- Vorwort
- Spielbericht Mailand
- Spielbericht Stuttgart
- Spielbericht Barcelona
- Spielbericht Augsburg
- Lesen bildet
- Spielbericht Schweine RWE – Jena
- Spielbericht Kaiserslautern – St. Pauli
- Blick über den Tellerrand
- Termine
Servus Bayernfans,
traditionell ist der FC Bayern bei Wiesn-Heimspielen eine Macht und nachdem wir bei den letzten Ligaspielen etwas von der Straße des Erfolgs abgekommen sind, ist es heute dann auch mal wieder ganz akut Zeit für drei Punkte.
Auch auf den Rängen hat die Formkurve kürzlich eher nach unten gezeigt. Ob im Festzelt oder am Südkurvenplatz, vielleicht verhilft das Feierabendbier ja zu einer gewissen Lockerheit, so dass unsere Lieder wieder unbeschwert und laut durchs weite Runde schallen.
Wir wollen ja Samstag alle katerfrei das letzte Festwochenende in Angriff nehmen und wie ginge das besser als mit einem guten Auftritt von Verein und Kurve im Rücken.
Auf die Bayern!
Inter Mailand – FC Bayern 0:2
Ich denke niemand, wirklich niemand hat sich bei der Auslosung über das Los „Inter Mailand“ nicht gefreut. Vor allem für die jüngere Generation gab es so die Möglichkeit, das ehrwürdige San Siro nochmal mit dem FC Bayern zu kreuzen.
Aufgrund der nicht allzu großen Entfernung nach Mailand rollten dann Dienstag Nacht trotz extrem kurzer Planungszeit sieben Busse in den Süden. Pünktlich zum Mittagessen erreichten wir Mailand und fuhren zügig mit der U-Bahn in die Innenstadt, um den Spieltag bei Pizza, Bier und Aperol zu genießen. Gegen 17 Uhr versammelten sich die Bayernfans am Treffpunkt beim Parco Tre Torri, um von dort die letzten Meter zu Fuß zum Giuseppe-Meazza-Stadion zu laufen. Schon beim Marsch merkte man, dass die ca. 2500 Bayernfans ziemlich Bock hatten und der ein oder andere vernichtete bei der Gelegenheit noch ein paar Reste vom letzten Silvester.
Die Kontrollen konnten – wie später auch ersichtlich – ohne Probleme passiert werden und es ging den einzigartigen Wendellauf, welcher beim Betrachten von außen durch das Hochlaufen der Leute den Eindruck vermittelt, als würden sich die „Spiralen“ drehen, in den Gästeblock. Dieser erstreckte sich über den kompletten Oberrang im Süden des Stadions, lediglich in der Mitte waren drei Blöcke aufgrund der Statik gesperrt (ist halt nicht mehr das jüngste Stadion). Kreativ ist der Bayernfan und nutzt die Sperrung dann gleich für eine Choreo zu Beginn des Spiels. Über die gesperrten Blöcke wurde der große Südkurve München Wimpel gespannt, welcher bereits im Pokalfinale 2019 eingesetzt wurde. Als Highlight der Choreo wurden im kompletten unteren Bereich einige Fackeln angerissen, was dann schon ein sehr geiles Bild ergab!
Die Stimmung war ab der ersten Minute absolut europapokalwürdig, und schwächte auch über die ganzen 90 Minuten nicht ab. Extrem positiv auf die Stimmung wirkte sich auch aus, dass so ein mancher seine Jahresvorräte an Pyrotechnik mitbrachte, durchgehend hieß es „Feuer frei“ und zum passenden Liedgut gings dann schon ordentlich ab. Den Ordnern gefiel das Ganze auch relativ gut und einer von ihnen nutzte eine abgebrannte Fackel, um sich seine Zigarette anzuzünden. Nächstes Mal muss der Gute eben sein Feuerzeug am Einlass besser verstecken 😉
Auch auf dem Platz merkte man, dass beide Mannschaften Bock auf einen geilen Abend hatten, Leroy Sane erzielte dann in der 25. Minute nach einer traumhaften Ballannahme das 0:1. Nach dem Seitenwechsel drückte Inter dann kurze Zeit auf den Ausgleich, man hielt aber überraschenderweise mal durch und antwortete mit dem 0:2 per Eigentor.
Im Gegensatz zu den Gästen hatte der Heimanhang wohl schon bessere Tage erlebt. Natürlich kann man mitten aus dem Gästeblock die Heimkurve eher schlecht bewerten, aber bis auf einige Hüpf- oder Klatscheinlagen kam relativ wenig bei uns an. Nachdem die letzten Fackeln abgebrannt, die Blocksperre abgesessen und nochmals kurz gegen die Italiener gepöbelt wurde, ging es rasch über den Brenner zurück nach München in die Arbeit oder ins warme Bett.
Herzlichen Dank abschließend noch an unsere Freund*innen aus St. Pauli, Bochum, San Benedetto, Bordeaux, Jena und Empoli für die Unterstützung in Mailand.
Hier gibt es die Bilder vom Auftritt im San Siro
FC Bayern – VfB Stuttgart 2:2
Beim Stuttgart-Spiel wird es lustig, haben sie gesagt. Beim Stuttgart-Spiel wird getrunken, haben sie gesagt. Da kann man einen lustigen Spielbericht schreiben, haben sie gesagt…
Nun, dass es nach Giovane Elbers ekstatischer Eröffnungszeremonie am Abend tatsächlich feucht-fröhlich wurde, mag ich nicht bestreiten, leider hatte es allerdings bereits vorher schon „back to life, back to reality“ geheißen und nicht erst am Sonntagmorgen.
Der Sommer neigt sich dem Ende zu, Regen zieht übers Land. Wird gebraucht, verstehe ich, nochmal ein komplett trockener Spieltag wäre aber auch ganz nice gewesen. Drei Tage vorher hatten wir in Mailand den Gästeblock auf richtig abnormale Art gerockt. Das waren 90 Minuten richtige Freakshow gewesen. Auch das Gladbach-Match, welches für Heimspiel-Verhältnisse Maßstäbe setzte, war noch allen frisch im Kopf. Und dann ist es ja ganz klar, dass nicht jede Woche ein neuer Höhepunkt folgen kann, dass mal wieder Spiele kommen, die halt nur okay oder durchschnittlich sind. Stuttgart wäre mit diesen Bewertungen aber noch geadelt. Das fühlte sich an wie die Suffdepression nachdem bei den letzten Spielen die Endorphine noch Cha-Cha-Cha getanzt hatten. Erste Halbzeit komplett träge, im zweiten Durchgang sind wir dann wenigstens etwas aus dem Quark gekommen und die Kurve gab ein paar Lebenszeichen von sich. Kein Beinbruch, aber geil war es an diesem Samstag beileibe nicht.
