9. Antirassistisches Einladungsturnier um den Kurt Landauer-Pokal der Schickeria München vom 04. bis zum 06. Juli 2014

Die neunte Ausgabe unseres Antirassistischen Einladungsturniers um den Kurt Landauer-Pokal hat die Messlatte für das nächstjährige Jubiläum ziemlich hoch gesetzt, was Besucherzahl, Qualität des inhaltlichen Programms und organisatorischen Ablauf angeht.

Wir durften vom 04. bis zum 06. Juli auf dem Platz des SC Percha am Starnberger See so viele Gäste begrüßen wie noch nie. Schon freitags war die Fläche am Rand des Fußballplatzes voller Zelte, viele Freunde aus der Südkurve und von befreundeten Vereinen kamen über das Wochenende vorbei und auch das Gruppenfoto dokumentiert die hohe Besucherzahl. Insgesamt 24 Teams spielten das Fußballturnier aus, wobei wir leider einigen Interessenten absagen mussten, um den Rahmen nicht zu sprengen.

Auch das inhaltliche Programm konnte sich sehen lassen. Bereits am Freitag fand mit der Vorführung des BR-Spielfilms über Kurt Landauer ein viel beachtetes Highlight statt. Erst drei Tage vorher feierte der aufwendig produzierte Film im Rahmen des Filmfests München Premiere. Insofern war es eine große Ehre, dass wir ihn auf zwei Leinwänden auf dem Kurt zeigen konnten. Gerade die vor dem Zelt aufgestellte Bühne versprühte als Kino unterm Sternenhimmel einen besonderen Charme. Vor der Vorführung berichtete der Autor des Drehbuchs über die Entstehung des Films. Dirk Kämper erzählte darüber, wie die Idee, etwas über Kurt Landauer zu machen, entwickelt wurde, wie der erste Kontakt mit dem FC Bayern stattfand und nicht zuletzt, dass es die Schickeria war, die mit ihrer Choreo 2009 den Anstoß gab, sich überhaupt erst mit dem Präsidenten des FC Bayern zu beschäftigen, über den so wenig bekannt war.
Am Samstag Nachmittag referierte Jan Tölva über Kommerz-Kritik und den Modernen Fußball, dessen Widersprüche man akzeptieren müsse. Gegen manche Entwicklungen sei sich durchaus zu wehren und trotzdem sei dabei die Erkenntnis wichtig, dass Fußball nun mal nach den Regeln des Kapitalismus funktioniere und nicht isoliert betrachtet werden könne. Die Kritik am Modernen Fußball laufe oft Gefahr, in zu einfache und gefährliche Muster zu verfallen, wenn man sich dies eben nicht bewusst mache. Der Vortrag lieferte einige Denkanstöße.
Robert Andreasch vom A.I.D.A.-Archiv gab anschließend einen kleinen Überblick über die sich in letzter Zeit häufenden und oft in der Öffentlichkeit nicht beachteten Attacken auf Geflüchtete in Bayern. Zu unserem Verständnis von Antirassismus gehört es, solche schändlichen Angriffe nicht einfach zu akzeptieren oder totzuschweigen und die selbstbestimmten Kämpfe von Geflüchteten für ihre Rechte und ihre Würde zu unterstützen.
Von diesen Kämpfen berichtete uns nach dem A.I.D.A.-Vortrag auf bewegende Art und Weise ein Vertreter von Ultrà Sankt Pauli, der bei den Lampedusa-Protesten in Hamburg als Supporter die Geflüchteten unterstützt hat, sowie der Aktivist Robert, der an den Protesten teilgenommen hat. Obwohl der Referent von USP Antirazzista eigentlich nur kurz etwas zu ihrem Engagement für die Lampedusa-Geflüchteten sagen wollte, hingen die Zuhörer auch nach einer knappen halben Stunde an seinen Lippen. In einem unaufgeregten Ton erklärte er den Zuhörern die Situation der Geflüchteten und bettete es geschickt in weitere Geschehnisse von politischer Bedeutung in der Hansestadt ein. Er berichtete vom repressiven Vorgehen der Bullen gegen politische Aktivisten und schilderte auch seine persönlichen Gefühle. Ganz einfach ein phantastischer Vortrag, der die Hamburger Situation auch am Starnberger See greifbar machte.
Für Robert stand das Thema Menschlichkeit im Mittelpunkt seines Vortrags und er erinnerte immer wieder, dass das eigentlich das Einzige wäre, was sich die Refugees von den aufnehmenden Gesellschaften wünschen würden. Gleichzeitg freute er sich, dass er eben jene Menschlichkeit bei Veranstaltungen wie dem Turnier um den Kurt Landauer-Pokal erfährt. Unser größter Respekt gilt Menschen wie ihm, die vor Verfolgung, Unterdrückung und nicht selten dem sicheren Tod fliehen, ihr ganzes Leben hinter sich lassen, auf dieser Reise sich großen Gefahren, z.B. durch die Überfahrt über das Mittelmeer oder dem menschenverachtenden Grenzregime der EU und ihrer Mitgliedsstaaten mit rassistischen Beamten und rassistischen Kontrollen aussetzen und dann hier mit Dummheit, Ignoranz, Rassismus und Abweisung konfrontiert werden. Das Recht auf Asyl wurde nach der Befreiung 1945 in der Verfassung verankert, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen damit, dass viele Deutsche vor den Nazis fliehen und in anderen Ländern Zuflucht suchen mussten. In den 90er Jahren wurde vom Bundestag das Asylrecht quasi abgeschafft, um rassistischen Ressentiments und „Das Boot ist voll“-Rhetorik Rechnung zu tragen. In letzter Zeit organisieren sich immer öfter Geflüchtete, um für ihre Rechte und ihre Würde zu kämpfen. Im Anhang findet Ihr eine Liste von Homepages, auf denen Ihr Euch darüber informieren könnt.
Der Vortrag über Erlebnisse aus der „Ordnungszelle Bayern“ von Benedikt Suldinger rundete den Abend ab. Kurze Berichte über politische Aktionen und Repression dagegen wurden amüsant vorgetragen und sorgten für Erheiterung.
Am Sonntag schloss der Journalist Christian Russau, Mitherausgeber des Buches „Fußball in Brasilien – Widerstand und Utopie“, das inhaltliche Programm des diesjährigen Kurts mit dem Vortrag „Zauber und Zorn am Zuckerhut“ ab. Christian verschaffte uns nochmals einen Überblick über die negativen sozialen Begleiterscheinungen in Brasilien und ging auch auf die verkürzte Berichterstattung der deutschen Medien ein. Er erklärte, dass in Brasilien weite Teile der sogenannten Mittelklasse noch in prekären Verhältnissen leben und zeigte auch die Maßlosigkeit und mangelnde Nachhaltigkeit mancher Bauprojekte, zum Beispiel in Manaus und Brasilia, auf. Er berichtete, wie Menschen den Stadionbaustellen weichen mussten und welche Polizeieinheiten mit welchen Methoden für die „Befriedung“ bestimmter Bezirke während der WM sorgten. Tote und Verletze wurden stillschweigend in Kauf genommen und auf Proteste mit unmittelbarer Gewalt reagiert. Gleichzeitig sprach natürlich auch Christian von dem Dilemma, dem man als Fußballfan angesichts der Verbindung von Sport und Wirtschaft gegenübersteht. Eine Musterlösung hatte freilich auch er nicht parat.

