Die ganz eigene FC Bayern-Art

Auf einer Sitzung des so genannten „Arbeitskreis Fandialog“ vor dem Heimspiel gegen Freiburg haben die Verantwortlichen des FC Bayern verkündet, dass sie ab der Saison 13/14 vor die Eingänge zu den Blöcken der Südkurve im Unterrang Drehkreuze installieren wollen. Damit versuchen sie einen Schlussstrich unter einen Konflikt zu ziehen, der sich seit fast zwei Jahren hinzieht. Besonders perfide dabei ist, dass in einem noch während der laufenden Sitzung veröffentlichten Bericht, der zynischerweise „FCB erhöht Ticketkontingent in der Südkurve“ tituliert ist, von einem ständigen Dialog mit allen Beteiligten gesprochen wird. Den Umgang der Offiziellen mit den Fans als Dialog zu bezeichnen ist blanker Hohn. Das Ganze auch noch als einvernehmliche Lösung zu verkaufen ebenso. Doch dazu später mehr.

 De facto erhöht sich das Ticketkontingent in der Südkurve nicht. Stattdessen wird das Kontingent in den Seitenblöcken um 300 Karten reduziert, während das Kontingent in den mittleren Blöcken 112 und 113 um 300 erhöht wird. Natürlich erwähnt die Erklärung nicht, dass man mit der Reduzierung auf eine gefühlte Überfüllung in den Nachbarblöcken reagiert. „Gefühlt“, weil sich die in den Seitenblöcken stehenden Fans zwischen Klappsitzen drängen, die man beim Neubau des Stadions in Fröttmaning statt echter Stehplätze eingebaut hat. Damit schlägt man an der Säbener Straße also sprichwörtlich zwei Fliegen mit einer Klappe. Auf die ganz eigene FC Bayern-Art. Man hätte nämlich auch einfach in diesen Blöcken echte Stehpätze schaffen können. Dann hätten wir in der Südkurve auch nicht mehr den kleinsten Stehplatz-Block der ganzen Liga. Doch dafür hätte man auf Vorschläge aus den Reihen der Fans eingehen müssen. An der Säbener Straße ist man aber von der Manie getrieben, man dürfe den Fans nicht zu viele Zugeständnisse machen bzw. auf deren Forderungen eingehen. Forderungen der Fans sind bei den Offiziellen die Sprachregelung für sämtliche Vorschläge von Fanseite bezüglich diese betreffende Angelegenheiten. Diese Forderungen bzw. Vorschläge ohne Argumentation zu verwerfen oder sich erst gar nicht anzuhören ist etablierte FC Bayern-Art.

Schwerwiegender als die Reduzierung in den Seitenblöcken sind die erwähnten Drehkreuze. Sie machen es unmöglich, ohne für den Bereich gültige Eintrittskarte in den jeweiligen Block zu kommen. Anhand des Eincheck-Vorgangs an den Drehkreuzen wird genau erfasst werden, welcher Fan bei welchen Spielen war und wann er den Block betreten und verlassen hat. Diese Drehkreuze sind Ausdruck für den Wunsch der Offiziellen, eine totale Kontrolle auszuüben. Sie haben für die Vereinsführung den netten Nebeneffekt, kritische Stimmen mundtot machen zu können und unliebsame Fans auszusperren, da der Kurvengänger durch die elektronischen Drehkreuze zum gläsernen Fan wird. Sie zerstören die Fankultur in der Südkurve. Denn Fankultur lebt von Spontanität und Freiräumen und stirbt bei totaler Kontrolle. Einer dieser essentiellen Freiräume ist die Möglichkeit sich in der Fankurve zusammenzufinden, um gemeinsam anzufeuern. Ist eine Fankurve erstmal zerstört, kann sie nicht durch von Werbeagenturen ausgelegten Klatschpappen ersetzt werden, auch wenn die Offiziellen das in letzter Zeit bis zum Erbrechen geprobt haben.

Nach der gewaltsamen „Befriedung“ der Südkurve wird sich im Übrigen dem Norden des Stadions zugewandt. In absehbarer Zeit sollen auch dort und später dann im ganzen Stadion Drehkreuze installiert werden. Erklärtes und auch auf der Sitzung formuliertes Ziel ist es, dass jeder Fan brav an dem Platz sitzt, der ihm zugeteilt ist. Schöne neue Welt nach FC Bayern-Art.

Eine Woche nach Bekanntgabe der Drehkreuz-Pläne wurden alle Jahreskarteninhaber in der Südkurve angeschrieben abzustimmen, ob sich die Offiziellen dafür einsetzen sollen, dass innerhalb der Südkurve freie Blockwahl geschaffen wird. Ohne Zweifel würde eine freie Blockwahl grundsätzlich eine Verbesserung der Situation darstellen.