Unbefriedigend auch das Endergebnis. Ausgleich in der Nachspielzeit, da kommt einem das Kotzen, wenn der Gästeblock da nochmal so richtig explodiert. Und als Bayernfan fragt man sich nach dem dritten Unentschieden in Folge auch mal kurz, ob das alles so passt. Union hatte das halt clever gespielt und es fehlte etwas das Glück, Gladbach hätte auch gut und gerne 5:1 für uns ausgehen können, 2:2 gegen einen Abstiegskandidaten zu Hause ist dann aber halt wirklich nicht der Anspruch. Auch wenn das Ausbleiben des Dreiers eher an individuellen Fehlern und Nachlässigkeiten lag, als an einem systemischen Problem, erhöht das den Erfolgsdruck, den man sich die letzten Jahre selbst geschaffen hat, jetzt natürlich nochmal enorm.
Um nochmal auf die Tribünen zurückzukehren, waren auch die Spruchbänder heute nicht locker leicht: Erst zwei Tage zuvor war bei einer Hausdurchsuchung in Leipzig ein 36-jähriger erschossen worden. Bereits im August gab es viermal tödlichen Waffeneinsatz durch Polizist*innen. In der Öffentlichkeit wurde dies erstaunlich ruhig und gleichgültig hingenommen. Der Tod von George Floyd in den USA hatte hingegen auch hier bei uns Proteststürme in den Medien und größere Demonstrationen nach sich gezogen. Natürlich, jeder Fall ist anders und es wird auch Fälle geben, in denen der Griff zur Waffe die einzige Möglichkeit darstellt, größeres Unheil zu verhindern. Eine Gemeinsamkeit findet sich aber sogar mit dem Fall in den USA. Fast alle Getöteten waren gesellschaftlich marginalisierte Menschen: Arme, Schwarze, Migrant*innen. Schauen wir als Mehrheitsgesellschaft deshalb nicht so genau hin? Weil wir uns hier nicht im gleichen Gefühl der kollektiven moralischen Überlegenheit sonnen können, wie wenn solche Fälle jenseits des großen Teiches passieren? Müssen wir uns als Gesellschaft nicht mehr Gedanken machen, ob das bloßer Zufall ist, oder ob es tatsächlich Gruppen von Menschen gibt, die viel eher Opfer von Polizeigewalt werden als andere? Oder kennen wir die Antwort darauf nicht ohnehin schon? Bei den ganzen „Einzelfällen“, von denen man so in den letzten Jahren gehört hatte, könnte beispielsweise das Wort Rassismusproblem fallen und die Frage, ob die jetzt getöteten Menschen nicht ähnliche Solidarität verdient hätten wie George Floyd. Warum haben wir keine gesellschaftliche Debatte darüber, dass die Polizei in zwei der vier Todesfälle im August ihre eigenen Aussagen revidieren musste, kurzum gelogen hatte, nachdem Handyvideos vom Ereignisablauf auftauchten? Bullen morden, alle schauen zu!
Und natürlich wird ermittelt, aber wie gesagt, wir wissen bereits jetzt, dass seitens der Polizei versucht wurde Dinge zu vertuschen und jetzt ermittelt die Polizei innerhalb ihrer eigenen Organisation. Recklinghausen zum Fall in Dortmund, Dortmund zum Fall in Recklinghausen. Ohne die genauen internen Organisationsabläufe zu kennen, kann einem das doch nur spanisch vorkommen. Zumindest die Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungsstelle außerhalb des Polizeiapparats sollte die logische Folge dieser Serie von tödlichen Schusswaffeneinsätzen sein. Weil ganz ehrlich, wo soll man denn sonst anrufen, wenn die Polizei tötet?
Bevor wir hier aber gänzlich negativ und nachdenklich schließen, blicken wir aber lieber nochmal kurz auf den Anfang des Spiels, zu dem wir eine Aktion zum 20-jährigen Gruppenjubiläum unserer Freund*innen von Ultrà Sankt Pauli zeigten. Nichts Großes, nichts Weltbewegendes aber ein kleines Zeichen, dass die Geschichten unserer Gruppen eng verwoben sind, dass wir dankbar für die immer wieder in und aus Hamburg erfahrene Freundschaft sind und wir den Weg für immer mit Euch weitergehen wollen. Und das schönste Lob für die Freundschaft ist dann vielleicht, wenn beim Spiel Bayern gegen Stuttgart aus dem Gästeblock ein lautes „Scheiß Sankt Pauli“ kommt.
Ein Dankeschön geht in diesem Rahmen dann natürlich auch noch direkt an die anwesenden Sankt Paulianer*innen ebenso wie an die Gäste aus Jena.
Hier gibt es die Bilder vom Heimspiel
Und hier die Bilder von der anschließenden Südkurve-Feier
FC Bayern – FC Barcelona 2:0
Ob in Nyon irgendein Praktikant die Kugeln heiß machen durfte?! Ich weiß es nicht. Aber dass sowohl wir wie auch der BVB als Los in der Gruppenphase den neuen Verein des ehemaligen Top-Stürmers bekommen haben, war doch ungewöhnlich. Dass drei aufeinanderfolgende Unentschieden in der Bundesliga, die teilweise auf die dürftige Chancenauswertung zurückzuführen waren, direkt vor dem Aufeinandertreffen mit Barca und Robert Lewandowski natürlich die Diskussion um die Thematik Mittelstürmer befeuerten, passt da auch noch perfekt rein. Aus sportlicher Sicht war der Tenor gesetzt.
