Richard „Little“ Dombi – Unser Meistertrainer 1932

Die Zeit um den Erinnerungstag am 27. Januar wollen wir nutzen, um einem ganz besonderen Trainer unserer Vereinsgeschichte zu gedenken, der eigentlich viel öfter in einem Atemzug mit den Herren Cajkovski, Lattek oder Hitzfeld genannt werden müsste.

Am 28. Februar 1888 kommt Richard Kohn in Wien zur Welt und beginnt ab 1904 beim Wiener Athletiksport Club (WAC). Im Jahre 1909 ist er der Torschütze zum 2:1 Sieg des WAC gegen Sunderland, dem ersten Sieg einer kontinentaleuropäischen Mannschaft gegen eine Profimannschaft aus England. Bereits zu dieser Zeit wird er aufgrund seiner Größe als „Little“ bekannt.Bei Spielen des WAC in Berlin, München, Karlsruhe und Stuttgart kam es zu Differenzen zwischen den Spielern und dem WAC, da diese mehr Mitspracherecht forderten. Im Endeffekt führte der Streit dazu, dass nahezu alle Spieler den neuen Verein Wiener Associationfootball-Club (WAF) gründeten. Daher kam Richard Kohn auch nicht über 6 Nominierungen für die Nationalmannschaft Österreichs hinaus, zudem verhinderten Streitigkeiten zwischen dem WAF und dem Verband seine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Stockholm 1912.

Mit dem FC Bayern kommt Kohn zum ersten Mal am 25. März 1912 in Kontakt. Bei einem Freundschaftsspiel in Wien verlor der FCB (damals als Fußballabteilung „Bayern“ des Münchner SC) gegen den WAF mit Kohn, auch hier hieß der Siegtorschütze Richard Kohn.

Nach kurzer Zeit beim Wiener Amateuer SV und einer kurzen Rückkehr zum WAC wechselt er zum MTK Budapest. In Ungarn lernt er den englischen Trainer Jimmy Hogan kennen, der den MTK von 1917 bis 1925 zu neun Meisterschaften in Folge führte. Eine Mischung aus Flachpässen und Stellungsspiel („schottisches System“) sowie den technischen Fähigkeiten der Spieler aus Österreich und Ungarn war für die Dominanz des „Donaufußballs“ in den 1920er Jahren verantwortlich.

In Ungarn erhielt Richard „Little“ Kohn auch seinen Künstlernamen, unter dem ihn schließlich auch die Bayern-Fans kennen: Dombi. Hierbei handelt es sich um eine Verniedlichung des Wortes „domb“, was ungefähr mit „erhaben“ übersetzt werden kann. Richard Dombi ist also der „Kleine Erhabene“, oder die „Kleine Eminenz“.

In den 1920er Jahren wechselte Dombi auf die Trainerbank. Doch war er bei all seinen Vereinen mehr als nur der Übungsleiter, im heutigen Fußball würde man ihn als Trainer, Manager, Geschäftsführer, und vor allem als Mannschaftsarzt, Masseur und Physiotherapeuten bezeichnen, der sich ganzheitlich um die Belange der Spieler und Mannschaft kümmert. Mit seinen Vereinen erringt er zahlreiche Meisterschaften, doch viel bedeutsamer erscheint im Rückblick, dass fast alle Vereine nach seiner Tätigkeit auf lange Sicht erfolgreich bleiben.

Die genauen Daten seiner ersten Trainerstationen sind unklar. Es wird berichtet, dass er Uruguay bereiste, in jener Zeit die führende Fußballnation der Welt, dort möglicherweise auch als Trainer arbeitete. Seine erste nachweisbare Trainerstation ist bei Hertha BSC, wo er maßgeblich die Grundlagen legt, dass die Mannschaft später sechsmal ins Endspiel um die deutsche Meisterschaft einzieht. Er selbst wird zum Weltenbummler und übernimmt Gradjanski Agram (ein Vorläufer des heutigen Vereins Dinamo Zagreb), dort gewann er 1925 die Zagreber Verbandsmeisterschaft, das Endspiel der jugoslawischen Meisterschaft verlor seine Mannschaft jedoch gegen SK Jugoslavija aus Belgrad, weshalb er seinen Posten nach nur einem Jahr wieder zur Verfügung stellte.