Erstens löst sie aber das vorhandene Problem nicht, da der Großteil der Fans aus dem Stimmungskern ohne gültige Karte für die Blöcke 112 und 113 auch keine Karten für die anderen Blöcke der Südkurve hat und damit weiter nicht in die Südkurve kommen. Wir haben im Laufe der Rückrunde eine Umfrage in der Südkurve durchgeführt, die genau diese Erkenntnis zu Tage gebracht hat. Wäre man auf unser Bitte nach einem Gespräch eingegangen, hätten die Offiziellen das erfahren können. Wenn es sie interessiert hätte.

Zweitens stellt es zumindest für uns einen zu hohen Preis für die freie Blockwahl dar, die Drehkreuze zu akzeptieren.

Drittens haben die Verantwortlichen des FC Bayern die Formulierungen in dem Anschreiben so gewählt, dass sich viele Fans, die nicht so gut informiert sind oder ihren Fokus auf den persönlichen Belangen haben, gegen das Vorhaben stimmen werden (Vergleiche „Umfrage zu freier Blockwahl in der Südkurve “ auf http://www.clubnr12.org/). Wird das derart einseitig beschriebene Anliegen abgewählt, kann man sich an der Säbener Straße hinter einer „demokratischen Entscheidung“ verstecken.

Für die Offiziellen stellt das eine win-win-Situation dar, die Fans können nur verlieren. Getreu dem Grundsatz „devide et impera“ wird die Fanseite geschickt auseinanderdividiert. So oder so können sich die Offiziellen das Feigenblatt anheften, auf Vorschläge der Fans einzugehen, und damit von dem schwerwiegendsten und nachhaltig schädlichstem Eingriff in die Südkurve mindestens seit Teilung der Kurve in Nord und Süd beim Umzug nach Fröttmaning ablenken. Auch damals schon waren die Gespräche mit Fanvertretern nur Alibiveranstaltungen. Die wirklichen Entscheidungen wurden auch da an allen Faninteressen vorbei, beratungsresistent im stillen Kämmerchen getroffen. Die ganz eigene FC Bayern-Art wird konsequent verfolgt.

Denn die Art und Weise der Kommunikation, die die Verantwortlichen des FC Bayern mit der Fanszene und den Fans allgemein pflegen, spottet der Bezeichnung Dialog. Die Sitzungen des so genannten „Arbeitskreis Fandialog“ (AKFD) – der offiziell einzigen Form des Austauschs zwischen Fans und Offiziellen – sind seit der Einstellung des Terrorexperten Salewski als Berater des Vorstandes in Fanangelegenheiten eine Farce, da die Ergebnisse im Vorfeld feststehen und nur noch verkündet werden. Ein solches Gremium hat aber nichts mit Dialog zu tun. Die Art und Weise, wie beschlossen worden ist, Drehkreuze vor unsere Kurve zu setzen, war für uns ein Schlag ins Gesicht und setzt dieser Entwicklung die Krone auf. Auf einer Sitzung im Dezember 2012 wurde die Möglichkeit zusätzlicher Eintrittskarten für die Blöcke 112 und 113 anzubieten, wenn Drehkreuze installiert werden würden, den Fans als Angebot unterbreitet. Unsere Bedenken und ablehnende Haltung dazu haben wir schon damals zum Ausdruck gebracht. Unser Angebot, im Rahmen einer offiziellen Arbeitsgruppe des „AKFD“ eigene Vorschläge auszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen, wurde damals begrüßt. In dem folgenden halben Jahr haben wir verschiedene Möglichkeiten die Problematik zu lösen diskutiert, eine Umfrage in der Südkurve durchgeführt, um eine vailde Basis für unsere Vorschläge zu schaffen, und ein entsprechendes Konzept entwickelt. Dabei war uns durchaus bewusst, dass Sicherheitsbedenken eine sehr wichtige Rolle spielen und sich eventuell nicht alle unsere Vorschläge umsetzen lassen würden. An dieser Stelle muss aber auch betont werden, dass die vieldiskutierte Überfüllung der Blöcke 112 und 113 zu keinem Zeitpunkt dramatisch waren. Die von Herrn Salewski erhobenen Zahlen zeigen hingegen, dass sich bei den meisten Spielen im erfassten Zeitraum von etwa einem Jahr nicht mehr Fans in den Blöcken aufhielten, als Karten verkauft wurden. Einige Male waren sogar weniger Fans vor Ort, obwohl sich bei jedem Spiel in etwa die gleiche Anzahl von Fans ohne gültige Karte in den Blöcken aufhielt. Das lässt sich damit erklären, dass viele Jahreskarten-Inhaber die Spiele von anderen Stellen im Stadion verfolgen oder nur zu den Top-Spielen kommen. Nur in Ausnahmefällen befanden sich mehr Fans in den Blöcken als die verkauften 1.800 Karten. In keinem Fall waren das signifikant mehr Fans als die von Bayern willkürlich festgelegte Toleranzgrenze von 2.100 Fans, die immer noch weit unter der gesetzlich zulässigen Kapazität von fast 2.500 Personen liegt. Ohne Frage stellt aber eine möglicherweise wachsende Zahl von Fans in diesen Blöcken ab einem bestimmten Zeitpunkt (der bei weitem noch nicht erreicht war) ein Problem dar. Entsprechend hat sich die Fanseite konstruktiv und gesprächsbereit gezeigt und versucht, sich mit den eigenen Vorschlägen an einer Lösung zu beteiligen. Leider wurden unsere Anfragen nach einem Gesprächstermin, um diese Vorschläge gemeinsam zu diskutieren, an der Säbener Straße über Wochen ignoriert. Auf der Sitzung des „AKFD“ vor dem Freiburg-Heimspiel wurde die Drehkreuz-“Lösung“ als beschlossene Sache präsentiert. Während den Fanvertretern auf der Sitzung noch vermittelt wurde, man könne nochmal über ihre Vorschläge reden, wurde zeitgleich die eingangs erwähnte Presseerklärung veröffentlicht. DAS haben wir als Schlag ins Gesicht empfunden und deswegen im Anschluss beim Spiel FC Bayern – SC Freiburg keine Stimmung organisiert.