Und auf Fanseite? Klar wurde im Vorfeld viel spekuliert, wie Lewandowski empfangen werden würde. Meiner Meinung nach war der Empfang absolut passend: keine Pfiffe, kein Jubel – weitestgehend wurde er einfach ignoriert. Zu groß sind die Verdienste aber für den absoluten Legendenstatus reicht es halt aufgrund des Wechsels und dem nicht ganz so coolen Verhalten drumherum dann doch nicht. Ich denke, für Lewandowski auch kein Problem, er machte ja nie einen Hehl draus, dass er eher der Typ Söldner ist. In meinen Augen auch besser als die ganzen Typen, die ebenfalls Vereine wechseln aber dann schon immer bei jedem neuen Verein als kleines Kind in der Bettwäsche geschlafen haben wollen.
Abgesehen von der ganzen Thematik war aus Fansicht das Spiel ein sehr historisches: erstmals nach über 20 Jahren gab bei einem Europapokalspiel des FC Bayern Stehplätze, für viele von uns also das erste Mal. Bis vor kurzem undenkbar, wurde kurzfristig von Seiten der UEFA das Pilotprojekt bekannt gegeben. Wollen wir hoffen, dass das Projekt nach der Saison verlängert wird bzw. Stehplätze zur Normalität bei Europacup-Spielen werden. Von unserer Seite wurden die Stehplätze mit einem Willkommen zurück-Spruchband begrüßt.
Dass die UEFA jetzt nicht über die Sommerpause auf die gute Seite der Macht (sprich auf die Seite der Fans) gewechselt hat, zeigte sich dagegen an einer anderen Entscheidung: Aufgrund des Todes der Queen wurde das Spiel Rangers vs. Napoli um einen Tag verlegt und zudem ohne Gästefans ausgetragen. Das Ganze geschah auf Anraten der britischen Polizei. Wäre die Kurzfristigkeit nicht schon absurd genug, setzt die UEFA noch einen drauf und beschloss aus Fairness-Gründen für das Rückspiel ebenfalls die Gäste auszusperren. Diesen ganzen Irrsinn ließen wir nicht unkommentiert: „Last minute match delays and bans because of a royal´s death?! Respect Fans!“ sowie „UEFA´s like: if they get banned, you will be too! „Fairness“?! Bullshit! Respect Fans!“ waren in der Südkurve zu lesen.
Diese startete, unterstützt von unseren Freund*innen aus Bochum und Jena, mit deutlich mehr Motivation und Elan in die Partie als gegen Stuttgart. Und die Anfeuerung wurde auf dem Rasen von Beginn an benötigt. Zugegebenermaßen, das neuaufgestellte Barcelona hatte deutliche Vorteile auf dem Feld und nur mit Glück konnte die 0 gehalten werden. War die Südkurve zunächst gut aufgelegt folgte nach 20 Minuten ein Tief, das bis zur Halbzeit anhielt. Mit Sicherheit war der Spielverlauf nicht stimmungsfördernd aber gerade dann wäre es wichtig, wenn die Kurve die Richtung vorgibt und die Mannschaft nach vorne schreit. Wobei, gerade mit lautstarken Schlachtrufen und Liedern ist das Südkurve Gesangsbuch nicht gut ausgestattet. Definitiv eine Baustelle, die wir angehen könnten. In der Realität haben wir Spiele wie gegen Barcelona selten, aber paar Sachen die mehr pushen, würden uns in solchen Fällen nicht schaden.
Während in der Halbzeitpause schon düstere Prognosen ob des Spielverlaufs aufgestellt wurden, straften die Roten auf dem Feld alle Pessimist*innen lügen. Die Gäste kamen zwar nur Sekunden nach Wiederanpfiff unserem Tor nochmals gefährlich nahe, aber keine 10 Minuten später war der Spielverlauf auf den Kopf gestellt. Hernandez und Sane netzten ein und drehten somit ordentlich am Lautstärkeregler der Südkurve. Es wurde gehüpft, gesungen und gefragt, wer zum Teufel Barcelona sei – richtig gute 20, 25 Minuten. Der Schwung konnte leider nicht bis Schlusspfiff mitgenommen werden, aber alles in allem können wir mit der zweiten Halbzeit auf dem Platz und in der Kurve zufrieden sein. Ob die Vorstellung als sportlicher Gradmesser geeignet ist, werden wir in den kommenden Wochen und Monaten sehen.
Zum Schluss noch die Bilder vom Spiel
FC Augsburg – FC Bayern 1:0
Mit Augsburg stand heute das Auswärtsspiel mit der kürzesten Anreise auf dem Plan. Vor der Länderspielpause und vier Tage nach dem Heimspiel-Sieg gegen den FC Barcelona, waren die Erwartungen hoch, dass heute endlich wieder ein Dreier in der Liga eingefahren werden würde. Aber der Reihe nach: Wie für Augsburg üblich, legte der Großteil der Fanszene die knapp 60 km per Zug zurück, die von Teilen für die obligatorische Wiesn-Fahrt – pünktlich zum Anstich – genutzt wurde. Zeitiger als sonst angereist, verfrachteten die Shuttlebusse den Haufen direkt Richtung Augsburger Kartoffelacker – das Kürzeste ist stadiontechnisch auch eines der tristesten Spiele der Saison, auch wenn das sicherlich einige Szenen über die Lage unseres Heimstadions in Fröttmaning sagen dürften. Aber immerhin war man ja nicht allein und so ließ es sich doch irgendwie ertragen, bei Regen und Herbstwetter auf einem grauen Betonparkplatz neben einem Stadion in Warenhausästhetik zu verweilen. Auch das sonst in Augsburg übliche Problem einer angespannten Kartenlage war heute glücklicherweise keines.
Dank der zeitigen Anreise waren wir heute (fast) die ersten im Stadion, was allerdings nicht dazu führte, dass dies das allgegenwärtige Augsburger Problem des schnell verstopften Gästeblocks löste. Dennoch legten wir mit ‚Auf geht’s FC Bayern‘ auf die Melodie von ‚Lady in Black‘ gut los. Zumindest der Tifo ist in Augsburg doch immer ganz gut. Auch die Hüpfeinlage zu ‚Hüpf Bavaria Hüpf‘ nahm fast den ganzen Stehplatzbereich des Gästeblocks mit und einige Male ließ sich auch der Sitzplatzbereich zum Singen animieren.