Der Weg führte ihn zurück in seine Heimatstadt Wien, wo er den First Vienna FC trainierte. Die Vienna wurde 1926, zum zweiten Mal nach 1924, Vizemeister.

Danach kehrte er nach Deutschland zurück und es wurde vermeldet, dass er den Sportfreunden Stuttgart in kürzester Zeit vom letzten auf den vierten Platz verholfen habe.

Vom Februar 1926 bis 1927 trainierte Dombi erstmals den FC Barcelona, wo er unter dem Namen Dombi Little bekannt war – in offiziellen Aufstellungen zur Trainerhistorie des FC Barcelona wird er jedoch heutzutage auch als „Jack Domby“ aufgeführt.

Im März 1927 machte er sich auf den Weg nach Warschau um die Trainingsleitung bei KS Warszawianka zu übernehmen. Der bisher nicht prominent in Erscheinung getretene Verein fand Platz in der Erstaustragung einer nationalen polnischen Fußball-Liga. Am Ende des Jahres war Warszawianka dreizehnter der 14-Mitglieder Liga und vermied den Abstieg.

1928 bis 1930 trainierte Dombi die Blauen aus München, über den Fehltritt schauen wir an dieser Stelle schnell hinweg.

Anschließend wechselte er für ein Jahr zum VfR Mannheim bevor er zu Beginn der Saison 1930/1931 zum FC Bayern kam. In Mannheim wurde es ihm sehr verübelt, dass er bei seinem Abgang zum FCB dem großen Talent Oskar Rohr erfolgreich anriet, ebenfalls in die bayrische Hauptstadt überzusiedeln.

Als Dombi sein Amt beim FC Bayern antritt, ist er bereits europaweit bekannt und einer der teuersten Trainer auf dem Kontinent. Allerdings soll Dombi die Hälfte seines Gehalts in die Betreuung der Spieler investiert haben. Außerdem ist er nicht nur teuer, sondern auch einer der modernsten und vielseitigsten Vertreter seiner Zunft. Im Zentrum seiner Übungseinheiten steht die Ballkontrolle auf engstem Raum und unter gegnerischem Druck.

Richard Dombi verfügt zudem über enorme sportmedizinische und sportpsychologische Kenntnisse. Auch die Aufgabe des Geschäftsführers übernimmt der Trainer. Am 1. Januar 1932 eröffnet der FC Bayern in der Weinstraße 14 eine neue Geschäftsstelle. Den Hauptverdienst an deren Einrichtung gebührt Richard Dombi und Siegfried Herrmann, vermerkt die Chornik des FC Bayern. Trotz aller Wirtschaftsmiseren habe sich der FC Bayern eine „ideale Stätte“ geschaffen, „in einer Form und Aufmachung, um die wir von den meisten Sportvereinen beneidet wurden. Den Hauptraum bildete ein großes Sitzungszimmer, das zugleich auch in seiner Behaglichkeit Möglichkeiten für kleine Besprechungen gab. Hier waren in Vitrinen die vielen Ehrengeschenke, Pokale usw. aufbewahrt, während ein Meer von Erinnerungswimpeln die Wände schmücken. Ein großes Bilder- und Zeitungsarchiv, wohl geordnet, war für Chronisten eine Freude. Dann gab es ein Büro für die Geschäftsführung, ein Arbeitszimmer für die Vereinsfunktionäre, das zugleich auch die Clubakten enthielt, ein eigener Massageraum mit Umkleidemöglichkeiten war eine besondere Einrichtung unseres Allerweltsdoktors Dombi geworden. Wohl kein Trainer war mit seiner gesamten Zeit so für den Club tätig, als es Dombi war. Er war Trainer, Fitmacher, Masseur, Geschäftsführer und Organisator in einer Person (Quelle: Chronik 50 Jahre FC Bayern).

