„Stehplatzkurve, Stehplatzkurve, Stehplatzkurve, was anderes wollen wir nicht!“ so hallte es im Januar 2004 durchs ziemlich kalte und spärlich gefüllte Olympiastadion. Über zehn Jahre später ist es nun endlich soweit und wir dürfen eine Südkurve komplett frei von beinebrechenden Klappsitzen betreten.
Und genau das erfolgte heute auch noch erfreulich geschlossen.Trotz des Freitagstermins fanden sich viele Leute bereits frühzeitig am Fanprojekt ein, welches sich heute freundlicherweise als Alternative zum Streetworkbus anbot, der aufgrund des Schienenersatzverkehrs nicht auf den Parkplatz fahren konnte. Seit Ewigkeiten ging es dann mal wieder mit Gesang die Esplanade hoch, das muss nicht zu einem zwanghaften Ritual werden, wenn wir aber mal grad wieder ein neues Liedchen auf den Lippen haben, werden wir das sicher auch in Zukunft nutzen, um Melodien und Texte noch bekannter zu machen. Schaut also auch deshalb, dass Ihr gemeinsam mit der großen Masse hoch zum Stadion geht – ist lustig und kommt auch nach außen gut rüber.
Das geschlossene Einlaufen in die Kurve war anschließend von einem ganz besonderen Charakter. Klar, gab es vorher schon einige knappe Spiele, Siegtreffer in letzter Minute oder beispielsweise auch das Abschiedsspiel von Oliver Kahn, aber die 15 Minuten Gesang und Spaß nach dem Betreten der Kurve riefen einfach eine spezielle Art von Emotionen hervor. Viele Freunde, die man schon länger nicht mehr in der Südkurve sehen durfte, das Flair einer echten Stehplatzkurve und auch die Freude in den Gesichtern von eher unbekannten, die in die Lieder einstiegen und sie weitertrugen. Vielleicht ein wenig viel Pathos in diesen Worten und von außen sah es wahrscheinlich gar nicht so beeindruckend aus. Dafür hat es sich aber unglaublich gut angefühlt.
Während sich im Anschluss die zentralen Akteure des heutigen Abends warmliefen, bekamen drei Jungs aus dem bayrischen Oberland die Chance für einen großen Auftritt. Im Laufe der letzten beiden Jahre hat die Band Scorefor in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Teilen des Fanszene an einem Song gefeilt, der im Gegensatz zu den offiziellen Vereinshymnen die aktive Fanszene stärker repräsentiert. Wir finden, das ist Scorefor richtig gut gelungen. Geiler Song, da gibt’s ne Kaufempfehlung. Zufälligerweise könnt ihr das Teil deshalb auch am Streetworkbus erstehen.
Es ging stark weiter. Nachdem die dämliche Eröffnungsfeier überstanden war, präsentierten wir in der Südkurve wieder einmal die große rot-weiß gestreifte Blockfahne, die damals zum Umzug ins neue Stadion aus den Erlösen der ersten Südkurven-Shirts gekauft wurde. Dazu ein Spruch aus einem schon etwas älteren, aber leider nur wenig bekannten Lieder unserer Kurve: „Wir sind immer hier – die Kurve, das sind wir – für die Stadt und den Verein – so wird es immer sein“. Die ersten zwanzig Spielminuten wurde das Potential unserer neuen Kurve von Eckfahne zu Eckfahne dann richtig gut ausgetestet. Ungewohnt hohe Beteiligungsquote, sehr gute Lautstärke und dieses Gefühl, dass das, was da grade abläuft, einfach ein, zwei Stufen besser ist als alles, was wir bis dato in Fröttmaning abgeliefert haben. Natürlich wurde es dann wieder leiser und in Halbzeit zwei war gegen Ende auch das Spiel zu spannend, als dass man sich noch wirklich viel von der Stimmung hätte erwarten dürfen. Das war trotzdem ein richtig guter Auftakt und auch wenn wir sicher noch jede Menge Rückschläge erleben werden, ist dieses Heimspiel sicher ein guter Gradmesser dafür, wo wir mittelfristig hinwollen. Sehr cool auch, dass der Mittelrang immer mal wieder mit in die Lieder einstieg – gerne noch öfter.