Anders als wir konnte die Mannschaft in der 1. Halbzeit den Trend nicht umkehren und knüpfte an das Stuttgart-Spiel an. So ging es torlos und mit einer nach wie vor miserablen Chancenverwertung in 1-gegen-1-Situationen in die Pause. Die zweite Halbzeit startete ähnlich: der Gästeblock gut, die Mannschaft zunehmend ideenlos. Und so war die Augsburger Führung dann irgendwie logisch. Irgendwo verständlich, ebbte die Stimmung mit zunehmendem Spielverlauf ab – so war der bis dato gute Auftritt mit der Augsburger Führung dahin und wir passten uns der fußballerischen Leistung unserer Mannschaft an. Die Spieler schafften es nicht mehr, den Rückstand zu egalisieren. So steht am Ende eine verdiente erste Saisonniederlage und ein enttäuschender Auftritt in den letzten 30 Minuten – sportlich auf dem Rasen und akustisch auf den Treppen des Gästeblocks.
Als vor dem Spiel noch gewitzelt wurde, dass das Spiel verloren gehen wird, hielt ich es zumindest noch für das: einen Witz. Dass sich der gegnerische Torwart auch durch die Vereitelung der wohl gefährlichsten Chance durch einen Herrn Neuer auszeichnete, unterstrich die Vorhersage auf bemerkenswerte Art und Weise, sagt viel über die offensive Qualität in Bundesligaspielen derzeit aus und es passt ein Satz aus dem Stuttgart-Bericht auch ganz gut hier rein: „Und als Bayernfan fragt man sich […], ob das alles so passt“. Nichtsdestotrotz sollte es unser Anspruch sein, auch bei einem solchen Spiel der Mannschaft, zumindest auf den Rängen einen guten Auftritt hinzulegen und die Mannschaft über die vollen 90 Minuten zu unterstützen, zumal (mindestens) ein Punkt bis zum Ende drin gewesen ist. Positiv blieb immerhin der Besuch einiger Freund*innen aus Hamburg in Erinnerung: ein fettes Dankeschön dafür.
Während unserer Anwesenheit brannten zudem wieder Kerzen auf dem Vorsängerpodest, die einem verstorbenen Mitglied unserer Gruppe gewidmet waren, welches leider viel zu früh von uns ging und dessen letzte Momente im Kreise unserer Gruppe einige zusammen mit ihm am 13.12.2014 hier im Augsburger Gästeblock verbrachten. FABI – FÜR IMMER UNVERGESSEN UND IN UNSEREN HERZEN UNSTERBLICH!
Die Bilder vom Spiel in Augsburg gibt es hier zu sehen
Lesen bildet – Buenos Aires Fibel
„In Argentinien werden Liebe, Leidenschaft und Verrücktheit für den Fußball extrem gelebt. Die Stadien sind Orte großer Emotionen – selbst die VIP-Plätze sehen aus wie die Fankurven in Deutschland. In Argentinien singt das ganze Stadion. Die Nähe des Fußballs zur Macht, die Verknüpfung in viele Bereiche von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sind faszinierend und beängstigend zugleich.
Eine Erzählung über die Fußballstadt Buenos Aires ist nicht nur Fußballgeschichte, es ist eine kritische Liebeserklärung an dieses ferne Land, das einst von vielen Europäern als Auswanderungsziel erkoren wurde. Geschichte und Gegenwart des Fußballs in Buenos Aires ist Einwanderungsgeschichte, aber auch ein Dokument über mafiöse Zustände in Staat und Fankurven – eine Geschichte über Freud und Leid, von den größten Stadien bis zu den kleinsten Fußballplätzen der Stadt.“
Buenos Aires. In keiner anderen Stadt dürfte der Fußball so gelebt werden wie in der argentinischen Hauptstadt. In der Reihe der Fußballfibeln ist nun ein sehr lesenswertes Buch über die Fußballstadt Buenos Aires von Lukas Lange erschienen. Dieser stammt ursprünglich aus Bern, lebt seit mittlerweile über sieben Jahren in Buenos Aires und hat sein Herz neben den Young Boys nun auch noch an San Lorenzo verloren. Bei diesen steht er in der Kurve und hat entsprechend tiefe Einblicke. Aber auch über sämtliche andere große und kleine Vereine der Stadt warten sehr interessante Geschichten.
Schlagt zu und bekommt von einem der Experten schlechthin einen tiefen Einblick in die Welthauptstadt des Fußballs. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel, wobei der Kauf direkt beim Verlag zu empfehlen ist.
Schweine RWE – FC Carl Zeiss Jena 1:1
Nach unserem Spiel in Augsburg machten sich über 30 FC Bayern Ultras auf den Weg in Richtung Jena, um unsere Freund*innen bei ihrem ersten Derby seit vier Jahren gegen den RWE zu unterstützen.
Den ereignislosen Derbyvorabend verbrachten wir zusammen mit der Südkurve Jena in Weimar, das genau zwischen Jena und Erfurt liegt, ehe es halbwegs zeitig ins Bett ging, um den Derbytag angemessen angehen zu können.
Bereits früh morgens traf sich die Südkurve im Zentrum Jenas, um sich – unterstützt von knapp 60 Münchner*innen – auf das große Spiel einzustimmen. Nach einer Ansprache vom Vorsänger, die auch dem Allerletzten die Wichtigkeit des Spiels verdeutlichte, zogen mehrere hundert Südkurve-Aktivist*innen, die so gut wie alle dem Aufruf „Schwarze Schuhe, schwarze Jacke, blaue Jeans“ gefolgt waren, zum Bahnhof, überraschenderweise komplett ohne Polizeibegleitung.
Der Grund dafür offenbarte sich bei Ankunft in Erfurt – ein massives Polizeiaufgebot inklusive Wasserwerfer und Bulleneinheiten aus drei Bundesländern erwartete uns bereits und verfrachtete den Mob in die bereitgestellten Shuttlebusse. Mit offenen Türen ging es Richtung Steigerwaldstadion und als der sportliche Teil der Erfurter direkt neben den Bussen auftauchte, wurde es noch einmal kurz hektisch. Passiert ist letztendlich aufgrund des hohen Polizeiaufgebots nichts, also alles halb so wild.