Auf dem Rasen konnten sich dieses Jahr verdient die Jugendlichen ohne Grenzen durchsetzen, die bei ihren bisherigen Teilnahmen immer auf dem zweiten Platz gelandet waren. Die jugendlichen Flüchtlinge engagieren sich selbstorganisiert für ihre Rechte. Ihre ehrliche Begeisterung über den Turniersieg freute uns sehr.

Während des Turniers wurden an mehreren Stellen Spendenbecher aufgestellt, um in gleichen Teilen die Aktivisten der Geflüchteten-Proteste, die derzeit hart von Repression betroffen sind, und die Allgäuer Werkstätten, für die unser Freund Blacky sehr engagiert war, bevor er aus seinem Leben gerissen wurde, zu unterstützen.

Das Turnier war tagsüber von einer sehr angenehmen Atmosphäre und vielen Kindern von Mitgliedern, Ehemaligen und Freunden der Gruppe geprägt, die dem Turnier einen sehr speziellen, familiären Charakter gaben. Wir freuen uns auch, jedes Jahr auch viele ehemalige Mitglieder und Weggefährten und alle Freunde der Gruppe begrüßen zu können. Das Kurt ist zu einem Termin geworden, an dem man sich trifft.
Am Freitag Abend begeisterte wieder das Shisha-Zelt die Teilnehmer, über das ganze Wochenende beschallten wir die Gäste mit Ska, 2-Ton, Reggae, Roots/Dub, Oi, Punk, HipHop, Cosmic, Techno, Deep-House und Elektro – tagsüber zur Untermalung der entspannten Atmosphäre, nachts um der zum Teil ausschweifenden Feierei einen entsprechenden Rahmen zu geben.
Die traditionelle Pasta am Freitagabend, leckere Falafel, Chili sin Carne sowie Frühstück mit Pancakes und Rührei stellten die kulinarische Versorgung sicher.
Vielen Dank an alle Helfer an den Grills, den Getränkeständen, in der Küche, am Spülmobil, dem Verkaufsstand, der Turnierleitung, den Turntables, den Auf- und Abbau und und und. Letztendlich waren es aber vor allem die Teilnehmer, die die besondere Stimmung auf dem Kurt Landauer-Turnier ausmachten.

