut, in erster Linie schadest du nur dir selbst, wenn du ihn bzw. sie verbal oder auch körperlich attackierst oder anderweitig aggressiv auftrittst. Bleib ruhig und jederzeit höflich.
Ein guter Anfang ist, nach dem Grund der Kontrolle zu fragen, um zu erfahren, ob du eventuell schon Beschuldigte*r einer Straftat bist oder ob es sich um eine verdachtsunabhängige Kontrolle handelt. Dies dient jedoch nur einer Einschätzung der Lage, am weiteren Vorgehen ändert keine der Antworten etwas. Denn in JEDER Situation gilt: wir reden nicht mit den Bullen! Egal worum es geht, du bist nur verpflichtet deine Personalien anzugeben, also alles was auf deinem Personalausweis steht. Du musst und solltest nicht angeben, wo oder was du arbeitest, wo du zur Schule gehst oder studierst, wie du das Spiel fandest, oder, ob du gut drauf bist. Es ist unerheblich, wie unverfänglich dir das Thema erscheint oder wie nett der oder die Beamt*in ist, das einzige Ziel der Bullen ist es, Informationen von dir zu erhalten, sei es über ein mögliches Vergehen oder über generelle Auskünfte zu deiner Person oder zu anderen.
Äußere dich auch nicht zu Anschuldigungen gegen Dritte oder zu welchen, für die du tatsächlich ein stichhaltiges Alibi hast oder sowieso niemals begehen würdest. Bei JEDEM Thema gilt: Reden ist Silber (treffender: Mist), Schweigen ist Gold.
Auch, wenn die Beamt*innen dir drohen oder behaupten, dass es besser für dich wäre oder du die Kontrolle schneller verlassen kannst, wenn du ihre Fragen beantwortest, dient dies nur der Einschüchterung. Es darf dir, für den Fall, dass es zu einem Verfahren kommt, nicht negativ angelastet werden, dass du die Aussage und Kooperation verweigert hast – eine Aussage, die du im Nachhinein vielleicht nicht oder anders getroffen hättest, allerdings schon. Jederzeit kannst du zu einem späteren Zeitpunkt eine Aussage nachholen, wenn dein Anwalt bzw. deine Anwältin dies für sinnvoll erachtet. Manch eine*r hält sich für schlauer als die Polizei und meint, er oder sie könne eine große Story erzählen, um sich aus der Sache herauszureden; aus Erfahrung können wir sagen, dass das so gut wie immer schief geht. Die Beamt*innen sind für eben solche Befragungen geschult und sie merken sofort, wenn du dich in einem kleinen Detail widersprichst oder dein vermeintliches Alibi nicht stichhaltig ist. Ohne anwaltlichen Rat ist es ganz einfach: du sagst nichts!
Nach einer Kontrolle, die eventuell ein Nachspiel haben könnte, ist es ratsam, direkt im Anschluss ein Gedächtnisprotokoll zu verfassen, also die Situation in schriftlicher Form so darzulegen, wie man sie erlebt hat.
An dieser Stelle sei nochmal klargestellt, dass jede*r, der/die einen anderen aktiven Fan verpfeift – egal ob Bayernfan oder nicht – bei uns in der Fanszene nicht mehr geduldet wird.
Kein Freund, kein Helfer!
Antifaschistische Hooligans aus Kyiv im Krieg gegen Putins Regime
Am 10. September las ich vom Tod Yuriy Samoilenkos. Er war als Commander des Hoods Hoods Klans im Kampf gegen russische Einheiten im Osten der Ukraine, in der Region Kharkiv getötet worden. Irgendwann hatte ich schonmal vom Hoods Hoods Klan gehört und begann ein wenig zu recherchieren. Es handelt sich nicht um eine rechtsextreme Gruppe, sondern um Fans von Arsenal Kyiv, die sich selbst im Spektrum zwischen Ultras und Hooligans einordnen. Dass es sich bei ihnen um die einzigen explizit antirassistischen und antifaschistischen Hooligans in der Ukraine handelt, ist bei dem Namen nicht zu erwarten gewesen. Mitglieder der Gruppe berichten von zahlreichen Kämpfen mit Rivalen, speziell mit Neonazis.
Im Internet findet sich eine knapp halbstündige Doku namens „Frontline Hooligan: Ukraine’s Anti-Fascist Football Ultras Fighting Russian Invasion“, die Mitglieder der Gruppe begleitet, die sich nach dem Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 entschlossen haben, statt mit Fäusten andere Hools nun mit Waffen die russischen Streitkräfte zu bekämpfen. Recht offen wird erzählt, woher die Motivation kommt, ein eigenes Bataillon zu bilden und sich dem Resistance Committee anzuschließen, das anarchistische und andere linke und antiautoritäre Kräfte im Kampf gegen Russland bündelt und dabei von der Hilfsorganisation Operation Solidarity unterstützt wird.
Die Soldaten, die sie jetzt sind, wirken erstaunlich locker und gut gelaunt. Sie befinden sich noch in der Ausbildung und erlernen den Umgang mit Kriegswaffen. Samoilenko ist als Ausbilder zu sehen, wie nach seinem Tod erklärt wurde, aber sein Gesicht ist verpixelt. In Einzelgesprächen wird schnell deutlich, welche Sorgen sie sich machen: Sorgen um die zurückgelassenen Familien, um die Menschen, die nachts im Bett schlafend mit Bomben beworfen werden, und auch um die Folgen ihres Einsatzes. Sie spüren weniger Angst davor, getötet zu werden, als vor posttraumatischen Belastungsstörungen, die die Rückkehr in ein normales Leben verhindern könnten. Und sie reden von dem normalen Leben, das es nun nicht mehr gibt. Mit Freunden abhängen, mit der Familie Zeit verbringen, als Barber oder als Tätowierer arbeiten, Spaß haben. Von ihren politischen Überzeugungen sprechen sie nicht im Detail. Für welche Gesellschaft sie sich einsetzen, bleibt relativ offen. Die Differenzen mit den rechten Gruppen anderer Vereine und die innerukrainischen Konflikte spielen für sie keine Rolle, solange die russische Invasion andauert. Diese stellt alles in den Hintergrund. Das Ziel ist es, wie einer der Soldaten erklärt, „ein paar russische Schweine“ zu töten.
Die Dokumentation ist frei zugänglich und kostenlos. Es werden zwar keine Bilder von Kampfhandlungen gezeigt, aber welche von völlig zerstörten Wohnhäusern und von Menschen, die getötet wurden.
Der Hoods Hoods Klan hat einen aktuellen Account bei Instagram.