Nach den Einlasskontrollen, die sich ziemlich lange gezogen haben, stellte sich die Südkurve hinter dem Gästeblock auf, um gemeinsam das Rund zu betreten und die schon zwei Stunden vor Spielbeginn prall gefüllte Heimkurve zu begrüßen. Die Zeit bis zum Anpfiff wurde dann damit verbracht, die Choreoschals im Block zu verteilen und die geplante Aktion vorzubereiten. In der Zwischenzeit betraten dann auch die Gestalten, die man aus dem Bus gesehen hatte, unter „Juden Jena“ Rufen den Block neben der Heimkurve. Die sportlichen Erfurter stehen nicht zusammen mit den Erfordia Ultras, sondern im Block daneben, da das Verhältnis momentan nicht das Beste ist, was wohl (unter anderem?) an verschiedenen politischen Sichtweisen liegt.
Unter dem Motto „Das Kämpferherz schlägt“ erstrahlte der Gästeblock zu Spielbeginn in Blau-Gelb-Weiß. Mit einer Herz-Überziehfahne in der Mitte des Blocks sollte der Herzschlag der Kurve symbolisiert werden und zum Trommelschlag hob beziehungsweise senkten sich das Herz und die Schals. Das Bild konnte über mehrere Minuten gehalten werden und so gut wie der ganze Block zog sehr diszipliniert mit. Eventuell hätte es noch der ein oder andere Schal mehr sein können, um ein noch dichteres Bild zu erzeugen, aber das ist meckern auf hohem Niveau.
Die Heimkurve läutete die Partie mit einer Choreo unter dem Motto „Den Weg durch das finstere Tal genommen“ ein, die sich auf die Pleite und den damit verbundenen Abstieg in die Amateurklasse bezog. Über der Blockfahne, auf der die EFUs das einzig farbige in einer grauen, tristen Landschaft darstellten, erhob sich ein tätowierter und oberkörperfreier Erfurter mit rot-weißer Fahne in der Hand. Links und rechts davon kamen zwei kleinere Blockfahnen zum Vorschein, die einen Fan mit Rauchtopf sowie eine vermummte Person mit geballter Faust zeigten, woraufhin die große Blockfahne in der Mitte verschwand und durch rot-weiße Fahnen ersetzt wurde. Bei der Durchführung der Aktion schlich sich ein kleiner Fehler ein, denn eine der beiden kleinen Fahnen kam zu früh zum Vorschein, wurde kurz gezeigt und dann wieder hochgegeben, um sie im richtigen Moment zu zeigen. Ansonsten war es eine gelungene Choreografie, auch wenn ich persönlich mit dem Stil relativ wenig anfangen kann.
Dass Derby war, merkte man auch am Sitzplatzbereich, der sich fleißig mit dem Heimblock bepöbelte, mit dem Highlight, dass per Handzeichen die Telefonnummer durchgegeben und somit am Telefon weiter beleidigt wurde. Zwar absolut sinnlos, aber trotzdem irgendwie lustig anzusehen. In eben jenem Block wurde auch relativ kurz nach Spielbeginn ein Jenaer enttarnt, der dann auch hochkant aus dem Block flog.
Die Stimmung war auf beiden Seiten gut, wobei meiner Meinung nach der letzte Funken gefehlt hat. Das zog sich durch den ganzen Tag, es war zwar Derbystimmung, aber der letzte Tick Spannung hat mir gefehlt. Kann aber auch nur ein persönlicher Eindruck sein. Das lag aber sicherlich an den Begleitumständen: langes Warten vorm Block, bevor der Einlass losging, aufgrund der Laufbahn große Distanz zum Gegner und generell ein langer und anstrengender Tag für alle Beteiligten gehen auch einfach nicht spurlos an den Leuten vorbei.
Fußball wurde auch noch gespielt und die Schweine gingen nach einer guten halben Stunde verdient in Führung, was die Heimseite natürlich freidrehen und den Gästeblock kurz verstummen ließ.
Zu Beginn der zweiten Hälfte zündeten die Jenenser*innen einige Fackeln, aber auch das konnte die Stimmung nicht zum Überkochen bringen. Später zog die Steigerwaldkurve auch noch mit einer Pyroshow nach. Kurz nachdem die ersten Fackeln dort angingen, zeigte der Schiri auf den Punkt und ermöglichte Jena so den Ausgleich. Blöd gelaufen. 😉
Im Laufe der zweiten Halbzeit zeigten beide Seiten noch erbeutete Materialien des Gegners und verbrannten sie.
In letzter Minute wäre noch fast der Siegtreffer gelungen und wäre damit sicherlich die Krönung des Tages gewesen, aber der Fußballgott wollte nicht und so wurden sich die Punkte geteilt. Die Abreise gestaltete sich unaufgeregt und aufgrund des folgenden Arbeitstages machten wir uns schnell wieder auf den Rückweg nach München.
Wie jedes Mal bleibt nur noch, Danke zu sagen für eure großartige Gastfreundschaft!
1. FC Kaiserslautern – FC St. Pauli 2:1
Zwei Tage nach unserem Auftaktsieg bei der Frankfurter Eintracht – wo wir von 12 St. Paulianer*innen unterstützt wurden, vielen Dank hierfür! – machten sich 36 FC Bayern Ultras auf den Weg, um den Braun-Weißen in der Pfalz zur Seite zu stehen. Bei beiden Spielbesuchen verhinderten einige kurzfristige coronabedingte Absagen eine größere Anwesenheit.
USP hatte als ersten Anlaufpunkt ein Freibad in einem kleinen Ort in der Nähe von Kaiserslautern ausgerufen. Und so steuerten zwei USP-Busse sowie mehrere Autobesatzungen die ausgewählte Badeanstalt an. Die Einheimischen staunten nicht schlecht, als zwei vollbesetzte Busse auf den kleinen Freibadparkplatz einbogen. Und auch der Bademeister machte große Augen, als kurz darauf rund 150 Ultras vor seinem Freibad standen und um Einlass ersuchten. Die folgenden rund eineinhalb Stunden vergnügte man sich dann im und außerhalb des Wassers. Auch ein Teil der Busfahrer hatte die Badehose eingepackt und sprang ins kühlende Nass. Zum Schluss wurde noch ein Gruppenfoto geschossen, wobei auch ein Spruchband für einen USPler gezeigt wurde, der kurz davor mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Stay strong, Loron! Im Anschluss ging es zurück zu den Autos und Bussen, denn wir waren ja eigentlich wegen Fußball in die Pfalz gekommen und nicht zum Baden. Auf dem Weg zum Stadion hatte ein Busfahrer dann mit Orientierungsproblemen zu kämpfen. So ein Kreisverkehr ist schon was feines, da kann man ruhig auch zwei Mal durchfahren… 😉
Irgendwann waren dann aber doch alle Busse und Autos auf dem Gästeparkplatz am Betzenberg angekommen. Noch schnell die Karten verteilt und rein in den Gästeblock. Außer uns war auch noch eine Abordnung von Infamous Youth Bremen zu Besuch.