Das Kurt 2014 war groß, Ihr – die Besucher – habt es groß gemacht. Ein fettes MERCI an dieser Stelle an Euch. Nächstes Jahr müssen wir uns toppen. Das wird eine Herausforderung.

Schickeria München – Immer antirassistisch, immer antifaschistisch!

PROGRAMM UND SOUND

Freitag:
ab 10:00 Uhr Anreise und Aufbau

ab 18:00 Uhr traditionell Pasta /// Sound: BOW: Vinyl Classics/Northern Soul/Italo Ska

20:30 Uhr Begrüßung mit Auslosung der Turniergruppen

21:00 Uhr Vortrag:
Dirk Kämper: Die Entstehung der Biographie und des Drehbuchs zum Spielfilm über Kurt Landauer

Anschließend Kurt-Kino: Kurt Landauer – Der Spielfilm

danach gemütliches Beisammensein im Shisha-Zelt /// Sound: Killacop Hi-Fi: Roots/Dub, Flowtin: Cosmic!

Samstag:
09:00 Uhr Frühstück

10:00 Uhr Vorrundenspiele des Fußballturniers /// Sound: Flowtin: gmiatlich Elektronisch/Deep House

13:00 Uhr Gruppenfoto

13:30 Uhr K.O.-Runde und Platzierungsspiele des Fußballturniers /// Sound: Schickeria Classic: Oi/Punk, Ska, Klassiker

17:00 Uhr Vortrag:
Jan Tölva: Es gibt keinen richtigen Ballsport im Falschen – Fußball und Kapitalismus

18:00 Uhr Vortrag:
Robert Andreasch: Attacken auf Geflüchtete in Bayern

ab 19:00 Uhr Abendessen

20:00 Uhr Vortrag:
Robert und ein Vertreter von USP: Aktuelle Eindrücke über die selbstbestimmten Kämpfe von Geflüchteten

21:00 Uhr Vortrag:
Benedikt Suldinger: Subversiv*089 – Erlebnisse aus der „Ordnungszelle Bayern“

ab 21:45 Uhr Bar und Tanz /// Sound: Killacop Hi-Fi & BOW: Reggae from the Ghetto (1969-2014)
im Anschluss Flowtin & Matze1312 : Techno/Vincent RAVEN!

Sonntag:
09:30 Uhr Frühstück /// Sound: Britpop

10:30 Uhr Ausspielen der Halbfinale /// Sound: BOW: 2Tone & Flowtin: Hip-Hop

11:15 Uhr Finale /// Sound: BOW: 2Tone & Flowtin: Hip-Hop

12:00 Uhr Vortrag:
Christian Russau: Zauber und Zorn am Zuckerhut

13:00 Uhr: Siegerehrung

ab ca. 14.30 Uhr: Abbau

PLATZIERUNGEN

1. Jugendliche ohne Grenzen
2. Colegio
3. buntkicktgut Allstars
4. Hammer Reds
5. Diffidati-Team
6. Jugendbande
7. Karawane München
8. Kafe Marat
9. same old ugly faces
10. Munich’s Red Pride
11. Ultras Samb
12. Brigate Rossoblu Civitanova
13.-16. Schickeria München
13.-16. Lawyers United
13.-16. Red Fanatic München
13.-16. Club Nr. 12
17.-24. Red Boys
17.-24. Löwenjäger 089
17.-24. Ultramarines Bordeaux
17.-24. Horda Azzuro Jena
17.-24. Ultrà Sankt Pauli
17.-24. FC Bayern Worldwide
17.-24. FC Feiern
17.-24. Ultras Bochum

LINKS ZU DEN KÄMPFEN DER GEFLÜCHTETEN

Regensburg/Landshut: facebook.com/refugeestruggle

Bayreuth: facebook.com/RefugeeOberfrankenStrike

Nürnberg: strikenuernberg.wordpress.com oder
facebook.com/strikenuernberg

Würzburg:
facebook.com/pages/Solidarität-mit-den-streikenden-Flüchtlingen-in-Würzburg-Unterfranken

Amberg :
facebook.com/pages/Refugeestreikamberg

Protestmarsch von Strasbourg nach Brüssel:
freedomnotfrontex.noblogs.org

Lampedusa in Hamburg:
facebook.com/lampedusainhamburg

Lampedusa in Berlin:
facebook.com/lampedusainberlin

Refugee Strike Berlin (die früheren O-Platz-Leute):
strikenuernberg.wordpress.com

Informationen zur Räumung der besetzen Schule in Berlin:
www.aktionsticker.org

Asylum Rights Evolution (Hungerstreikende am Berliner Alexanderplatz):
asylumrightsevolution.wordpress.com