Im ersten Jahr erringt Dombi mit seinen Mannen die südbayrische Bezirksmeisterschaft, auf dem Weg zur Endrunde um die süddeutsche Meisterschaft ist jedoch Endstation.

Im Folgejahr, der Saison 1931/1932 kann die lang ersehnte erste Deutsche Meisterschaft unter Trainer Richard Dombi errungen werden. Dombi gelingt es in kürzester Zeit, die Abgänge von Hofmann, Pöttinger und Kutterer zu kompensieren, schließlich handelte es sich bei allen dreien um wichtige, langjährige Spieler des FC Bayern. Neben dem bereits erwähnten Oskar Rohr wurden weitere jüngere Spieler in die erste Mannschaft eingebaut.

Im Dezember 1931 ist die südbayrische Meisterschaft errungen, es folgen die Spiele zur südostdeutschen Meisterschaft, mit Fürth, Nürnberg und dem VfB Stuttgart warten hochkarätige Gegner. Doch auch diese Liga wird Ende April gewonnen und die Qualifikation für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft erreicht. Zunächst steht jedoch das Endspiel um die süddeutsche Meisterschaft am 1. Mai 1932 in Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt auf dem Kalender. Schnell liegt der FC Bayern 0:2 zurück und ist insgesamt klar unterlegen, doch gegen Spielende kommt es zum Eklat. Nach zwei stark umstrittenen elfmeterreifen Szenen im Frankfurter Strafraum ist das weitesgehend neutrale Publikum so aufgebracht, dass der Platz gestürmt wird. Der Schiedsrichter wird beinahe verprügelt und das Spiel 7 Minuten vor Abpfiff abgebrochen.

Nur eine Woche später ging es mit dem Rückschlag im Nacken in das erste Spiel der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft gegen Minerva Berlin. Die Mannschaft von Richard Dombi lässt sich nicht wie in den Jahren zuvor von einem krassen Außenseiter die Butter vom Brot nehmen und gewinnt das Spiel mit 4:2. Ab dem Viertelfinale werden die Begegnungen auf neutralem Platz ausgetragen. Am 22. Mai geht es in Leipzig gegen den PSV Chemnitz, der mit 3:2 bezwungen wird. So kommt es am 29. Mai in Mannheim zum Halbfinale gegen den FCN, gegen den in der Punktrunde noch verloren wurde. In einer umkämpften Partie behält Bayern München in der zweiten Halbzeit mit 2:0 die Oberhand und das Endspiel ist erreicht.

Der Endspielgegner am 12. Juni 1932 heisst nun ausgerechnet wieder Eintracht Frankfurt. Dieses Spiel wird nicht nur zum größten Triumph der bis dahin 32-jährigen Vereinsgeschichte, sondern auch zu Dombis ganz persönlichem Meisterstück. Akribisch bereitet er die Mannschaft auf diesen Termin vor und lässt sich selbst von einer schweren Grippe nicht aufhalten. Vor dem Spiel gelingt es ihm durch einen geschickten Schachzug, die Presse und den Tross der Vereinsoberen in die Irre zu führen. In Nürnberg ist neben dem offiziellen Mannschaftshotel noch eine zweite Unterkunft gebucht, in welche die Mannschaft heimlich ausweicht und sich so in aller Ruhe vorbereiten kann. Der Trick zahlt sich aus, die Mannschaft entgeht dem Trubel vor dem Spiel, ist bestens vorbereitet und gewinnt durch Tore von Ossi Rohr (36. Minute, Handelfmeter) und Franz Krumm (75. Minute). Auch im größten Siegestaumel ist es Dombi, der die Übersicht behält. Eine Anekdote weiss zu berichten, dass er während der die ganze Nacht andauernden Feierlichkeiten um 4 Uhr früh zwei Spieler in Nürnberg zum Zug brachte, damit sie am Montagmorgen pünktlich zur Arbeit in München erscheinen können. Die Rückkehr nach München gerät zum Triumphzug, Zehntausende bejubeln die Mannschaft und Dombi auf den Straßen, die offiziellen Feiern ziehen sich vom Königssaal des Hauptbahnhofes zum Empfang im Rathaus und schließlich zum Löwenbräukeller hin.