Der Gästeanhang startete motiviert ins Spiel, bekam allerdings bereits in der 9. Minute den ersten Dämpfer, als die Hausherren das 1:0 erzielten. Auch danach waren die Roten Teufel zugegebenermaßen überlegen und hatten einige Chancen, das zweite Tor zu machen. Im Gästeblock konnten häufig große Teile der braun-weißen Anhängerschaft mitgenommen werden und die Lieder hatten eine gute Lautstärke.
In der zweiten Hälfte und mit andauerndem Rückstand war der Tifo dann zwar weiterhin auf einem guten Niveau, hatte aber auch ein paar Hänger drin. In der 86. Minute dann der nächste Nackenschlag, Lautern erhöhte auf 2:0. Nur zwei Minuten später konnten die Braun-Weißen dann aber durch Medic wieder auf 2:1 herankommen, was nochmal richtig Zunder in die Gesänge brachte. Mit aller Macht wollte man wenigstens einen Zähler hier mitnehmen und peitschte die Mannschaft in den letzten Minuten nochmal richtig nach vorne. Leider war das aber vergebens und es blieb beim 2:1 für die Pfälzer.
Die Heimseite hatte einen ganz guten Auftritt und war auch ab und zu mal im Gästeblock zu hören.
Nach dem Schlusspfiff ging es zügig wieder nach draußen, wo wir uns von unseren Freund*innen verabschiedeten und wieder den Heimweg antraten.
Bleibt mir nur noch, mich bei USP für den gemeinsamen Spieltag zu bedanken. Grandios war auch wieder mal das Rahmenprogramm mit dem Freibadbesuch. Solche gemeinsamen Programmpunkte werten auch ein Auswärtsspiel in der Pfälzer Provinz ganz entschieden auf.
USP + SM!
Blick über den Tellerrand
CA Boca Juniors – San Lorenzo de Almagro 1:0
Während Deutschland und halb Europa im vierten oder fünften (oder war’s doch der dritte oder sechste?) Corona-Lockdown saßen, nutzte ich die fußballfreie Zeit und verabschiedete mich für einige Zeit in die sogenannte Welthauptstadt des Fußballs, Buenos Aires.
In erster Linie war die Reise eher als Horizonterweiterung und Sprachreise geplant, aber man ist ja schließlich nicht jedes Jahr in Argentinien und wenn dann auch noch die Stadien vollausgelastet sind, wäre es ja schon fast eine Schande, diese Gelegenheit ungenutzt zu lassen. Als Kirsche auf der Torte hatte ich dann über ein, zwei Ecken auch noch Kontakt zu jemandem, der zwar aus Deutschland kommt, aber seit mehr als einem Jahrzehnt in Buenos Aires lebt und sich bestens mit der dortigen Fanszene auskennt, was sich im Nachhinein wirklich als absolutes Glückslos herausstellen sollte. Doch beginnen wir von vorne…
CA Boca Juniors-San Lorenzo de Almagro 1-0, Estadio Jorge Luis Hirschi, La Plata
Was sich auf den ersten Blick wie ein absolutes Traumspiel liest, war für mich als jemanden, der keinen blassen Schimmer vom argentinischen Fußball hat, auf den zweiten Blick eher nicht so der Hit. Finale eines reinen Kommerzpokals, vergleichbar mit dem Supercup hierzulande, und dann noch circa 1,5h mit dem Zug vom Stadtzentrum entfernt. Naja…
Nach kurzer Korrespondenz mit meinem Kontakt, stellte sich aber heraus, dass ich mich damit gewaltig irren würde. Erstens sei dies den Hinchas (Fans) und den barra bravas (organisierte Fanszene) relativ egal, sie würden trotzdem organisiert auftreten und zweitens sei es eines der heutzutage ganz, ganz seltenen Spiele in Argentinien, bei dem beide Fanlager im Stadion auftreten dürfen. Der Kartenverkauf ging auch ziemlich rasant los und somit konnten wir nur noch Karten im Block der San Lorenzo Fans für umgerechnet etwas mehr als 10€ erwerben.
Generell habe ich die Eintrittspreise bei Fußballspielen in Buenos Aires als relativ hoch empfunden. Bei eigentlich jedem Spiel, auch in der zweiten Liga, waren um die 10€ (und das bei einem unfassbar „guten“ – zumindest für die Leute, die nicht in argentinischen Pesos, sondern in Euro oder Dollar bezahlt werden – Wechselkurs) fällig, was, wenn man bedenkt, dass der Durchschnittsverdienst dort deutlich unter dem hierzulande liegt, schon eine Hausnummer ist. Zwar zahlen socios – also Mitglieder – weniger, ein Schnäppchen ist das trotzdem nicht.
Zurück zum Spiel. Wir trafen unseren Kontakt nachmittags am Bahnhof Constitucion im Herzen von Buenos Aires, um die 1,5h nach La Plata zurückzulegen. La Plata ist eine Stadt rund 60 Kilometer vom Stadtzentrum von Buenos Aires entfernt. Relativ frühzeitig trafen wir dort ein, wodurch wir noch Zeit hatten, in einer Bar unweit des Stadions einzukehren und uns durch das Craftbeer Angebot der Bar zu probieren. Auch dort wurde mal wieder deutlich, was für ein gastfreundliches und liebenswertes Volk die Argentinier sind. Einer meiner Begleiter fragte eine Gruppe Jugendlicher neben uns, ob sie ihren Joint mit ihm teilen würden und kam mit ihnen ins Gespräch. Als er die Frage, ob wir wegen Boca hier seien, bejahte, wurde ihm kurzerhand der komplette Joint in die Hand gedrückt und überlassen. Überhaupt lässt sich sagen, dass die Argentinier so gut wie immer sehr, sehr offen waren und es nie schwer war, Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen.
