Olympiakos Piräus – FC Bayern 0:3

Markerschütternde Schreie am frühen Vorabend, hässliche Jubeltänze und kurze Zeit später wild durch die Gegend gerufene Kreditkartennummern – während sich die Nachbarn wundern, ob bei der WG gegenüber jetzt endgültig die Sicherungen durchgebrannt sind, weiß der FC Bayern Fan ganz genau, was Sache ist. Nach über 30 Jahren war der Griechenland-Fluch gebrochen. Während man Arsenal als Los eben zur Kenntnis nahm, löste Olympiakos totale Euphorie aus. Sonne, Athen, geile Gesänge und natürlich auch eine Portion Nervenkitzel, denn griechische Fußballfans sind ja nicht als Kinder von Traurigkeit bekannt. Die erste Hochstimmung schlug dann zügig in die übliche Gruppenphasenplanungspanik um. In drei Wochen nach Athen? Buchen! Buchen! Buchen!

So fanden sich untypischerweise für uns viele kleine Reisegruppen zusammen, die die griechische Hauptstadt auf eigene Faust erkundeten: Strand, Akropolis, die geniale Atmosphäre im autonomen Stadtteil Exarcheia, frischer Fisch, Souvlaki, Mythos, Ouzo – Europapokal wie man ihn sich erträumt. Gleichzeitig aber auch die Eindrücke der Krise, die vor allem in persönlichen Gesprächen mit Einheimischen zum Vorschein traten und einem auch mal vor Augen führten, was die durch die Troika aufoktroyierte Austeritätspolitik für den Durchschnittsgriechen bedeutet.Jedoch ist wohl (nicht einmal) ein Bericht zu einem Europapokalspiel der richtige Ort, um das Thema in der Tiefe zu behandeln, die dafür notwendig ist. Konzentrieren wir uns also erstmal aufs Spieltagsgeschehen.
Gegen 16:30 trafen sich ca. 250 Leute aus den verschiedenen Gruppen am Omonia (Einheit), um von dort gemeinsam per Metro zum Synthagma (Verfassungs-)-Platz zu fahren. Von dort war es nur noch ein kurzer Fußweg zum Abfahrtsort der Shuttle-Busse am Panathenischen-Stadion. Reichlich unspektakulär verlief mit diesen die Anreise in den Vorort Piräus, wo das Georgios-Karaiskakis-Stadion nur unweit von einem Teil des Olympiageländes von 2004 liegt. Kann man sich schwer vorstellen, wie hier vor 10 Jahren alles mal schön grün und herausgeputzt war. Dafür sieht man heute im Stadionumfeld viele Reviermarkierungen von Gate 7, dem Sammelbegriff, unter dem Olympiakos-Fans firmieren, wohl am ehesten mit „Südkurve München“ bei uns vergleichbar.

Obwohl Olympiakos gerade durch die Aufeinandertreffen mit deutschen Mannschaften im Europapokal hierzulande kein gänzlich unbekanntes Pflaster sein sollte, ist uns über die Fanszene des heutigen Gegners sonst nicht viel bekannt. Eine enge Freundschaft pflegt Gate 7 zu den Delije von Roter Stern Belgrad und über diese Achse der „Orthodox Brothers“ bestehen wohl auch Kontakte zu Spartak Moskau. Die großen Feinde neben den Stadtrivalen Panathinaikos und AEK sind wohl die Vereine aus Saloniki. Dass es Gästefans in Piräus aber generell nicht einfach haben, dürfte einer breiten Öffentlichkeit spätestens seit den Attacken gegen BVB-Fans bei deren Gastspiel geläufig sein. Ansonsten kennt man natürlich die Zeitungsartikel von Angriffen und Brandanschlägen auf Clubhäuser des ewigen Feindes Panathinaikos, sowie die Geschichte Mihalis Filopoulos, der bei einem Damen-Volleyballspiel zwischen den beiden Erzrivalen von Olympiakos-Fans erstochen wurde. Eine emotionale und feurige Stimmung war also zu erwarten.

Entgegen erster Erwartungen verliefen die Einlasskontrollen sehr entspannt und easy, die genehmigten Trommeln fanden problemlos den Weg in den Block und das weniger genehmigte Megaphon fand auch ein Hintertürchen.
FC Bayern-like war man dann viel zu früh im leeren Stadion, wo einen allerdings schon die schlechte Kunde ereilte, dass bereits die erste Bayern-Fahne in Piräus-Händen ist. Sie wurde aus dem Innenraum vom Zaun gezogen, und der Dieb verschwand nach einer Stadionrunde in den Katakomben. Sollte für heute leider nicht die letzte Fahne sein, die dieses Schicksal ereilte. Zu unvorsichtig gewesen für so ein heißes Pflaster.