Wir nehmen parallel zu all diesen Entwicklungen wahr, dass die Offiziellen immer wieder versuchen, einen Keil zwischen verschiedene Fangruppen zu treiben. Oft fällt ihnen das nicht so schwer, da beide oder besser viele Lager in München in Parallelwelten nebeneinander her leben. Es fällt ihnen nicht sehr schwer, weil wir sicherlich auch nicht immer alles richtig machen. Es fällt ihnen nicht schwer, weil viele fälschlicherweise der Meinung sind, wir würden uns für „die besseren Fans“ halten, weil sie es missverstehen, dass wir einfach ANDERE Fans sind, die ihr Fansein auf andere Art und Weise ausleben, die andere Wünsche haben und auch anders auftreten. Respekt untereinander beinhaltet aber auch eben diese Erkenntnis und gegenseitige Toleranz für diese unterschiedlichen Auffassungen. Und es ist nicht gerade eine Form von Respekt, uns als Stimmungs-Dienstleister zu sehen, die man aufs gröbste beleidigen kann, wenn wir aus unseren Gründen mal nicht das machen, was man von uns erwartet und uns so verhalten, wie jeder andere im Stadion. Wir haben als Gruppe vor einiger Zeit einen Weg eingeschlagen, der eben auf Respekt, ehrlichen Umgang miteinander und Dialog basiert. Daran werden wir festhalten.

Leider sind das alles Tugenden, die wir auf Seiten der Offiziellen im Umgang mit uns nicht vorfinden. Im wieder bestätigt sich, dass man an der Säbener Straße weder Interesse an noch Ahnung von lebendiger Fankultur hat. Fans und Vereinsmitglieder werden als Kunden begriffen.

Statt einem Terror-Experten, der gewöhnlich mit Bankräubern verhandelt, dessen Fachgebiet es ist, die Schwachstellen des Gegners zu analysieren und eine Strategien zu entwickeln, ihn zu zermürben, zu täuschen oder auszuschalten, hätte man einen Kommunikationsexperten an die Säbener Straße holen sollen. Der hätte den Verantwortlichen vielleicht erzählt, dass man miteinander reden soll, dass man sich die Argumente des anderen anhören soll, sich auf Augenhöhe offen und ehrlich begegnet und dass man einen Weg finden hätte können, der Sicherheitsaspekte und Interessen der Fans gleichermaßen berücksichtigt. Leider ist das anscheinend nicht FC Bayern-Art.

Wir wünschen uns eine Südkurve mit Stehplätzen von Eckfahne bis Eckfahne ohne Drehkreuze. Eine Kurve, ohne sinnlose Einschränkungen und Verbote, in der sich Fankultur frei entfalten kann und man nicht auf Schritt und Tritt kontrolliert und beobachtet wird. So wie es fast überall anders ist. Eine Kurve die zusammenhält und in der man sich untereinander mit Respekt begegnet. Auswärts beweisen wir immer wieder, was für tolle Stimmung wir alle zusammen verbreiten können. Schon jetzt sind unsere Heimspiele dafür bekannt, dass wenig los ist. Und das liegt sicher nicht daran, dass zu selten Klatschpapen verteilt werden.

Wir wünschen uns einen ehrlichen Dialog, wie er fast überall in der Bundesliga möglich ist. Wir wünschen uns endliche eine NEUE UND EHRLICHE ART DES UMGANGS MITEINANDER.

Wir werden die Sommerpause nutzen, um uns mit möglichst vielen Fans, Gruppen und Fanclubs auszutauschen.

SCHICKERIA MÜNCHEN – IM HERZEN DER SÜDKURVE SEIT 2002