Wenig später sollte sich die Bar als Glücksfund herausstellen, denn die Busse der berühmt-berüchtigten barra von Boca, La Doce, kamen auf dem Weg zum Bereich der Boca Fans direkt an selbiger vorbei – ganz großes Kino für uns an Recht und Ordnung gewöhnte Deutsche.
Die Hälfte der Businsassen hing aus den Fenstern beziehungsweise stand halb auf den Dächern der Busse, die selbstredend alle gnadenlos überfüllt waren. Als einer der Busse in Richtung Bocasektor abbiegen wollte, ließ sich ein San Lorenzo Fan nicht die Gelegenheit nehmen, ordentlich in Richtung der Busse zu pöbeln. Die Xeneizes (Spitzname der Boca Fans) ließen sich nicht zweimal bitten und ein knappes Dutzend verließ sofort den Bus, um den San Lorenzo Fan nicht gerade zimperlich in die Schranken zu weisen. Zu unserer Überraschung nahm dieser – zugegebenermaßen von durchaus hünenhafter Gestalt – nicht die Beine in die Hand, sondern erwartete seine Gegner. Der Mann hatte natürlich keine Chance, aber die Boca Fans ließen dann auch relativ schnell von ihm ab, woraufhin er aufstand, sich kurz schüttelte und begann zusammen mit anderen Hinchas von San Lorenzo die Busse mit Bierbechern einzudecken. Was für ein Typ!
Daraufhin entbrannte für wenige Minuten eine Auseinandersetzung zwischen beiden Seiten, die daraus bestand, dass sich gegenseitig mit Steinen beworfen wurde und ein La Doce Mitglied mit einer Machete herumfuchtelte. Ohne unseren Begleiter hätten wir uns sicherlich ein paar Meter zurückgezogen, da sich das Ganze nur wenige Meter vor und neben uns ereignete, aber er war der Meinung, dass wir, solange wir auf Querschläger achten würden, ohne Probleme zusehen könnten. Laut diesem war die Auseinandersetzung für argentinische Verhältnisse auch nicht so wahnsinnig spektakulär, aber wir waren natürlich trotzdem im siebten Himmel – seit zwei Tagen in Buenos Aires und wir stehen mit Bier an der Hand am Straßenrand und schauen ein paar Dutzend nach unseren Maßstäben völlig durchgeknallten Menschen zu, wie sie sich eine (kleine) Straßenschlacht liefern. Die Reaktion der Polizei bestand im Übrigen darin, dass sich ein Polizeiwagen einfach mitten in den Steinhagel stellte und abwartete, bis der Spuk vorbei war. Als sich die Situation langsam wieder beruhigt hatte, kam ein Nachzügler Bus von La Doce an, der fatalerweise anstatt in den Boca Sektor abzubiegen, weiter in Richtung der San Lorenzo Fans fuhr. Aus sicherer Entfernung konnten wir nur noch mitansehen, wie dieser in einer Seitenstraße komplett entglast wurde, bis wir ihn aus den Augen verloren.
Somit hatten wir schon einiges erlebt, bevor wir überhaupt das Stadion betreten hatten. Kurz vor dem Gästebereich trennten wir uns von unserem Kontakt, der seine Karte in einem anderen Bereich hatte, und setzten unseren Weg alleine fort. In diesem Moment war einem schon leicht mulmig zumute, da wir natürlich sofort als Ausländer auffielen, keiner von uns wirklich die Sprache beherrschte und man doch schon die eine oder andere Geschichte von leichtsinnigen Touristen gehört hatte, die nach Strich und Faden abgezogen wurden. Diese Sorgen sollten sich aber als völlig unberechtigt herausstellen.
Überhaupt gilt für argentinische Fußballspiele -zumindest meiner Erfahrung nach – dass, wenn man sich nicht völlig deppert verhält, man das Spiel in Ruhe verfolgen kann und wenn man mal angequatscht wird, dann nur, weil die Leute an einem interessiert sind oder irgendwelche hart aussehenden barras einem Karten für die großen fünf (Boca, River, San Lorenzo, Huracan, Independiente) andrehen möchten. Natürlich sollte man sich jederzeit bewusst sein, in was für einem Viertel man sich aufhält und sich dementsprechend verhalten und nicht durch leichtsinniges Verhalten auffallen, aber das sollte ein rational denkender Mensch im Normalfall ja auf die Reihe bekommen.
Wie schon erwähnt, hatten wir unsere Karten im Bereich der San Lorenzo Fans, was sich als nicht ganz optimal herausstellte, da der Auftritt von außen sicherlich noch cooler gewesen wäre, als er es so eh schon war. Das ist aber definitiv meckern auf hohem Niveau und die folgenden 90 Minuten vergingen wie im Flug. Beide Fanlager verwöhnten unsere Ohren mit wunderschönen Gesängen, die den meisten durch dutzende Youtube-Videos (leider) schon bekannt sein dürften. In Argentinien darf man das Ganze auch mit Fug und Recht als „singen“ bezeichnen, anders als das in Deutschland leider zu oft der Fall ist. Eines der Highlights war sicherlich das Lied „Dicen que estamos“, in dem die San Lorenzo Anhänger ihre Leidenschaft sowie ihren Rotwein und Gras Konsum besingen, bei welchem eben erwähnte Leidenschaft definitiv zu spüren waren. Auch die Boca Fans waren extrem beeindruckend und während ich vor meiner Reise noch eher dazu tendierte, mir Boca nicht anzuschauen, änderte ich an diesem Abend meine Meinung und ich wollte in meiner verbleibenden Zeit unbedingt ein Spiel in der Bombonera sehen.
Mein persönliches Highlight des Spiels allerdings, war ein circa 50 jähriger Fanatiker direkt neben mir, der völlig manisch das ganze Spiel über abging, um sich um die siebzigste Spielminute herum auf den Boden zu setzen und sich kreidebleich die Hand aufs Herz zu legen. Machten wir uns im ersten Moment noch ernsthaft Sorgen um den guten Mann, begann er nach einigen Minuten Verschnaufpause – weiterhin kreidebleich – wieder voller Emotion in die Gesänge einzusteigen und seine Mannschaft wortwörtlich anzuflehen, den Ausgleich zu erzielen. Das alles wohlgemerkt bei einem Testspiel (!).