Doch während im Sommer 1932 Verein, Mannschaft und Trainer noch bejubelt werden und eine große Zukunft vorrausgesagt wird (Präsident Kurt Landauer verhandelte mit dem DFB über die Einführung des Profistatus), kommt es leider ganz anders. Sportlich läuft es zunächst weiter erfolgreich, die südbayrische Meisterschaft ist wieder errungen, doch 1933 verändert nicht nur die politische Landschaft. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gerät auch der Sport rasch in den brauen Sog. Aufgrund ihres jüdischen Glaubens geraten Landauer und Dombi unter Druck, Landauer tritt im März am Tag vor dem Beschluss des Ermächtigungsgesetzes zurück, Dombi wird noch bis zum Saisonende als Trainer in den Annalen geführt. Wie verschiedene Presseberichte andeuten, hat er aber schon Ende April in der letzten Phase zur Qualifikation zur Meisterschaftsendrunde nicht mehr das alleinige Sagen, die so verunsicherte Mannschaft verliert die entscheidenden Spiele und scheidet aus.

Richard Dombi selbst bleibt zunächst in München und betreut als Privatmasseur den verletzten Rohr über den Sommer hinweg, bevor er Deutschland verlässt, seine internationalen Kontakte nützt und in die Schweiz geht. Ab September 1933 übernahm Dombi erneut das Traineramt beim FC Barcelona und blieb dort bis 1934. Allerdings wurde seine zweite Periode bei den Katalanen im Allgemeinen sehr kritisch bewertet. Nach seinem raschen Abgang machte er 1934 noch für einige Zeit beim FC Basel in der Schweiz Station.

Ab Sommer 1935 ist er in den Niederlanden für Feyenoord Rotterdam verantwortlich, wo er auch heute noch als einer der erfolgreichsten Trainer in der Vereinsgeschichte angesehen wird und auf einer Stufe mit Ernst Happel (Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1970) steht. Auch in Rotterdam ist er sofort erfolgreich und erringt mit seiner Mannschaft 1936 und 1938 die niederländische Meisterschaft. Auf die internationale Landkarte bringt er Feyenoord, als das weitgehend aus Amateuren bestehende Team im Sommer 1938 völlig überraschend die englischen Profis vom Arsenal FC schlägt. Während dieser Zeit erhält er seinen dritten Spitznamen: „Wunderdoktor“. Doch auch hier muss er sich auf dem Höhepunkt zurückziehen. Am 10. Mai 1940 marschiert die deutsche Wehrmacht in den Niederlanden ein, bombardiert am 14. Mai Rotterdam und besetzt das neutrale Land. Wo sich Richard Dombi während des Krieges aufhält, ob er emigrieren kann und wie er den Holocaust überlebt, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall bleibt er nach Kriegsende in den Niederlanden, nimmt (wahrscheinlich) die niederländische Staatsangehörigkeit an und arbeitet als Masseur. Doch auch mit 63 ist keine Zeit für den Ruhestand, so trainiert er im Jahr 1951 und auch ab 1954 wieder Feyenoord und rettet die Mannschaft in der seit 1954 bestehenden Profiliga vor dem Abstieg. Erst 1956 zieht er sich aufs Altenteil zurück und stirbt im Juni 1963 nach längerer Krankheit. Der FC Bayern nimmt am 13. Juli 1963 nach einem Toto-Rundenspiel gegen Sparta Rotterdam Abschied vom Meistertrainer Dombi.

Im Jahr 1997 wurde in Rotterdam eine Straße nach ihm benannt (Richard Dombistraat), sowohl im Museum von Feyenoord als auch im neuen Museum des FC Bayern hat er einen Ehrenplatz.

Die Schickeria München widmet dem Meistertrainer von 1932 eine Choreografie beim Bundesligaspiel am 27. Januar 2013 in Stuttgart.