Wie andere deutsche Gruppen zuvor, postierten auch wir uns etwas weiter oben im Gästeblock und hielten die Zaunfahnen in der Hand. Bewegung in den Gästeblock kam dann nochmal, als die ersten Olympiakos-Ultras auf unserer Seite der Tribüne ins Stadion kamen und auch relativ zügig aus dem Heimblock kletterten und unter bestem Gepöbel in Richtung Gästeblock marschierten. Auf unserer Seite ließ man sich bereitwillig darauf ein und checkte auch mal die Festigkeit des Fangnetzes. Nötig und clever war’s wahrscheinlich nicht, aber in der Dynamik des Augenblicks wollte man auch nicht dumm rumsitzen, während die Heimfans ein paar Meter hinter dem Plexiglas den Dicken machen. Die Sache war dann aber eigentlich auch wieder gegessen, bis die Bullen versuchten, sich die ohnehin schon zugestellte Treppe hinunterzuschieben, um sich entlang des Plexiglases aufzustellen. Weshalb sie sich nicht einfach im noch fast komplett leeren Sitzplatzblock nebenan statt im schon recht vollen Gästeblock positionierten, entbehrt jeder Logik. Da das Ganze dann nicht so ging, wie sich die Cops das vorstellten und sie zweimal wieder zurückgedrückt wurden, zogen sie beim dritten Versuch alle Register und die Schlagstöcke sausten auf Kopfhöhe durch die Luft, was auf unserer Seite einige unschöne Verletzungen nach sich zog. Dass sich einige Cops dabei ordentlich in einen Wahn prügelten, wurde ja auch von den Fernsehkameras eindeutig festgehalten.

Allen Verletzten geht es mittlerweile wieder relativ gut und wir finden es stark, dass sich viele Medienvertreter und auch unsere Vereinsoffiziellen zur Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes geäußert haben. Gleichzeitig müssen wir aber auch sagen, dass es auch in Deutschland oft genug ähnliche Situationen gibt und zumindest wir das Ganze nicht als neue Dimension von Polizeigewalt erlebt haben. War unschön und in Deutschland wird (zum Glück) halt nicht so schnell nach dem Kopf geschlagen, es gibt aber auch oft genug wegen Kleinigkeiten Pfeffer in die Fresse und Schlagstöcke in die Nieren. Auch das anschließende Provozieren, Finger deuten, hämisch Lachen der Bullen ist nichts, was man in Deutschland nicht auch öfter sehen würde als uns (und eigentlich jedem Bürger) lieb ist.
Daher stand trotz der Verletzten für uns auch zu keinem Zeitpunkt zur Debatte, das Stadion zu verlassen. Umso befremdlicher, wenn jemand im Namen des FC Bayern ein solches Gerücht an die Medien lanciert und wir das im Block auch noch mitbekommen, bevor sich irgendjemand vom Verein abgesehen vom Kurvenbeauftragten nach dem Wohlergehen der Leute erkundigt hat.

Die Bullenaktion vor dem Spiel wirkte sich auch in keiner Weise negativ auf die Stimmung aus. Im Gegenteil würden wir sogar sagen, dass die erste Halbzeit sicher zu den stärksten der letzten paar Jahre zählt. Es mache sich bezahlt, stark auf Lieder zu setzen, von denen wir wissen, dass sie fast immer lautstark kommen. Da kann man allen mitgereisten Bayernfans nur ein Lob aussprechen, dem Ruf der Heimseite wollte sich hier niemand einfach so geschlagen geben. Akustisch konnte man die Heimkurve daher bei uns relativ wenig wahrnehmen, obwohl schon immer sehr viel Bewegung war und man daher auch aufgrund der gesanglichen Darbietungen vor dem Spiel vermuten kann, dass das Stadion für unsere Spieler durchaus ein Hexenkessel war.

Diese taten sich in der ersten Hälfte dann auch recht schwer, die ersten Chancen ließen auf sich warten und wurden dann vergeben, bzw. zischten aus der Distanz knapp am Tor vorbei. Nach der Pause kamen wir dann eher glücklich zur Führung, als Thomas Müller den Ball über den Torhüter hinweg hob und sich dieser schön in die Maschen senkte. Ganz so intendiert dürfte der Ball nicht gewesen sein, aber scheiß drauf, Griechenland ist nur alle 32 Jahre, da darf man mal Massel haben. Das Tor tat dem Spiel dabei aus neutraler Perspektive eher wenig Gutes. Bei uns lag der Fokus auf Spielverwaltung, was fast noch nach hinten losgegangen wäre, bevor Götze und wiederum Müller den Sack doch noch zu machten.

Ähnlich der zweiten Hälfte verflachte auch die Stimmung auf den Rängen etwas. Das Niveau der ersten Hälfte war aber auch über 90 Minuten kaum zu halten. Es bleibt trotzdem ein sehr guter Gesamteindruck von diesem Abend.
Nach einer langen Blocksperre ging es geschlossen raus, da wir es für möglich hielten, dass die Bullen abseits der lästigen Fernsehkameras nochmal die Muskeln spielen lassen würden, bis auf ein paar Kleinigkeiten beließen sie es aber bei den Feierabendvorbereitungen.

Der Rückweg in die Stadt gestaltete sich ebenso ereignislos wie der Hinweg und nach einem gemütlichen Spaziergang durch das nächtliche Athen verlief sich dann der Haufen so langsam und versorgte sich am Kiosk des Vertrauens je nach Geschmack mit Mythos, Alpha oder Fix.

Vielen Dank auch an unsere Freunde aus Bochum, Hamburg und Jena, die uns auf unserer Reise nach Griechenland begleitet haben.

In diesem Sinne,
Yamas! 1312 weltweit!

Bilder vom Spiel gibts hier.