Völlig euphorisiert trafen wir nach dem Spiel auf unseren Begleiter und begaben uns nach ein-zwei Bier in der altbekannten Bar auf den Heimweg. Auch dieser war hin und weg vom Spiel und berichtete uns, dass es mit das Beste war, was er in den letzten Jahren in Argentinien gesehen hat. In der Rückschau wäre es vermutlich cooler gewesen, dieses Spiel nicht als erstes gesehen zu haben und damit eventuell (unbewusst) als Gradmesser zu nehmen, aber schlussendlich ist das mal wieder die Suche nach dem berühmten Haar in der Suppe.
Stockholm Derby AIK – Hammarby IF 2:2
Beflügelt vom Südkurvenjubiläum gegen Gladbach machte sich eine Hand voll FC Bayern Ultras nach Abpfiff auf in die schwedische Hauptstadt, um dort tags darauf das Derby zwischen AIK Solna und Hammarby IF zu verfolgen. Nach einer eher kurzen Nacht wurde die Zeit bis zum Spiel bei etwas Sightseeing durch das „Venedig Skandinaviens“ verbracht, ehe es aufgrund des Zeitdrucks per Uber zum Stadion ging. Unser Fahrer hatte wohl eben so wenig Zeit und wir entgingen nur knapp einigen Auffahrunfällen, ehe die Fahrt am Stadion in einem Handgemenge zwischen dem Driver und den Ordnungskräften am Parkplatz endete, weil dieser nicht akzeptieren wollte, dass er dort nicht durch die Schranken fahren darf. Was ein durchgeknallter Typ! Wenigstens hatten wir durch die rasante Fahrt genug Puffer, um rechtzeitig auf unseren Plätzen anzukommen. Im Inneren waren beide Kurven bereits gut gefüllt und es wurden jeweils die Choreografien vorbereitet. Die Gastgeber*innen starteten mit einer großen Blockfahne, welche die ehemalige Heimstätte „Råsundastadion“ würdigte. Neben dem Stadion aus der Vogelperspektive war auch eine Anzeigetafel abgebildet, die ein 5:2 für AIK in einem früheren Derby gegen HIF anzeigte.
Auf der gegenüberliegenden Seite zeigten die Hammarby Ultras in der Mitte ihrer drei Ränge auf einem Banner die Theke einer Bar mit vielen leeren Bierflaschen und zogen wenig später eine übergroße Figur empor, die bereits allem Anschein nach ordentlich getankt hatte und dabei mit einem Krug Bier prostete. Passend dazu war im Hintergrund „Skål Bajen!“ zu lesen. Der Begriff Bajen bezeichnet die Fans von Hammarby und wird umgangssprachlich verwendet.
Nachdem beim Intro Hammarby aus unserer Sicht leicht vorne lag, legte auf dem Rasen AIK direkt wie die Feuerwehr los und erzielte mit dem ersten Angriff die Führung, welche mit einigen Fackeln rund um die Gruppen Sol Invictus, Black Army und Ultras Nord gefeiert wurde. Bemerkenswert war bei der Kurvenaufstellung der Heimseite, dass die Nachwuchsgruppe an der Eckfahne geparkt wurde und dort ebenfalls mit eigenem Tifomaterial supportete.
Beide Kurven waren von Beginn an richtig gut drauf und konnten mit einem guten Mix aus melodischen Liedern und Schlachtrufen uns als neutrale Betrachter begeistern. Ebenfalls in Erinnerung blieb die 27. Minute, in welcher der 2013 an einem Herzfehler plötzlich verstorbene AIK-Torwart Ivan Turina vom ganzen Stadion mit Sprechchören gefeiert wurde. In seiner aktiven Zeit hatte er die Nummer 27 getragen. Schöne und sehr bewegende Aktion, die hier wohl zu einer Tradition geworden ist.
Kurz vor der Pause erzielten die Gäste den mittlerweile verdienten Ausgleich, der ebenfalls frenetisch und mit viel Pyro gefeiert wurde.
Nach der Halbzeit startete AIK wieder entschlossener und erzielte erneut mit dem ersten Angriff den Führungstreffer. Im Verlauf konnte Hammarby zum zweiten Mal den Ausgleich erzielen, welcher dann auch bis zum Ende Bestand hatte.
Nachdem beide Mannschaften für ihre kämpferische Leistung von den jeweiligen Kurven gefeiert wurden und in den Katakomben verschwanden, wurde von beiden Seiten noch schön gepöbelt. Was zunächst unspektakulär begann, endete in einer handfesten Schlägerei am Rande des Gästeblocks, wobei Polizei und Ordnungskräfte den Protagonisten viel Zeit und Bühne gaben, ehe eher gemächlich eingegriffen wurde. Die AIK Leute machten sich anschließend über den Unterrang der Gegengerade wieder zurück in ihren Block und wurden von Applaus sowie Anfeuerungen der Gegengeraden-Besucher*innen begleitet. Wirklich bemerkenswert, wie die regulären Stadionbesucher*innen mit den zuvor erlebten Szenen mitfieberten und die Auseinandersetzungen feierten.
Nach dem Derby ging es für uns durch das größte Einkaufszentrum Skandinaviens (merkwürdige Atmosphäre, um ein Stadion zu verlassen) Richtung Innenstadt Stockholms, um den Abend in einer Bar bei erstaunlich preiswerten Bieren um die 3,50 ausklingen zu lassen.
Skål Bayern!
Termine
Dienstag, 04.10.2022, 18:45 Uhr: FC Bayern – Viktoria Pilsen (Europapokal)
Samstag, 08.10.2022, 18:30 Uhr: Borussia Dortmund – FC Bayern
Mittwoch, 12.10.2022, 21:00 Uhr: Viktoria Pilsen – FC Bayern (Europapokal)
Samstag, 15:10.2022, Beginn 18:00 Uhr, Einlass ab 15:00 Uhr: JHV FC Bayern München e.V. in der Rudi-Sedlymayer-Halle
Sonntag, 16.10.2022, 19:30 Uhr: FC Bayern – SC Freiburg