Nach der langen Sommerpause gab es für die Südkurve auch allerhand mitzuteilen, weshalb über das gesamte Spiel sieben Spruchbänder gezeigt wurden. Den Auftakt machten wir mit einen Gruß an einen unserer anwesenden italienischen Freunde, der in seiner Heimat erst kürzlich mit einem Stadionverbot belegt worden ist. Diffidato ole, non mollare perche. – Forza Luca
Das zweite Spruchband des Abends hätte eigentlich zur Verabschiedung von Daniel van Buyten gezeigt werden sollen. Jetzt hatten wir entweder schon ein Bier zu viel im Kopf oder es wird mittlerweile einfach nicht mehr so viel Wert darauf gelegt, einen Spieler nochmal entsprechend zu verabschieden, wenn er seinen Abgang nicht schon vor dem letzten Spieltag angekündigt hat. Irgendwie schade, vor allem da sieben Jahre bei einem Verein heute ja nicht mehr unbedingt selbstverständlich sind (auch wenn es sich beim FCB und in München sicher sehr gut aushalten lässt). „Ein Großer verlässt die große Bühne, Danke Daniel“.
Munich’s Red Pride und alarMstufe rot hatten beide eine Tapete zu den sehr gewöhnungsbedürftigen Trikots, mit denen unsere Elf momentan über den Rasen rennt. „§1 der Vereinssatzung: Die Clubfarben sind rot und weiß“ – Was soll dieser Trikotscheiß“ (aMr) und „Unsere Farben sind Rot und Weiß! – Was soll der blaue Scheiß?“ (MRP). Wir können uns da nur anschließen, auch wir wollen wieder Rot-Weiße Trikots. Abgesehen von diesem goldenen Ausrutscher hatte das ja in den letzten paar Jahren recht gut funktioniert.
In der Halbzeitpause zeigten wir ein Statement zur aktuellen Debatte rund um die Flüchtlinge in der Bayernkaserne. Wenn Rechtsradikale die Angst vor den Geflüchteten instrumentalisieren, um im bürgerlichen Lager auf Stimmenfang zu gehen, wenn Demonstrationen gegen Menschen organisiert werden, die unter für die meisten von uns unvorstellbaren Bedingungen vor Krieg, Folter und Tod fliehen und all ihr Geliebtes zurücklassen mussten, dann läuft was falsch bei uns. Über die unzureichenden Unterkünfte für die Refugees brauchen wir da noch gar nicht reden. Wir denken jedenfalls, dass man die Menschen hier freundlich begrüßen sollte und Ihnen zeigen, dass sie hier bei uns Hilfe, Sicherheit und Verständnis erwarten können: „Ob in der Bayernkaserne oder sonst wo – Solidarität statt Resentiments. Refugees welcome!“
Das Inferno thematisierte das in Fankreisen momentan sehr präsente Thema Red Bull und erinnerte unseren Vorstand nochmal an seine kritischen Worte gegen den österreichischen Brausehersteller und sein Leipziger Marketinginstrument. „Wahren Worten Taten folgen lassen – keine Testspiele gegen Red Bull – Scheiß Bullen“. Finden wir gut so! Ein zweites Spruchband von IB nahm zum einen nochmal Bezug auf die Ermordung des Napolitaners Ciro zum einen, zum bedauerlicherweise auch in Deutschland wieder populärer werdenden Einsatz von verschiedenen Waffen bei Auseinandersetzungen zwischen Fans: „Ultras zurück zu den Fäusten – Ciro Vive“
Den Abschluss des wilden Spruchbandreigens machte dann ein in der 81. Minute nach innen gezeigter Gruß an die ehemaligen Stadionverbotler.
Spiel habt ihr ja alle selbst gesehen. War schon nicht so schlecht, nach der kurzen Vorbereitung kann noch nicht alles perfekt laufen. Der junge Gaudino hat sich ein Lob verdient und Arjen Robben kann man auch gehörigen Respekt zollen. Kurze Sommerpause und dann trotzdem eine derart starke Performance am ersten Spieltag. Hut ab! Wir müssen aber auch zugeben, dass wir durch Malandas Fehlschuss den oft beschrieenen Bayern-Dusel für diese Saison schon fast aufgebraucht haben werden. Auch wenn ich gar nicht wissen möchte, wieviele Fans aus unseren Reihen das Ding ebenso versemmelt hätten. Gut war’s auf jeden Fall, denn so wurden die ersten drei Punkte auf dem Weg zur 25. Meisterschaft eingefahren.
Auf diese konnte zu späterer Abendstunde im Sperrbezirk noch mit einer leckeren Halben angestoßen werden. Trotz der eher suboptimalen Uhrzeit wurde es doch ganz schön voll und ebenso süffig.
Ein Dankeschön geht abschließend noch an unsere Freunde von den Ultras Bochum und der Brigate aus Civitanova, die das Wochenende mit uns verbrachten.
STHEPLATZKURVE FCB!!!
Bilder vom Heimspiel gegen Wolfsburg findet Ihr hier.
Außerdem gibts auf der Südkurven-Seite auch ein Video zum Spiel zu sehen.